Kapitel 25 - Der Finsternis widerstehen

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In der Nacht wartete Noah darauf, dass seine Schwester wieder zu ihm kommen würde. Jedes Mal, wenn ein Geräusch vor seiner Tür ertönte, zuckte er zusammen. Sein Gehirn war schon darauf eingestellt, bei jeder Bewegung zu erwarten, dass Jade auftauchte. Sie war seit dem letzten Besuch nur ein weiteres Mal aufgetaucht, konnte aber nur wenige Minuten bleiben, denn Amena hatte sie geschickt, um etwas aus der Küche zu holen. Seit diesem Tag waren zwei Wochen vergangen und Noah hatte kaum geschlafen, in der Hoffnung, dass Jade wieder kommen würde. Aber sowohl Amena als auch Immanuel waren der Meinung, dass die Zwillinge mehr Aufgaben denn je erledigen mussten. Zwar vertraute man Noah noch keine wichtigen Sachen an, aber er war trotzdem den halben Tag damit beschäftigt Wäsche zusammenzulegen, Erledigungen zu machen oder Schuhe auf Muggelart zu putzen. Jade, die von Amena mit immer mehr Aufgaben betreut wurde, hatte es damit einfacher, ihren Plan mit den Briefen umzusetzen. Er hatte sie mehrmals beobachtet, wie sie mit Pergamentbögen in der Hand zu einem nahen Fenster gehechtet war, um sie abzuschicken. Noah hatte nach wie vor keine Möglichkeit zu Tageszeiten mit Jade zu reden, denn entweder befand sie sich in Begleitung von anderen Todessern, oder die Wachen an jeder Tür beäugten sie misstrauisch.

Noah konnte schon lange nicht mehr sagen, welcher Tag war, als Jade endlich wieder kam. Sie drückte geräuschlos die Klinke seiner Kammer nieder und trat dann wie ein Schatten ein. Er war wach gewesen und hatte in die Dunkelheit gestarrt, doch als seine Tür geöffnet wurde und Jade eingetreten war, hatte er sich in Alarmbereitschaft begeben. Sobald er jedoch die aschblonden Haare erkannt hatte, die seine Schwester als Amenas Tochter hatte, war er aufgesprungen und hatte sie in die Arme geschlossen. Jade klammerte sich an den Arm ihres Bruders, als wäre er der Rettungsring in einer stürmischen Nacht auf hoher See. Einige Sekunden verbrachten sie so, dann löste Noah die Umarmung seiner Schwester und schob sie ein Stück von sich. Sie war dünner geworden, das hatte er nie wirklich gesehen. Die ganze Sache zerrte an ihren Kräften und auch ihr Gesicht war schmal und etwas eingefallen. Schwarze Ringe zierten ihre Augen, aber trotzdem war ein ehrliches Lächeln auf ihren Lippen. Er geleitete sie zu seinem Bett und drückte sie mit sanfter Gewalt darauf.

„Wie geht's dir?", fragte sie mit kratziger Stimme und musste sich räuspern. Noah lachte kurz. „Bestens. Ich diene dem Anführer der Leute, die uns entführt haben und gefangen halten, etwas Besseres kann ich mir kaum vorstellen." Ein schwaches Lächeln erschien auf Jades Lippen. „Aber ich lebe, das ist die Hauptsache. Sobald wir hier wieder rauskommen, werden wir uns erholen und entspannen können, so lange wir wollen."

Jades Blick wanderte zu Boden und blieb an einem Fleck an den schmutzigen Dielen hängen. „Aber wann wird das soweit sein?", fragte sie schließlich und krallte ihre Hände in den Schoß, sodass die Knöchel weiß hervortraten. „Ich habe unzählige Briefe geschickt, alle mit anderen Botschaften, aber entweder findet sie niemand heraus oder sie sind zu doof, um uns zu finden!" Noah musste Jade die Hand auf den Mund drücken, denn ihre Stimme war immer lauter geworden. Ihre Augen glänzten vor unterdrückter Schmerzen und Wut.

„Hab Geduld. Irgendwie schaffen wir das schon, wenn nötig auch alleine. Wir sind immerhin die Graeham-Zwillinge, es gibt nichts, was wir nicht können, nicht wahr?" Jade nickte und Noah nahm seine Hand weg. „Jetzt erzähl mal, was hast du alles gemacht?" Seine Zwillingsschwester suchte sich eine bequemere Position zum Sitzen und fing dann an zu erzählen.

„Ich habe jeden Brief den Amena mir gegeben hat, mit einem kleinen Zauber so umgeschrieben, dass entweder jeder erste oder letzte Buchstabe einer Zeile zusammengenommen ein Wort oder einen Satz bildet. So etwas wie: Mein Name ist Jade Graeham, oder Hilfe, wir werden gefangen gehalten." Jade seufzte. „Ich weiß aber nicht, ob es wirklich herauszufinden ist. Immerhin müsste man dort schon ganz schön querdenken und wer weiß, wer die Briefe überhaupt findet. Es könnten auch Leute sein, die zu ihnen gehören. Ich hab zwar jeder Eule gesagt, sie soll es dem ersten Zauberer geben, der ihr begegnet, aber ich bin unsicher." Jade schauderte kurz. „Ich hoffe einfach, Amena findet nichts heraus, ansonsten bin ich bald weg vom Fenster."

Definitiv nicht Harry Potter! (2)Where stories live. Discover now