Die Wahrheit

2.6K 151 23
                                    

"Ich will sie sehen!", wiederholte der große Mann und ich erstarrte unter seinem Blick.
"Eliza...", sagte er mit einem mal ganz sanft. "Du siehst aus wie deine Mutter."
Jetzt erst bemerkte ich, dass meine Freunde alle auf die Knie gefallen waren und devot den Kopf neigten.
Ich stand auf und streckte unbewusst meinen Rücken durch, um dem Mann mir gegenüber nicht zu klein zu wirken.
Er war groß und überhaupt nicht so, wie man sich den typischen König so vorstellte:
Schlank und breite Schultern. Ein leichter grauer Bart zierte sein Kinn. Die Haare zeigten noch einen minimalen Ansatz brauner Haare. Der Rest war ebenfalls ergraut. Hohe Wangenknochen rahmten seine Augenpartie ein, während seine Augen mir ungläubig in einem dunklen Grün entgegen blickten. Ich kannte diese Augen.
Sie ähnelten meinen bis auf wenige Details.
Ich schluckte.
Wenn ich es nicht besser gewusst hätte, würde ich sagen, er wäre nicht älter als Anfang 40.
"Wie geht es dir?", fragte er und seine Stimme hallte in dem Raum wieder.
Es dauerte einen Moment bis ich meine Stimme wiedergefunden hatte.
"Gut, denke ich."
Er nickte.
Darian nickte den anderen zu. Sie wollten gehen.
Ich warf ihm einen flehenden Blick zu.
Er schüttelte den nur traurig den Kopf und schloss dann die Tür hinter sich.
So war ich also allein. Allein mit meinem Vater.
"Ich wollte dich kennenlernen...", setzte er an  doch ich fiel ihm gleich ins Wort.
"Ich weiß und hier bin ich. Nachdem du mich aus meinem Leben hast reißen lassen. Ich alles zurücklassen musste, was mir was bedeutet, damit ich jetzt wieder alte Wunden aufreißen muss, mit denen ich endlich klar kam. Ich weiß wer du bist und ich weiß, dass du die letzten Zwanzig Jahre NICHT Teil meines Lebens warst. Also entschuldige, dass meine Freude sich in Grenzen hält."
Stille füllte den Raum.
Gabriel, aka mein Vater, aka der Vampirkönig schlecht hin, seufzte und ließ sich auf den Stuhl fallen, auf dem eben noch Adam gesessen hatte.
"Elizabell hör zu. Das hier ist echt nicht leicht. Weder für dich noch für mich und es tut mir leid, dass wir uns auf diese Weise kennenlernen mussten. Hätte ich eine Alternative gehabt, hätte ich sie wahrgenommen. Das verspreche ich dir."
Er legte die Hand auf die Stirn und schloss kurz die Augen.
"Als ich gestern hörte, dass du hier bist, im Schloss deiner Mutter, da musste ich einfach kommen. Ich musste dich sehen. Ich musste mich selber davon überzeugen, dass du es bist. Ich habe alles stehen und liegen gelassen." Ein mattes Lächeln huschte über seine Lippen.
Ehrlich gesagt wusste ich nicht, wie ich mich in diesem Moment fühlen sollte. Es war einfach zu viel. Mein Innerstes fühlte sich taub an und gleichzeitig so verletzlich, dass ich Angst hatte, wenn er etwas falsches sagen würde, zu zerbrechen.
Sein Blick traf mein und plötzlich wirkte er unglaublich alt.
"Ich weiß, dass ich die letzten Jahre nicht wieder gutmachen kann. Ich weiß, dass ich nicht da war, als du mich gebraucht hast und das bereue ich jeden einzelnen Tag, seit deine Mutter und du mich verlassen musstet."
Ich schnaubte nur.
"Einmal. Nur einmal durfte ich dich in den Armen halten, danach musste deine Mutter zurück in ihre Welt gehen. Alles was du gehört hast, ist falsch. Ich wollte dich und deine Ma hier. Ich wollte mich nicht entscheiden. Man hat mir die Entscheidung abgenommen. Nach deiner Geburt hat man dich und deine Mutter aus ihren Gemächern entführt. Ich habe gesucht. Überall. Aber finden konnte ich euch nicht. Es gab damals eine Art Rat. Welcher mich bei Entscheidungen und Politik beraten sollte. Einer der Männer, mein Bruder war gegen meine Verbindung zu euch und ließ euch entführen. Er hat dafür bezahlt. Was aus ihm und meinem Reich geworden ist, weißt du ja. Aber bitte glaube mir: ich wollte dich. Ich wollte eine Familie. Und ich werde alles tun um ein Teil deiner Zukunft zu sein."
Tränen brannten in meinen Augen. Wieder eine neue Geschichte und dieses Mal die Wahrheit. Zumindest hoffe ich das. Mein Vater war kein Drogensüchtiger, wie Tante Rose immer behauptet hatte. Er war hier. Er wollte mich kennenlernen. Er hatte mich nie abschieben wollen.
Er hatte sich nicht gegen uns entschieden.
Er hatte keine Wahl gehabt.
"Es..." setzte ich mit schwacher Stimme an. "Es tut mir leid. Das hier ist alles ein wenig viel für mich."
Der König nickte. "Das glaube ich gerne."
"Ich mache dir einen Vorschlag. Wie wäre es, wenn wir morgen zusammen frühstücken. Auf deinem Balkon. Ich habe gehört du liebst diesen Platz. Wir können reden. Uns kennenlernen. Du kannst mir deine Fragen stellen und ich kann dir von deiner Mutter erzählen. Wie klingt das?"
Matt lächelte ich. "Das wäre schön."
Ein Glänzen trat in seine Augen. Er sprang auf. "Toll!" Dann räusperte er sich verlegen und wiederholte in etwas königlicherer Manier: "Toll. Ich freue mich. Um 10 wird man alles vorbereiten, ja?"
Ich nickte nur.
Er trat einen Schritt auf mich zu. Offenbar wollte er mich umarmen.
Schnell flüchtete ich auf die andere Seite des Raumes, in Richtung Tür.
"Dann bis morgen." Erwiderte ich leise, lächelte schüchtern und rannte beinahe aus dem Raum. Meine Absätze hallten auf dem dunklen Stein laut wieder.

Stöhnend stieß ich die Türen zu meinem Zimmer auf. Ich hatte meinen Vater kennengelernt. Und er war so anders als ich ihn mir vorgestellt hatte.
Dementsprechend war auch meine Begegnung mit ihm anders verlaufen, als ich es mir immer ausgemalt hatte...
"Alles okay?", holte Darians Stimme mich aus meinen Gedanken.
Er und Kat saßen auf meinem Bett und waren aufgesprungen als sie mich sahen.
Jetzt, da ich ihn sah konnte ich die Tränen nicht mehr zurückhalten und fiel ihm einfach in die Arme. Darian hielt mich einfach nur fest und strich mir beruhigend übers Haar.
"Ich werde einen Tee holen.", hörte ich Kat sagen und merkte wie Darian daraufhin leicht nickte.

TeufelsherzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt