Das Geheimnis des Schatzes

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Mona's liebevolle Pflege sorgte dafür, dass es Kyla eine paar Tage später schon wesentlich besser ging. Kyla durfte inzwischen aufstehen und hatte auch schon die Gelegenheit, weitere Mitglieder der Rebellen-Gemeinschaft und Bewohner der Burg kennenzulernen. Alle einte vergleichbare Schicksale wie das von Kyla. Sie waren vom Herzog um ihren Besitz gebracht worden und weil sie sich nicht unterwerfen wollten zu Geächteten erklärt worden. Doch wie Informanten berichteten schien der Herzog  an Kyla ein besonderes Interesse zu haben. Daher suchte Erik das Gespräch mit Kyla.
Kyla stand auf dem Turm der alten Burgruine und ließ ihren Blick in die Ferne schweifen. Der leichte Wind spielte mit ihren Haaren.
"Heimweh?" Erik stand drei Meter hinter ihr lässig an die Mauer gelehnt. Kyla zuckte ein wenig zusammen, sie hatte ihn nicht kommen hören. Sie drehte sich um und begegnete ruhig seinem Blick. "Ja ein wenig.", antwortete sie und sah wieder in die Ferne. "Mein Vater, er fehlt mir halt sehr.", ergänzte sie traurig. Schließlich drehte sie sich wieder zu Erik um und sah sich ihren Retter zum ersten Mal etwas genauer an. Er war recht groß und muskulös. Seine blonden Haare umrahmten sein Gesicht welches von einem dunkelblonden Bart großenteils bedeckt war. Am faszinierendsten fand sie jedoch seine haselnussbraunen Augen, die sie teils belustigt teils forschend ansahen. "Ich hatte noch keine Gelegenheit mich für meine Rettung bei euch zu bedanken. Ich stehe in eurer Schuld.", fuhr sie schließlich fort. Mit einer Handbewegung "wehrte" er ihre letzten Worte ab. "Ihr seid mir nichts schuldig. Es gehört zu unserem Selbstverständnis, Menschen vor Willkür, Gewalt und Unterdrückung des Herzogs zu beschützen. Doch hat das besondere Interesse des Herzogs speziell an eurer Person mich etwas verwundert. Ihr scheint für ihn so wertvoll zu sein, dass er behauptet, wir hätte ihm einen Schatz gestohlen. Könnt ihr mir erklären, was es damit auf sich hat?" Kyla sah Erik verwirrt an: "Ich weiß auch nicht, was damit gemeint sein könnte. Ich dachte, ich sollte zu einer weiteren Gespielin des Herzogs gemacht werden. Von einem Schatz weiß ich nichts." Erik nickte: "Habe ich mir fast gedacht. Sollte euch jedoch noch etwas hilfreiches dazu einfallen, dann lasst es uns bitte wissen." Erik verließ den Turm und ließ Kyla allein zurück. Er ahnte nicht, dass Kyla ihm etwas verschwiegen hatte. Denn tief in ihrem Inneren hatte sie eine dunkele Ahnung, welcher Schatz gemeint sein könnte, der dem Herzog so begehrenswert war. Es sollte eigentlich ein gut gehütetes Geheimnis sein, daher wollte es Kyla nicht wahr haben, dass der Herzog dieses Geheimnis gelüftet haben könnte. Ein Geheimnis, welches sie eigentlich glaubte, es sei mit ihrer Mutter begraben worden. Jetzt holte sie Vergangenheit doch wieder ein.

Kyla hatte sich zurückgezogen. Sie musste erst einmal mit der Erkenntnis und neuen Situation fertig werden. Doch ihr war klar, dass sie ihre Retter über ihre Vergangenheit und ihre Gabe in Kenntnis setzen musste. Doch wie sie sich nun verhalten sollte, war ihr überhaupt nicht klar. Sollte sie ihre Gabe zur Unterstützung der Rebellen einsetzen oder war es doch sicherer für alle Beteiligten, wenn sie dieses Rebellen-Lager verließ, bevor der Herzog sie hier fand? Dabei hatte sie doch gerade ein neue Familie, ein neues Zuhause gefunden. Tränen liefen ihr übers Gesicht. "Oh Gott, was ist geschehen, meine Liebe?", fragte Mona besorgt als sie Kyla so vorfand. "Ich muss sofort mit Simon und Erik sprechen.", antworte sie mit tränenerstickter Stimme. Mona sah sie besorgt an: "Ist etwas passiert?" Kyla schüttelte den Kopf. "Nein, noch nicht.", antwortete sie leise. Kyla sah Mona flehend an: "Bitte Mona, es ist trotzdem wichtig." Mona nickte und ging, um Simon und Erik zu suchen.

Zwei Augenpaare schauten Kyla erwartungsvoll an. Kyla hatte sich inzwischen wieder gefangen und begann mit ruhigen Worten: "Ich glaube ich weiß jetzt, welchen Schatz der Herzog so unbedingt in seinen Besitz bringen will." Sie machte eine kurze Pause bevor sie fortfuhr. "Es hat mit meiner Mutter zu tun. Sie war eine ganz besondere Frau mit vielen besonderen Fähigkeiten und vor allem mit einer ganz besonderen Gabe. Meine Mutter hatte immer wieder Visionen in denen sie bevorstehende Ereignisse oder aber das Schicksal einer oder mehrer Personen sah. Der Herzog wollte sich schon damals diese Gabe für seine Zwecke zu nutzen machen, doch meine Mutter weigerte sich. Daher wurde sie als Hexe angeklagt. Meine Vater rettete meine Mutter vor dem Scheiterhaufen und brachte sie auf seiner Burg in Sicherheit. Der Herzog war außer sich, doch jegliche Versuche meine Mutter wieder in seine Gewalt zu bekommen scheiterten aufgrund ihrer Gabe. Als meine Mutter gestorben war, hatte auch der Herzog kein Interesse mehr an uns, da ihre Gabe ja mit ihr gestorben war." Kyla hielt ihrer Erzählung inne und blickte in sich gekehrt an die Wand. "Lasst mich raten wie es weitergeht. Der Herzog hat rausgefunden, dass die Gabe nicht mit eurer Mutter gestorben ist, sondern in ihren Nachkommen weiterlebt und ihr damit nun verstärkt in seinen Fokus gerückt seid.", führte Erik leicht sarkastisch fort. Kyla nickte stumm. "Habt ihr denn auch solche Visionen?", forschte Simon nach. "Ich hatte als Kind schon 2 bis 3, doch nach dem Tod meiner Mutter keine mehr. Daher dachte ich, dass die Gabe mit ihr gestorben sei.""Der Herzog scheint das aber nicht zu glauben.", wand Erik ein. "Um ganz ehrlich zu sein glaube ich das auch nicht.", meinte Simon nachdenklich, "Vielleicht habt ihr ja nach dem Tod eurer Mutter die Gabe verdrängt." Kyla zuckte mit den Schultern: "Vielleicht habt ihr Recht. Ich wollte keine Visionen mehr haben, weil sie mich zu sehr an meine Mutter erinnert hätten." "Das heißt also, ihr habt die Gabe immernoch, ihr habt sie nur nicht genutzt?", Erik sah sie forschend an. Kyla hielt seinem Blick stand und antworte: "Wahrscheinlich." "Wenn dem so wäre, dann kann ich verstehen, dass ein Mensch mit solch einer Gabe für den Herzog ein wertvoller Schatz und ein mächtiges Werkzeug wäre." Simon sah Kyla an und ein leichtes Lächeln huschte über sein ansonsten fast immer ernstes Gesicht.

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