Kapitel 40 - Oh Gott, Harry

32.6K 2.5K 845
                                    

Welches Buch ist eigentlich euer Lieblingsbuch von mir, falls ihr schon mehrere von mir gelesen habt? :)

Ich schürze die Lippen, weil sich die Vermutung, etwas stimmt mit Harrys Vater nicht, bestätigt hat. Ich kenne keinen weiteren Grund, weshalb er sonst so eilig ins Krankenhaus fahren wollen würde. „Ist etwas mit deinem Vater passiert?", frage ich ihn vorsichtig.

Harrys Blick ist nach vorne gerichtet und ich versuche irgendeine Emotion in seinem Ausdruck zu erkennen, während er kurz still ist, doch da ist nichts. „Ja", antwortet er deswegen genauso leer, wie seine Augen.

„Und ... was?" Ich hoffe für ihn, dass er nicht gestorben ist. Das wäre grausam.

„Ich weiß es noch nicht. Deswegen fahre ich jetzt hin."

Etwas in seinem Ton macht mich nachdenklich. „Ich wollte dir nicht auf die Pelle rücken. Wenn du nicht willst, dass ich dabei bin, dann kannst du –''

„Nein", unterbricht Harry mich schnell. Vielleicht etwas zu schnell. „Nein ... Es ist okay."

Ich sehe ihn an, während er weiter auf die Straße sieht. Ich bin froh, dass ich mit ihm gekommen bin.


Harry und ich laufen mit schnellen Schritten durch die Gänge des Krankenhauses. Er kennt sich hier anscheinend bestens aus, deswegen führt er uns in den fünften Stock. Ich frage mich, ob seine Mutter auch benachrichtigt wurde. Es ist Freitagabend, normalerweise arbeitet niemand um die Uhrzeit.

„Harry", ruft eine männliche Stimme durch den Flur und wir sehen einen jüngeren Arzt, der mit blauen Arztklamotten auf uns zuläuft. Als er bei uns ankommt, sieht man ihm erst an, wie geschafft er aussieht. Er hat schwarze, kurze Haare, etwas Bart. „Dein Vater liegt im C-Bereich. Komm mit mir."

Harry nickt und wir folgen dem Arzt. „Wahrscheinlich muss ich nicht fragen, ob meine Mutter da ist", sagt Harry, als wir durch die Gänge laufen.

Der Arzt schüttelt seufzend den Kopf. „Wir haben sie versucht zu erreichen."

Bitter auflachend schüttelt Harry den Kopf. „Typisch."

„Sie kommt also nie", sage ich und verfluche Anette innerlich. Ich hasse sie nun noch mehr. Anscheinend kommt sie häufiger nicht, wenn es Probleme gibt.

„Sie hat Wichtigeres zu tun", sagt Harry. „Irgendein scheiß Kerl scheint nach ihr zu rufen."

Am liebsten würde ich ihm sagen, wie ätzend ich Anette finde und er alles recht hat, wütend auf sie zu sein, doch ich schlucke es runter. Ich hätte es gesagt, wären wir noch Freunde. Aber das sind wir nicht.

„Redet möglichst leise", weist uns der Arzt an, auf dessen Namensschild ich Dr. Adams lesen kann, als er die Tür zu einem Zimmer öffnet. „Er steht zwar unter Beruhigungsmitteln, aber könnte dennoch aufwachen, wenn sie nachlassen."

Harry und ich nicken verständlich und gemeinsam betreten wir den Raum. Und direkt blicken wir auf das Krankenbett von William, wo er mit vielen Schläuchen verbunden liegt und die Augen geschlossen hat. Er sieht nicht schlimmer aus, als beim letzten Mal, jedoch macht mir das Piepen der Maschinen Angst. Es erscheint vieles noch sehr surreal für mich, was seine Krankheit angeht. Ich muss mich erst daran gewöhnen.

„Harry, schön, dass du kommen konntest", grüßt uns ein weiterer Arzt, diesmal im weißen Kittel. Er lächelt, auch wenn es nicht echt wirkt. Er ist älter, vielleicht Anfang sechzig. „Und du hast Begleitung mitgebracht."

„Ja", bremst Harry die startende Konversation ernst ab und stellt sich neben das Bett seines Vaters. „Was ist passiert?" Als er so auf ihn herab sieht und seinen kranken Vater betrachtet, könnte man meinen, er würde trauern, geknickt aussehen, doch Harry ist es nicht. Er ist noch immer vollkommen neutral. Als würde ihn all das kalt lassen.

Violet Socks I HSWo Geschichten leben. Entdecke jetzt