Kapitel 32 - Die Krisensitzung

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Außer mir vor Wut knalle ich die Tür hinter mir zu und stampfe aus Harrys Hof. Er denkt, er kann es sich erlauben, mich um seinen blöden Finger zu wickeln, bis ich ihn küsse und dann am besten noch mit ihm ins Bett springe, wie bei all seinen anderen Mädchen? Oder Jessica? Ich bin nicht Jessica, ich bin Violet. Ich bin nicht dumm. Ich bin Violet, verdammt! Ich küsse nicht einfach so aus Reflex irgendwelche dahergelaufenen Jung, nur weil sie für mich kochen und mich mit ihren grünen Augen so liebevoll ansehen! Vor allem küsse ich nicht Harry!

Während ich mich frage, weshalb er all das überhaupt getan hat und was wirklich sein Plan war, ziehe ich mein Handy hervor und rufe Benja an. Ich muss mit jemanden reden, dringend. Die Sache mit Harry ist schon zu lange unausgesprochen und ich brauche jemanden, der mich versteht. Und er und Charly verstehen mich immer.

Wie konnte ich so verdammt kindisch sein und mit ihm nach Hause gehen, obwohl ich genau weiß, wie Harry ist?

„Benjamin Willkinson", meldet sich Benja.

„Benja", sage ich ernst. „Krisensitzung. Jetzt. Ruf Charly an."

Er seufzt. „Ist es eine Krise-Krise oder nur eine Krise? Weil eigentlich wollten Hardy und ich jetzt –''

„Es ist eine Krise-Krise, Benja. Ich bin in zehn Minuten bei dir."

„Verstanden ... Kakao und Sahne?"


Wie abgemacht, stehe ich zehn Minuten später auch schon vor Benjas Haustür und klingele. Charly scheint noch nicht da zu sein, denn ihr Fahrrad steht nicht vor dem Gartenzaun. Meine Gedanken sind noch genauso durcheinander, wie in dem Moment, in dem ich Harry ... Ich will gar nicht daran denken. Ich nerve mich selbst, mit jeder Sekunde, die ich an ihn und das Szenario eben gerade denke. Und dann hat er mich auch noch Berry-Loser genannt. Das allererste Mal.

Benjas Mutter öffnet mir die Tür und dann stampfe ich schon die Treppen nach oben in sein Dachgeschoß, von wo ich den Kakao bereits rieche. Eines unserer kleinen Rituale, wenn ein Krisengespräch veranlasst wird. Kakao und Sahne ist das A und O, wenn wir über unsere Probleme und Sorgen sprechen.

„Wow!", sagt Benja, als ich in sein Zimmer gestürmt komme und er gerade eine dritte Tasse Kakao auf den Boden zu den vielen Decken und Kissen legt, die ebenfalls ein Teil eines unserer Krisengespräche sind. „Es muss wirklich eine Krise sein, wenn du so reingeplatzt kommst."

„Und wie es eine Krise ist", sage ich noch immer wütend, obwohl ich nicht weiß, ob ich auf mich oder Harry wütend sein soll. Ich schmeiße meine Boots in die Zimmerecke und setze mich auf ein Kissen am Boden. Vor mir steht bereits der Kakao. „Wo ist Hardy?"

„Ich habe ihn nach Hause geschickt", antwortet Benja und setzt sich ebenfalls in den Kreis von Kissen und Decken auf den Boden. „Du klangst ziemlich aufgebracht und das wollte ich ihm nicht antun."

Ich lache bitter. „Wenn du nur wüsstest, Benja. Wo bleibt Charly? Ich platze gleich."

„Immer mit der Ruhe", sagt Charly, die gerade abgehetzt das Zimmer betritt und ihren Fahrradhelm abzieht. „Leider kann ich auch nicht schneller als zwanzig km/h fahren, wenn es bergauf geht." Sie seufzt und setzt sich dann zu uns den Kreis. „Man, es sollte besser wichtig sein, denn es läuft gerade Vampire Diaries."

„Es ist eine Krise-Krise", sagt Benja und reicht Charly eine Tasse Kakao mit Sahne.

„Eine Krise-Krise?" Charly sieht mich fragend an. „So schlimm?"

Ich nehme mir die Tasse Kakao, die vor mir steht und schließe kurz die Augen, um alles sacken zu lassen. Ich sollte einfach damit rausplatzen. Um den heißen Brei herumzureden, war nie sinnvoll in eines unserer Krisengespräche. Deswegen sage ich: „Harry und ich haben uns geküsst."

Violet Socks I HSWo Geschichten leben. Entdecke jetzt