Kapitel 23 - Henriette und Victor

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Angespannt laufe ich hinter die Bühne, wo ein paar unserer Schauspieler mit Benja und Charly stehen, die sich alle auf die Probe gleich vorbereiten. Alle stoppen in ihren Vorbereitungen, als ich durch den kleinen Gang zu ihnen laufe. Man merkt mir wohl an, dass etwas absolut nicht stimmt.

Doch ich darf das alles nicht schon wieder an mich heran lassen. Ständig wegen Harry wütend zu sein, macht auf Dauer keinen Sinn und deswegen muss ich mich auf die Dinge konzentrieren, die momentan am Wichtigsten sind. Und das ist das Theaterstück, das in drei Wochen fertig sein muss.

„Lara", sage ich, als mich immer noch alle anstarren.

Lara, unser kleines Mauerblümchen schreckt auf und sieht mich an, als wäre ich ihre Chefin.

„Bist du fertig? Ich würde gerne anfangen."

Sie nickt eifrig und rückt nochmal ihr Kleid zurecht, das Benja extra für das Stück gekauft hat. Lara spielt Henriette, den Hauptcharakter in meinem Stück. Es hat uns alle gewundert, dass sie sich überhaupt auf die Bühne getraut hat, immerhin ist sie extrem schüchtern. Doch schauspielern kann sie eigentlich gut. Zumindest ist sie die Beste in unserer Gruppe.

„Okay", sage ich seufzend und winke alle zur Bühne, die dort hinmüssen. „Wir spielen Szene vier, wie besprochen. Lara, John, ihr wisst ja, wo ihr steht."

Lara und John stellen sich auf ihre Positionen und ich geselle mich zu Benja an den Bühnenrand, damit wir alles von außen betrachten können. Ich beginne einen tiefen Kopfschmerz zu spüren, weswegen ich mir gestresst die Schläfen reibe, um mich besser konzentrieren zu können. Dass Harry auch noch hier im selben Raum sitzt und uns zuguckt, macht mich noch gereizter.

„Alles okay?", flüstert Benja mir zu und sieht mich mit seinen blauen Augen skeptisch an.

Ich nicke nur und atme durch. „Ja, geht schon. Ich hab Kopfschmerzen."

„Können wir anfangen?", fragt Lara mich vorsichtig, als sie schon mit John auf ihren Plätzen zwischen den Pappbäumen steht.

„Ja, ihr könnt anfangen."

Sie nickt und dreht sich von John weg, der sich räuspert, um die Szene zu beginnen. Lara setzt ein trauriges Gesicht auf und faltet ihren Zettel mit dem Text auseinander.

„Henny", sagt John traurig, genauso wie es im Skript steht und geht vorsichtig einen Schritt auf sie zu. „Vergib mir, meine liebe Henny ... Ich kann nicht sein, wenn Ihr mich verlasst."

Lara seufzt und schiebt Johns Hand, die auf ihrer Schulter lag, von sich. „Nenn mich nicht Henny, Victor ... Ihr nanntet mich so, als ich noch dachte, Ihr wolltet mich, doch nun weiß ich, Ihr liebt eine andere. Ich kann Euch diese Schandtat, die mein Herz brach, niemals vergeben."

John wirkt noch trauriger und kommt Lara bittend wieder einen Schritt näher, die ihm noch geknickt den Rücken zudreht. „Ich liebe sie nicht", sagt er zu ihr. „All die Jahre wollte ich immer nur Euch. Ihr seid meine Liebe, meine Muse ... Diese Frau bedeutete mir nichts. Sie war ein Fehler und ich bereue jede Sekunde, die ich mit ihr verschwendete. Henriette, ich wollte immer nur Euch."

Jetzt dreht Lara sich, mit einer Träne im Auge, um. Weinen auf Knopfdruck konnte sie schon immer gut. „Wie könnt Ihr sagen, ich sei Eure Muse, wenn Ihr doch begehrtet die Lippen einer anderen? Mein Herz weiß nicht, wie es denken soll, seitdem ich sah, wie Ihr sie ..." Lara dreht sich wieder weg und schließt die Augen. „Ihr müsst gehen, Victor ... Mein lieber Victor."

John sieht wieder traurig auf Laras Rücken. „Ihr wollt wirklich, dass ich gehe?"

„Ja", haucht Lara und schnieft. „Unser Für Immer ist nicht länger von Bedeutung."

Violet Socks I HSWo Geschichten leben. Entdecke jetzt