Ein Date?!

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Mit angespannten Gesichtern saßen die Männer um einen kleinen Holztisch, auf dem eine gelbliche Karte ausgebreitet worden war.
„Wenn wir hier..." Adam deutete auf einen bestimmten Punkt „... am Nordtor versuchen die Stadt zu verlassen, werden sie uns sicher sehen."
Lucas schüttelte den Kopf. „Das Gleiche gilt für die Südseite."
Darian saß vorneübergebeugt auf einem alten Fass und blickte die Stadtkarte böse an. Fast konnte man hören, wie es in seinem Kopf ratterte.
„Falls du es vergessen haben solltest, wir sind hier in Incensura.", meinte Adam und schickte Lucas einen strafendem. Seinem Tonfall nach, sollte man „Incensura" wohl kennen.
„Adam hat Recht. Es gibt kaum eine besser bewachte und überwachte Stadt als diese hier.", grummelte Darian und legte den Kopf schief.
„Und warum sind wir dann hier?", warf ich fragend ein und bereute es keine Sekunde später.
Ich stand etwas abseits, gegenüber von Darian, und beobachtete die ganze Szene schon seit einer halben Ewigkeit.
„Ich wüsste nicht, was dich das überhaupt angeht.", knurrte Adam und starrte mich zu Boden.
„Oh und wie mich das etwas angeht.", entgegnete ich und lächelte zuckersüß. „Immerhin geht es ja schließlich darum, wo ihr MICH als nächstes hinschleppt."
Adams Blick verfinsterte sich.
Bevor er jedoch etwas erwidern konnte, wurde die Tür zu unserem „Versteck" aufgerissen.
Die Männer sprangen auf und zogen ihre Waffen, während ich unwillkürlich einige Schritte in Darians Richtung flüchtete.
Als sich jedoch eine große Hand in den Raum schob, atmeten wir alle erleichtert auf.
„Immer langsam, Freunde. Ich würde meinen Kopf gerne noch ein bisschen länger auf meinem Hals herumtragen.", sagte John und hob beschwichtigend die Hände.
„Wenn du auch wie ein Wahnsinniger hier reingestürmt kommst, brauchst du dich gar nicht wundern.", lachte Darian und zog seinem Freund ein weiteres Fass herum, auf dem der Riese sogleich Platz nahm.
„Ich hab ja nicht geahnt, dass hier drinnen so eine angespannte Weltuntergangsstimmung herrscht." Er grinste über beide Ohren und zwinkerte mir grüßend zu.
Danach wandte er sich wieder die anderen Anwesenden.
Darian deutete ihm loszulegen.
„Also. Ich habe gute und schlechte Nachrichten. Die schlechte ist, dass es nicht irgendwelche Jäger aus dem Südreich sind." Sein Blick legte sich auf mich. „Dein Onkel Sebastien hat uns seine persönlichen Auftragskiller auf den Hals gehetzt."
Ich zuckte nur mit den Schultern. „Ich kann jawohl nichts dafür.", murmelte ich leise.
Adam schnaubte abfällig und schüttelte den Kopf.
Mir war nicht klar warum sie sich jetzt so aufregten. Immerhin waren sie ja Auftragskiller. Nur eben für meinen Vater. Wo lag da bitte der Unterschied?
„Und die gute Nachricht?", brachte Darian John wieder zurück zum eigentlichen Thema.
„Es sind mehr Ärsche zu versohlen." John lachte, während seine Freunde ihn geschockt ansahen.
Nach einigen Sekunden der absoluten Stille begriff auch ich endlich, was John gemeint hatte. Das war nämlich gar keine gute Nachricht. Ganz im Gegenteil.
„Wie viele?", fragte Adam.
John seufzte. „Zu viele."
„John!", ermahnte Darian ihn. „Wie viele?" Seine Stimme war angespannt.
Der große Mann fuhr sich mit seinen Pranken über das Gesicht. „Zwölf."
Lucas verschluckte sich.
Darian atmete tief durch und Adam begann zu lachen.
„Wir könnten uns eigentlich gleich selber umbringen." Schlug er vor und strich sich nachdenklich über das Kinn.
„Seit wann gibst du so schnell auf, alter Mann?", provozierte Darian. Das Lächeln auf seinen Lippen verunsicherte mich.
Alle in diesem Raum waren dabei ihr Testament zu unterschreiben und Darian saß auf seinem Fass und grinste vor sich hin.
„Irgendwann muss man schließlich mal in Rente gehen. Ich finde jetzt wäre ein guter Zeitpunkt dazu.", stieß der Grauhaarige sichtlich amüsiert hervor.
„Ich bitte dich. Wir wissen alle, dass dir das zu langweilig ist.", lachte John und schlug Adam auf den Rücken. Woraufhin letzterer fast von der Kiste fiel, auf der er saß.
Ein Grinsen schlich sich auf meine Lippen.
Dann wurden alle schlagartig wieder ernst.
„Also? Wie lauten die Befehle?", wandte sich Adam an Darian.
Darian blickte seine Männer nacheinander an. Dann traf mich sein Blick.
Sofort begann mein Herz wie verrückt zu klopfen und ich musste schlucken.
„Wir bleiben hier.", entschied er dann. „Wir bleiben solange hier, bis wir einen Weg gefunden haben, aus dieser Stadt zu verschwinden ohne Spuren zu hinterlassen."
Die anderen nickten zustimmend.
War ich denn die einzige, die Bedenken dabei hatte? Klar, vor wenigen Stunden war noch genau das mein Vorschlag gewesen, aber irgendwie hatte ich kein gutes Gefühl dabei.
„Und was ist wenn man uns entdeckt?", wollte ich wissen und ging ein paar Schritte auf die anderen zu.
Erneut flogen alle Köpfe zu mir herum. „Ich meine ja nur, wenn ihr wisst um wen es sich bei diesen Jägern handelt, dann werden sie euch doch auch kennen, oder?"
In Adams Augen glitzerte etwas auf und ich dachte schon, er würde mir gleich wieder sagen, was für ein dummes Mädchen ich eigentlich war, aber da schlich sich bereits ein Lächeln auf seine Lippen.
„Sie fängt an wie einer von uns zu denken.", grinste er. „Gefällt mir."
Darian schnaubte, lächelte mich aber anerkennend an. „Ihrem Vater wird das allerdings ganz und gar nicht gefallen."
Ich verdrehte nur die Augen. Mein Vater... Der sollte mir nur mal doof kommen...
„Aber sie hat Recht.", stimmte Lucas mir zu.
„Ja, das hat sie.", sagte Darian leise und sah mich an.
Sein Blick schien mir bis in die Seele zu gehen und dort berührte er etwas. Augenblicklich kroch mir die Röte in die Wangen und ich räusperte mich schnell.
„Hast du noch andere solcher Überlegungen?" Adam stand auf und schleppte einen großen Heuballen heran. Verwirrt beobachtete ich, wie die Männer ein Stück rutschten, damit das Rechteck noch in ihren Kreis passte.
Dann klopfte Adam auffordernd mit der Hand auf das Heu.
Erst einige Sekunden danach begriff ich, dass ich mich setzten sollte.
Zaghaft nahm ich Platz und blickte in die Runde.
Es war unfassbar, dass ich hier so saß. Fast als wäre ich einer von ihnen.
„Schaut euch mal, wie der da drüben grinst.", machte John uns auf Darian aufmerksam und stieß mir spielerisch in die Seite.
Darian hat ein verzaubertes Lächeln auf dem Gesicht und ein stolzes Funkeln in den Augen.
Und sein Blick galt mir.
Ein wenig verlegen erwiderte ich sein Lächeln, während Adam laut lachte.
„Das wird ein böses Ende nehmen.", prophezeite er und sah abwechselnd zu mir und Darian.
„Das Ende ist, Gott sei Dank, noch weit entfernt.", meinte Darian und hörte endlich auf mich so anzusehen.
„Zurück zum Wesentlichen.", forderte er uns auf.
„Eine Sache hätte ich da beispielsweise noch.", begann ich langsam.
Unsicher blickte ich die Jungs an. Adam deutete mir fortzufahren.
„Ich mache mir Sorgen, dass David hier auftauchen könnte.", teilte ich ihnen meine Gedanken mit. „Denn wenn ich mich recht erinnere, hat einer von euch mir bestätigt, dass er mich sucht. Weil ich Macht bedeuten würde. Mal angenommen, er hat unsere Spur gefunden und folgt ihr, müsste ihn das früher oder später nicht auch hier her führen?", fragte ich offen in die Runde.
„Sie ist klug.", behauptete John und ließ seinen Blick durch den Raum schweifen.
„Nein, ich habe lediglich ein Hirn, das ich benutze.", konterte ich und seufzte.
„Dann sollte es mehr Menschen von deiner Sorte geben.", gab er zurück und ich sah, dass er sich ein Lachen verdrücken musste.
„Das wäre schön.", gab ich ihm Recht und fuhr mir durch die Haare.
„Momentan können wir eh noch nicht sagen, ob dein Ex hier wirklich aufläuft. Falls ja, werden wir ihm einen entsprechenden Empfang bereiten und wenn nicht, ist es auch gut.", bestimmte Darian und wir nickten zustimmend.
„Das heißt es ist beschlossene Sache, dass wir hier bleiben?" In Lucas Stimme klang etwas Sonderbares mit. Fast hätte ich es als Hoffnung bezeichnet.
Wahrscheinlich war er einfach froh, nach dem Angriff des Schattenwolfes nun eine kleine Pause zu bekommen. Denn wenn ich ehrlich war, sah Lucas nicht wirklich gesund aus. Tiefe Augenringe ließen ihn wie einen schlaflosen Waschbären wirken. Außerdem war er ein wenig blass um die Nase.
„Vorerst ja.", antwortete Darian.
Danach löste sich die Gruppe langsam auf.
Adam nickte, stand auf, nahm seine Waffen vom Tisch und verschwand.
John folgte ihm.
So blieben nur noch Lucas, Darian und ich.
Darian rollte die Stadtkarte zusammen und räumte alles so hin, als wären wir niemals hier gewesen.
Lucas stand unschlüssig herum und warf mir immer wieder scheue Blicke zu.
Es war offensichtlich, dass ihm etwas auf der Seele lag und er einfach nicht den Mut hatte es auszusprechen.
Vorsichtig ging ich zu ihm und stellte mich neben ihn.
„Ich bin froh, dass es dir besser geht.", begann ich ein lockeres Gespräch.
Er blickte mich von der Seite an. „Ich weiß gar nicht wie ich dir jemals danken soll."
Ich lächelte. „Musst du gar nicht."
„Ich will es aber. Ich möchte dir zeigen, wie dankbar ich dir bin." Er fuhr sich mit den Händen übers Gesicht.
Darian stellte die letzte Kiste auf ihren eigentlichen Platz und stellte sich zu uns.
„Ich warte draußen auf dich.", informierte er mich und war kurz darauf verschwunden.
Einige Minuten blieb Lucas still.
„Hättest du nicht reagiert, würde ich jetzt nicht hier stehen." Ein flaches Lächeln lag auf seinem Gesicht.
„Es ist okay.", versprach ich ihm. „Ich bin verdammt froh, dass du jetzt hier stehst."
Wieder Stille.
„Darian hat mir erzählt, dass der Wolf dich auch erwischt hat und das es für einen Augenblick so aussah, als hätte das Vieh dich mit in den Tod gerissen. Stimmt das?" Seine Augen blickten tief in meine und ich sah seine Verzweiflung, seine Dankbarkeit und seine Bewunderung.
„Ganz so dramatisch hätte ich es vielleicht nicht formuliert.", milderte ich seine Worte ab.
„Dann ist es wahr." Es klang wie eine Feststellung.
Ich seufzte. Es hatte keinen Zweck ihm etwas vorlügen zu wollen, damit er sich nicht verrückt machte.
„Er hat mir ein nettes Andenken verpasst.", gab ich dann zu.
Lucas Augen wurden groß und er wurde noch bleicher um die Nase.
Ich lachte. „Keine Sorge, es geht mir gut. Willst du es sehen?"
Er nickte nur.
„Aber bitte nicht ausrasten.", bat ich noch, bevor ich vorsichtig meine Stulpen auszog und meinen Ärmel hochkrempelte.
„Seit wann hast du ein Tattoo?" Verwirrt zog er die Augenbrauen zusammen und blickte auf meinen Arm.
„Seit der Schattenwolf mich gebissen hat." Ich streckte ihm meinen Arm entgegen und ließ ihn alles ansehen. Nur meine Handfläche hatte ich ihm noch nicht gezeigt.
„Wow! Warte, warte, warte!" Sein Blick löste sich von den schwarzen Linien auf meinem Körper. Geschockt sah er mich an. „Willst du mir gerade erzählen, dass du ein Schattenmädchen bist?"
Ehe ich etwas antworten konnte, hatte er sich schon meine Hand geschnappt und sie gedreht.
„Das glaube ich nicht.", keuchte er, als er den Wolf sah.
Dann lachte er kurz. „Er hat dich ausgewählt! Du weißt aber schon, dass das seit tausenden von Jahren nicht mehr passiert ist, oder?"
„Ähm nein. Ich denke ich bin nicht unbedingt Musterschülerin was Geschichte angeht.", gestand ich und machte mich daran, das Kunstwerk auf meinem Arm wieder zu verstecken.
„Bitte sag es keinem." Flehend blickte ich ihn an.
„Bist du verrückt?" Er grinste mich an. „Niemals! Ich sage nichts. Kein Sterbenswörtchen wird meine Lippen verlassen."
Erleichtert fiel ich ihm um den Hals.
„Danke.", nuschelte ich in seine Kleidung.
Lachend erwiderte er meine Umarmung. „Ich bin die Person die zu danken hat. Wenn es jemals etwas gibt, was ich für dich tun kann, so lass es mich wissen. Ich stehe verdammt tief in deiner Schuld."
„Ich werde drauf zurückkommen.", warnte ich ihn und gemeinsam verließen wir den Stall.
Draußen war es bereits dunkel und fast hätte ich Darian übersehen.
Er lehnte neben uns an der Wand und beobachtete den Himmel.
„Ich geh dann mal.", verabschiedete Lucas sich, drückte mich noch einmal kurz und war wenig später im Schatten der Nacht verschwunden.
„Alles okay?" Darian stieß sich von dem Holz ab und kam auf mich zu.
Ich nickte und schlang mir die Arme um den Körper. Hier draußen war es überraschend frisch.
„Was hast du denn heute Abend noch vor?", fragte er mich ganz beiläufig und stellte sich mir gegenüber. Ein wenig zu nah. Aber ich lächelte nur.
„Hmm..." Ich tat als würde ich in meinem Terminplaner nachsehen und zog eine Schnute.
„Welch ein Glück. Heute steht nichts mehr an. Das letzte Teammeeting habe ich gerade beendet." Er trat noch einen Schritt näher an mich heran und strich mir behutsam eine Haarsträhne hinters Ohr.
„Das trifft sich gut, ich nämlich auch.", stellte er fest und legte mir einen Arm um die Hüfte.
„Was ein Zufall.", grinste ich und schmiegte mich an seine Seite.
„Ich kenne da ein nettes kleines Lokal im Stadtkern. Direkt am Wasser. Sehr schön für ein nettes Abendessen.", erzählte er und musterte mich mit einem Lächeln.
„Soll das etwa ein Date werden Mister Antonius?" Gespielt streng erwiderte ich seinen Blick.
Er grinste verschmitzt. „Vielleicht."
„Vielleicht?", wiederholte ich und lachte ihn an. „Ein vielleicht reicht mir nicht."
„Dann machen wir es richtig.", entschied er. „Ein richtiges klassisches Date."

TeufelsherzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt