Angekommen und Eingeholt

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"Wenn es etwas gibt worin ich schlecht bin, dann in abwarten...", gestand ich und fuhr mir durch die wirren Haare.
"Dann wirst du es eben jetzt lernen.", meinte John, legte einen Arm um mich zu und gab mir Schutz.
Seufzend kuschelte ich mich an seine starke Seite und sah in die Flammen vor mir.
"Wann werden sie hier sein?", fragte ich leise.
"Es dürfte nicht lange dauern, wenn alles gut geht. Allerdings wissen wir nicht, in welchem Zustand Darian ist. Er wird sich quälen bis hier her zu kommen. Selbst wenn Lucas und Adam ihm helfen, wird es dauern.", erklärte er und drückte mir die Schüssel mit dem brauen Eintopf wieder in die Hand, die ich wenige Minuten zuvor lustlos zur Seite geschoben hatte.
"Du musst essen." Ernst blickte er zu mir und deutete auf den Löffel in meiner anderen Hand.
Wenig begeistert rollte ich mit den Augen, ehe ich begann mit lauten Geräuschen drauflos zu mampfen.

Etwa eine halbe Stunde später tätschelte ich mir den vollen Bauch und ließ mich vorsichtig ins kühle Gras sinken. John hatte darauf bestanden, dass ich alles aß. Und damit meinte er den gesamten Topf. Normalerweise wäre diese Menge niemals ein Problem für mich gewesen. In der letzten Zeit war eine Mahlzeit jedoch nur Zeitverschwendung gewesen. Falls ich überhaupt essen durfte.
Tja und das spürte ich nun. Mein Magen hatte sich einfach zusammengezogen und die Hälfte, meiner normalen Portion, reichte mir schon.
"Schlaf ruhig.", sagte John und zwinkerte mir zu. "Ich wecke dich, sobald Darian in der Nähe ist."
"Versprochen?", fragte ich, denn ich wollte seine Ankunft auf keinen Fall verschlafen.
"Versprochen." Er reichte mir eine dünne Decke und ich wickelte sie um mich.
Das Feuer wärmte mein Gesicht und die Stille war angenehm. Nicht so erdrückend, wie in dem Kellerraum.
Alleine bei dem Gedanken an mein ehemaliges Gefängnis, schauderte ich und versteckte mich unwillkürlich tiefer in der Decke.
Alles würde gut werden, versicherte ich mir selber und schloss die Augen.
Darian würde in wenigen Stunden wieder bei mir sein.
Ich würde mein Happy-End bekommen und selbst wenn ich alles dafür geben musste.
Nur Darian, wollte ich einfach nicht verlieren.
Mein letzter Gedanke galt ihm, bevor ich schließlich einschlief.

Laute Rufe weckten mich. Verschlafen richtete ich mich auf und befreite mich von der Decke, die sich mehrfach um meine Beine gewickelt hatte.
"Was ist los?", fragte ich mit müder Stimme und bemerkte erst jetzt, dass Johns Hand auf dem Griff seines Schwertes lag.
Selbst Anik hielt seine Hände bereit und murmelte seine Zaubersprüche vor sich hin.
Sofort war ich hellwach.
"Wir bekommen Besuch.", erklärte John leise, als ich neben ihm stand und deutete mit dem Kopf in den Wald.
"Darian?", wisperte ich und versuchte etwas zu erkennen. Aber die Dunkelheit machte das unmöglich.
"Auch.", antwortete der Riese und reichte mir einen Dolch, den er zuvor aus seinem Stiefel zog.
Mit großen Augen sah ich ihn an.  "Bist du verrückt?"
"Du kannst das.", meinte er überzeugt. "Stich zu sobald die Chance hast. Und meistens hast du davon nicht so viele."
Ich wusste nicht was ich sagen sollte. Überforderung beschrieb nicht einmal annähernd meine Situation.
John deutete den Ausdruck in meinen Augen wohl richtig. "Ich weiß, dass du das nicht tun willst. Aber es geht hier um Darian. Irgendetwas muss schief gelaufen sein."
"Woher weißt du das?", wollte ich wissen und blickte auf die Waffe in meinen Händen. Das war so falsch...
"Ich kann sie hören." Er deutete mit seinem Zeigefinger von seinem Ohr zwischen die Bäume.
"Was hörst du?" Denn so sehr ich mich auch bemühte, ich konnte weder etwas sehen, geschweige denn hören.
"Ich höre Darian keuchen. Es scheint ihm ziemlich schlecht zu gehen. Ich höre Adam. Er redet auf ihn ein, dass er weiterlaufen soll. Und ich höre Davids Männer. Sie sind knapp hinter ihnen.", berichtete er und verzog das Gesicht.
"Wir müssen ihnen helfen!", sagte ich aufgebracht.
"Wir werden ihnen helfen, aber wir können uns nicht einfach in den Wald stürzen und hoffen, dass alles klappt. Hier auf der Lichtung sind wir im Vorteil. Wir haben keine Wahl.", behauptete er.
"Man hat immer eine Wahl.", brauste ich auf und stürmte an ihm vorbei in die Dunkelheit.
Ich kam jedoch keine drei Meter weit, da hatte John mich schon am Arm erwischt und zurückgezogen.
"Bleib hier!", knurrte er. "Das letzte was ich jetzt gebrauchen kann, ist dass du dich wie eine Furie in einen Kampf wirfst, den du eh nur verlieren kannst!"
"Hey!", maulte ich beleidigt.
Er sah mich nur eindringlich an.
Kapitulierend seufzte ich und stellte mich wieder neben ihn. "Schon gut. Ich warte, versuche kein Aufsehen zu erregen und kämpfe - Entschuldigung - wehre mich nur, wenn ich keine Wahl habe, richtig?"
"Gott sei Dank, du hast es verstanden." Er atmete tief durch.
"Vergiss es! Ich helfe wo ich kann!", entschied ich mit fester Stimme. "Ist mir egal, was ich dafür tun muss."
Johns Hand verkrampfte sich um seine Waffe. "Erinnere mich daran, dass ich dir den Hintern versohle, wenn das hier überstanden ist."
"Ist das ein Versprechen?", ärgerte ich ihn und grinste ihn breit an.
Er knurrte. "Du wirst schon noch sehen, was du von deiner großen Klappe hast."
"DA!", rief Anik in dieser Sekunde und kurz darauf erkannte man drei Umrisse, die durch die Dunkelheit auf uns zu kamen.
"Darian!", wisperte ich und rannte los.
Dieses Mal hielt John mich nicht auf.
So schnell meine Beine mich trugen lief ich zu ihm. Er hing regungslos zwischen Adam und Lucas und sah nicht gut aus.
Adam erkannte mich und machte mir augenblicklich platz, sodass ich Darian nun stützte.
"Darian!", flüsterte ich, als wir vor dem Höhleneingang zum Stehen kamen. Lucas half mir, ihn auf den Boden zu legen und positionierte sich dann neben den anderen vor uns.
"Bitte wach auf!", hauchte ich und bettete seinen Kopf auf meinen Schoss. "Tu mir das nicht an. Komm schon!"
Mit feuchten Augen wischte ich über sein blutverschmiertes Gesicht. Ein langer Schnitt zog sich von seiner linken Wange bis zu seinem Kinn. Die Wunde war nicht mehr frisch, aber sie hatte ihn verletzt und das alleine war schon schlimm genug.
"Verdammt ich brauche dich doch!", flehte ich und kämpfte die Tränen zurück.
Wie sollte ich erkennen, ob er überhaupt noch lebte, wenn er sonst auch tot war?
Es war kein Wunder, dass ich also weder Puls noch Herzschlag spüren konnte.
Vor dem Höhleneingang hörte ich Kampfgeräusche und ich versicherte mich mit einem kurzen Blick zur Seite, dass der Dolch noch immer an der Stelle lag, an welcher ich ihn fallen gelassen hatte.
So sehr hoffte ich, dass ich ihn nicht brauchen würde.
Behutsam strich ich Darian über die Wangen und betete im Stillen, dass er seine wunderschönen Augen aufschlagen und mich ansehen würde. Doch das tat er nicht.
"Bitte...", flüsterte ich immer und immer wieder stimmlos. "Ohne dich schaffe ich das hier nicht."
Es war schon fast zu spät, als ich den Schatten neben mir bemerkte. Mit verschleierten Augen blickte ich auf und erkannte einen der Männer aus Davids Lager.
Die Wut, die mich in diesem Moment packte war unbeschreiblich. Langsam stand ich auf, darauf bedacht Darian nicht noch mehr zu verletzen.
"Nein!", sagte ich mit fester Stimme, obwohl der junge Mann mir gegenüber noch nicht einmal ein Wort von sich gegeben hatte.
"Ihr werdet weder ihn noch mich bekommen.", stellte ich klar und griff nach der Waffe.
Der Blick des Vampirs war unsicher. Er zögerte. Ich erinnerte mich an das was John gesagt hatte: Zustechen solange ich die Chance dazu hatte, denn eine zweite würde ich nicht bekommen.
Aber ich konnte nicht. Etwas hielt mich zurück. Vielleicht war es der unsichere Blick meines Gegenübers. Oder meine Abneigung gegen Morden.
Noch immer blickte er mich nur an.
"Was ist denn jetzt?", schrie ich ihn an. Seine Unsicherheit, verunsicherte mich noch mehr. Und das war alles andere als gut.
Meine Frage schien ihn aus seiner Starre zu lösen und so stürzte er sich auf mich.

TeufelsherzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt