Waffenstillstand heißt nicht Frieden

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Lucas stützte mich und so kehrten wir gemeinsam zurück auf die Lichtung zurück. Die Leiche war verschwunden. Nur das rote Moss zeugte noch von der unmenschlichen Tat.
„Geht's?", fragte Lucas als mein Sichtfeld schwankte und ich mich an ihm festklammerte.
Ich nickte nur.
„Okay.", seufzte er und hielt mich fester. Er glaubte mir nicht. Aber das konnte ich ihm nicht mal verübeln.
„Lucas! Komm her!", schrie Darian und sah uns an. Sein Blick blieb an mir hängen und ich war kurz der Meinung Bereuen darin zu sehen. Aber er war ein Mörder. Etwas wie Bereuen war ihm fremd.
„Versuch einfach wach zu bleiben.", lächelte er matt und löste sich von mir. „Bleib einfach stehen." Als er ging und ich mich langsam umdrehte, verschwamm meine Umgebung. Und plötzlich fiel ich. Das letzte, das ich sah, waren Darians Schuhe die auf mich zu rannten. Ab da war alles schwarz.

Vorsichtig öffnete ich meine Augen. Ich war wieder in meinem hölzernen Gefängnis. Das kleine Fenster über mir warf einen schmalen Streifen Tageslicht in den Kasten, der gerade so ausreichte um all das Holz zu beleuchten. Mir war schlecht. Mein Kopf dröhnte.
Stöhnend vergrub ich ihn zwischen den Knien und wickelte die Arme darum.
Dieses Mal war etwas anders. Wir bewegten uns. Und als ich lauschte hörte ich tatsächlich Pferde schnauben und Stimmen. Vorsichtig drückte ich mein Ohr gegen das Holz und wünschte mir kurz darauf ich hätte es nicht getan.
„Ich weiß es nicht.", hörte ich Lucas herumdrugsen.
„Findest du wirklich, ich war zu hart zu ihr?", fragte Darian und ich musste mich kneifen um zu glauben, was ich gerade gehört hatte.
„Nein. Du hast gehandelt wie ein guter Soldat. Deine Gefühle für sie müssen dir egal sein.", meinte Adam hart.
„Du bist so blöd.", unterbrach Lucas ihn. Kurze Zeit herrschte Stille und ich dachte schon, Lucas müsste seine Worte bereuen, doch dann ertönte seine Stimme wieder.
„Sie ist SEINE Seelengefährtin. Natürlich war er zu hart zu ihr. Sie ist DIESE EINE und dir fällt nichts Besseres ein, als sie auf einen Leichnam zu drücken und Chris vor ihren Augen zu töten. Wenn es dich irgendwann vor Trauer und Sehnsucht nach ihr zerreißt, dann komm ja nicht zu mir, okay?!" Bei seinen Worten musste ich unwillkürlich lächeln.
Er war so süß. Das was er gerade gesagt hatte, passte so überhaupt nicht zu seinem rauen Aussehen. Vor allem die Art und Weise, wie er das sagte.
Dann passierte lange Zeit gar nichts mehr und ich dämmerte regelmäßig weg. Mein Kopf tat höllisch weh und ich biss mir bei jedem kleinen Stein auf die Lippe um nicht laut aufzuschreien. Irgendwann musste ich wohl wieder bewusstlos geworden sein, denn als ich wieder aufwachte, standen wir. Die Klappe meiner Kammer war auf und der klare Sternenhimmel zeigte, dass es bereits Nacht war. Wenige Meter vor dem Wagen loderte ein offenes Feuer. Aber der einzige der davor saß, war Darian. Ich wollte raus aus diesem Kasten, aber nicht zu ihm. Er war ein emotionsloser Killer. Ein Vampir noch dazu. Stöhnend rollte ich mich auf die Seite. Mein Kopf tat so weh!
Langsam hatte ich das Gefühl, dass die Luft hier drinnen zu knapp wurde und die Wände näher kamen. Ich musste hier raus! Vorsichtig richtete ich mich auf und tapste zur Tür. Meine Welt drehte sich, als ich die zwei kleinen Stufen hinunterstieg. Meine Hand klammerte sich um das Holz. Darian entdeckte mich und stand auf. Sein Blick zeigte Alarmbereitschaft. Ich wollte ihm zulächeln, zeigen, dass es mir gut ging. Obwohl er ein Idiot war.
Doch dazu kam es nicht mehr. Meine Beine klappten ein und als mein Kopf auf dem Boden aufschlug, wurde ich erneut in die Bewusstlosigkeit gezogen.

Als ich das nächste Mal meine Augen aufschlug, blickten mir zwei ozeanblaue entgegen. Mein Kopf lag auf seinem Schoss und er drückte mir ein feuchtes Tuch auf die Stirn.
„Was ist passiert?", fragte ich nachdem ich meine Stimme wiedergefunden hatte.
Ich wusste, dass ich eigentlich von ihm wegkriechen sollte. Ihn schlagen, kratzen, beißen sollte.
Aber ich tat es nicht.
Vielleicht lag es an dem Lächeln seiner Lippen als ich aufwachte. Ich wusste es nicht. Doch ich wollte einfach nicht weg von ihm.
„Du bist ohnmächtig geworden, als du aus dem Wagen gestiegen bist.", schmunzelte er und tupfte mir mit dem feuchten Tuch die Schläfen entlang.
„Und wie bin ich hier her gekommen?", wollte ich weitergehend wissen. Als er jedoch nur milde lächelte, war mir das Antwort genug. Vorsichtig richtete ich mich auf und merkte Darians Hand in meinem Rücken. Er half mir mich anders hinzusetzten, ließ mich allerdings nicht aus den Augen.
Ich fühlte seinen Blick auf mir und sah deswegen extra auf meine Finger. Was sich als Fehler herausstellte, da meine Hände beide rot waren. Unter meinen Fingernägeln klebte dunkel geronnenes Blut. Schlagartig waren alle Bilder wieder da.
Wenn ich etwas gegessen hätte, wäre es spätestens jetzt wieder hochgekommen.
„Alles okay?", fragte Darian und legte seine Hand auf meine Stirn. „Du bist ganz bleich und kalt.", stellte er fest. Bei seiner Berührung brannte meine Haut. Wobei sie eher angenehm prickelte, aber das wollte ich mir nicht eingestehen.
„Mir geht's gut.", brachte ich mit rauer Stimme hervor und schluckte.
„Kann ich vielleicht, das... das... Blut... abwaschen?", bat ich und bemerkte, dass meine Hände zitterten.
„Klar, dann wird's auch wieder leichter für mich dich zu finden. Chris Blut überdeckt deinen Menschlichen Geruch." Als er meinen entsetzten Gesichtsausdruck bemerkte, lachte er laut.
„Vielleicht sollte ich mich dann doch nicht waschen. Dann stehen meine Chancen besser, euch zu entkommen.", überlegte ich laut.
„Oh glaub mir. Dich lasse ich nicht aus den Augen." Er lächelte und es war wunderschön. Mein Herz begann automatisch schneller zu schlagen.
Er stand auf und reichte mir die Hand. Sollte ich mir wirklich von ihm aufhelfen lassen. Wir wussten beide, dass es hier nicht nur darum ging eine Hand zu ergreifen. Ein stilles Friedensangebot stand dahinter.
Doch konnte ich das wirklich machen? Einem Mörder die Hand reichen? Der mich entführt, bedroht und geschlagen hatte?
Fünf, Sechs Sekunden starrte ich nur auf seine Hand. Dann kletterte mein Blick an dem dazugehörigen Arm hinauf.
Darian sah mich an und ließ mir meine Zeit um meine Möglichkeiten abzuwägen.
Tja und das war schließlich der Punkt, der mich dazu brachte sie zu ergreifen.
Mit einem verschmitzten Lächeln auf den Lippen zog er mich hoch und stützte mich danach, da ich noch immer nicht sehr sicher auf meinen eigenen Beinen unterwegs war.
„Wo sind eigentlich die anderen?", fragte ich während wir durch den Wald gingen. Sein Blick verdunkelte sich etwas und seine Hand auf meiner Hüfte verkrampfte sich etwas.
„Essen.", presste er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.
„Oh.", machte ich nur.
„Und was ist mit dir?"
„Ich schaffe es dir zu widerstehen. Auch wenn ich es nicht will.", erklärte er mit einem komischen Grinsen.
Sofort dachte ich wieder an Chris Worte. Seelengefährte...
Der Gedanke war total absurd.
„Aha.", kommentierte ich daher nur. Wenige Schritte später tauchte vor uns ein kleiner See auf. Ein schmaler Wasserfall floss aus einer Felsspalte dahinter und plätscherte friedlich vor sich hin.
Der Mond spiegelte sich verzerrt auf dem Wasser.
Um es kurz auszudrücken:  Es war wunderschön.
„Du hast 10 Minuten.", befahl Darian und nickte. Ich ging einige Schritte Richtung Wasser, spürte aber seinen Blick in meinem Rücken und drehte mich um.
„Willst du nicht gehen?", fragte ich leicht verwirrt.
„Also wenn du mich so fragst: Nein. Ich will nicht gehen.", sagte er leise und verschränkte die Arme vor der Brust. „Und bevor du was sagst. Ich werde freiwillig auch nicht gehen."
Empört stemmte ich die Hände in die Hüfte. Sah aber nach einem kurzen Wortgefecht ein, dass es nicht viel Sinn hatte mit ihm darüber zu streiten.
„Es gibt da draußen viele Leute, die dich tot sehen wollen, Elizabell. Du wirst mich nicht los. Vergiss es!", beharrt er. Wütend drehte ich mich wieder um.
„Außerdem ist das mein Pulli, den du da anhast. Es ist also nur fair, wenn ich bleibe.", rief er noch und ich konnte die Freude in seiner Stimme hören.
Ich lachte falsch „Bedank dich bei John."
Dann blieb er halt da stehen. Wenn er aber dachte, er würde mich nackt sehen, dann hatte er sich geschnitten. Und zwar ganz gewaltig. Entschlossen zerrte ich mir den Pulli über den Kopf und schleuderte ihn nach hinten. An seinem überraschten Keuchen, wusste ich, dass ich ihn getroffen hatte.
„Da hast du deinen Pullover wieder.", sagte ich laut und unterdrückte ein Lachen.
Danach zog ich mich bis auf die Unterwäsche aus und watete ins Wasser. Die Stellen an meinem Körper auf denen sein Blick lag, kribbelten merkwürdig. Aber schön merkwürdig.
Ich musste ins Wasser und das schnell. Als ich Wasser war, zog ich die letzten Kleidungsstücke aus und warf sie an Land. Dann schwamm ich zu dem kleinen Wasserfalls und stellte mich darunter. Natürlich war ich stets darauf bedacht alle wichtigen Körperbereiche verdeckt zu halten.
Auch wenn zwischen ihm und mir eine Art Waffenstillstand herrschte, traute ich ihm nicht. Ein Waffenstillstand bedeutete ja nicht gleich Frieden.

TeufelsherzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt