Kapitel 8 - Meine Chillersocken

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Nachdem ich sechs Stunden Schule hinter mich gebracht habe und mir, zum Glück, Harry oder Misses Heath nicht mehr über den Weg läuft, fahre ich mit dem Schulbus nach Hause, wo mich auch schon meine kleine Schwester in Empfang nimmt.

„Du hast schon wieder deinen Schlüssel vergessen", sind die ersten sieben Worte, die sie heute zu mir spricht und das in einem Meckerton, den normalerweise nur meine Mutter so gut drauf hat.

„Schön, Rosy, du solltest Empfangsdame bei der Queen werden", erwidere ich sarkastisch und schließe hinter mir die Haustür, während Rosy wütend in die Küche stampft.

Rosy ist wahrscheinlich das anstrengenste und pubertierenste Kind, das ich kenne. Und das mit acht Jahren. Sie benimmt sich wie eine kleine, garstige Erwachsene, die mitten in den Wechseljahren steckt. Manchmal ist sie strenger als meine Mutter. Ja, tatsächlich ist sogar streng das richtige Adjektiv für sie. An manchen Tagen versucht sie mir zu verbieten, zu kurze Röcke zu tragen und an anderen Tagen, will sie nicht, dass ich alleine abends rausgehe, um Benja zu besuchen, der nur eine Straße weiter wohnt. Es ist seltsam. Rosy ist seltsam.

Ich schmeiße meine Schultasche in den Flur und gehe in die Küche, wo Mom am Herd steht und eine Suppe umrührt. „Ich bin Zuhause."

„Das nächste Mal denkst du an deinen Schlüssel", meckert Rosy weiter, die mittlerweile mit geschwellter Brust am Essenstisch sitzt und ihre braunen Haaren zusammenbindet, wie sie es immer vor dem Essen tut, damit bloß kein Haar in ihr Essen gelangt. „Ich will nicht immer aufstehen, um dir die Tür aufzumachen."

Mom und ich werfen uns vielsagende Blicke zu. Auch sie findet es mindestens genauso merkwürdig, wie ich, dass Rosy sich mütterlicher verhält als unsere eigene Mutter. Sogar gegenüber Mom ist sie manchmal eine Mom.

„Ich versprech's", sage ich zu Rosy, als ich mich ihr gegenüber an den Tisch setze. „Ich will doch nicht, dass deine alten Knochen strapaziert werden."

Rosy sieht mich giftig an. „Ärger mich nicht."

„Tue ich nicht. Tue ich nie."

„Mom!", ruft Rosy jetzt mit verschränkten Armen zu Mama, die seufzend die Suppe rumrührt. „Violet ärgert mich!"

„Rosy", sagt sie und hebt den Topf hoch, um ihn an den Tisch zu stellen. „Wenn du dich vielleicht mal wie ein achtjähriges Mädchen verhalten würdest, könnte ich deine Situation echt besser verstehen, aber so-''

„Also willst du einfach zulassen, dass Violet so mit mir umgeht?", unterbricht sie Mom entsetzt.

Ich sage: „Komm mal runter. Ich habe doch gar nichts gesagt. Außerdem – Hach, vergessen wir das." Es ist sowieso immer wieder das Gleiche. Rosy und ich sehen in den Topf, den Mom auf den Tisch gestellt haben und verziehen gleichzeitig das Gesicht.

„Was soll das denn sein?", fragt Rosy angewidert und betrachtet die grüne, blubbernde Grütze.

„Bitte sag mir nicht, dass du wieder irgendwelche vegetarischen Rezepte ausprobiert hast", sage ich zu Mom und rühre, genauso wenig begeistert, wie Rosy, in der Suppe rum.

Mom setzt sich an den Tisch und schöpft uns was auf den Teller. „Nun stellt euch mal nicht so an. Das ist mit Sicherheit total lecker. Jamie Oliver meinte, dass das das gesündeste Essen für Kinder ist, weil alle Vitamine und Nährstoffe vorhanden sind."

Rosy runzelt die Stirn. „Aber wir sind doch keine Kinder mehr."

Ich lache. „Genau, Mom. Wir sind schon acht und siebzehn!"

„Hey", sagt Mom und stellt den Topf wieder hin. „Esst es einfach. Wenn es euch nicht schmeckt, dann esst es trotzdem. Es gibt nichts anderes."

Violet Socks I HSWo Geschichten leben. Entdecke jetzt