Kapitel 30 - Morgenrot

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Die lauten Stimmen und die blitzenden Lichter verschwanden, nachdem Noah die Tür hinter sich und seiner Schwester zugeworfen hatte. Er atmete schwer und hielt noch immer Jades Hand fest, auf deren Gesicht Schock abgezeichnet war. Noah hatte nur noch aus dem Augenwinkel mitbekommen, was Amena getan hatte und er wusste, es war eigentlich falsch, aber er empfand sogar Mitleid für sie. Vielleicht war sie in ihrem Inneren keine so verdorbene Person, für die er sie immer gehalten hatte. Eine einzelne Träne löste sich aus Jades Augenwinkel und sie beeilte sich, sie wegzuwischen. Doch ihre Hände und Lippen zitterten immer noch und ihre Augen huschten wieder zu der Tür, als würde sie entweder wieder hinein rennen wollen, oder sie so fest verbarrikadieren, dass niemand sie je durchschreiten konnte.

„Wo sollen wir jetzt hin?", fragte sie mit brüchiger Stimme und hustete kurz, als hätte sie Staub in der Lunge. „Wir – wir können nicht hierbleiben, oder sie werden und fangen." Noah war sich bei Jades Aussagen, nicht einmal sicher, ob sie wirklich die Todesser meinte, von denen einige vielleicht auch versuchten zu fliehen. „Wir könnten in den Kerker gehen", fing Noah langsam an, doch als sich Jades Augen erschrocken weiteten, fügte er rasch hinzu: „um die anderen zu befreien. Es sind immer noch welche dort unten gefangen." Seine Schwester atmete erleichtert aus und ihm wurde klar, wie viel Angst sie eigentlich haben musste. Noah schluckte, auch er hatte Angst, dass stand fest, doch zum Wohle von Jade musste er jetzt einen kühlen Kopf bewahren und die Situation genauestens berechnen. „Wenn wir die anderen befreit haben, kommen wir wieder hoch und dann sehen wir, was in der Zwischenzeit passiert ist. Wir wären sowieso nur im Weg, dass weißt du, oder?", fragte er und blickte dabei auf den dunklen Zauberstab, den Jade mit klammen Händen umklammert hatte. „Ja..."

Sie eilten die steinerne Treppe hinab, wobei Noah sich alle paar Stufen vergewisserte, das Jade noch hinter ihm war. „Du musst ab hier führen", sagte er und ließ seine Schwester vorbei treten. „Du kennst dich hier ... besser aus." Jade nickte und erleuchtete die Spitze – ihres – Zauberstabes. Das alte Gemäuer wirkte noch düsterer, als zuvor, denn jedes Mal, wenn Noah durch einen der unteren Flure gelaufen war, standen an allen Seiten Wachen und hatten ihn aus düsteren Augen beobachtet, als wäre er ein Straftäter, der nach langer Zeit wieder unter Menschen gehen durfte. Die meisten der Fenster waren in den unteren Etagen durch einen Zauber undurchsichtig gemacht, doch anscheinend war dieser nun gebrochen, denn Noah konnte auf eine belebte Londoner Straße, die voller Muggel war. Er schluckte, bei dem Gedanken daran, dass sie der Freiheit so nah waren und doch noch nicht aus diesem Haus konnten. Noch nicht ...

„Hier runter, dann kommen wir in die Kerker", murmelte Jade und ging auf eine Treppe zu, die Noah vorher nicht bemerkt hatte. Sie war geschickt mit einem Wandteppich bedeckt worden, sodass man sie nur sehen konnte, wenn man dahinter blickte. Mit dem Blick auf Jades Haare, die so gar nicht nach seiner Schwester aussahen, folgte er ihr in die Kerker. Es war ein einzelner, langer Gang, vollkommen aus dicken Backsteinen und Fackelhaltern an den Wänden, genau wie in Hogwarts. Es gab keine Türen, sondern nur einzelne Aneinanderreihungen von Gitterstäben und Noah fragte sich, wo er gefangen gehalten worden war, denn in seiner ersten Unterkunft hatte es eine Tür gegeben. Vielleicht war er weiter oben gefangen gehalten worden, dachte er, denn er konnte sich auch nicht erinnern, schon einmal den Wandteppich und die dahinter liegende Treppe durchschritten zu haben.

Mit dem fehlenden Schutz, der den Gittern ansonsten anhaftete, konnte Jade beinahe mühelos die restlichen Gefangenen befreien, wobei genauso viele Kinder dabei waren, wie Erwachsene. Einige sahen aus wie erfahrene Auroren, andere wie wichtige Menschen aus dem Ministerium, denn sie trugen zerschlissene und dreckige Anzüge. Die Kinder waren größtenteils aus Hogwarts, aber es waren auch einige dabei, die so aussahen, als wären sie unschuldige Muggel. Dicht aneinander gedrängt, standen die ehemaligen Gefangene in der Mitte des Ganges und blickten auf Jade und Noah, die sich vor die Gruppe gestellt hatte. Jade jedoch, schien nicht sprechen zu wollen.

Definitiv nicht Harry Potter! (2)Where stories live. Discover now