Neuanfang und Abschied

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Acht Wochen später erhielten die Waldbewohner schließlich die Nachricht, dass die Rebellen unter der Führung von Simon von Pohlheim die Söldnerarmee des Herzogs vernichtend geschlagen hätte. Alle unrechtmäßig angeeigneten Ländereien und Besitztümer gingen wieder an ihre eigentlichen Besitzer. Alle Vertriebenen könnten wieder in ihre Heimat zurückkehren. Diese Botschaft wurde mit einem riesigen Jubel aufgenommen. "Wir können wieder nach Hause!", freuten sich Waldbewohner. Mit einem großen Fest feierten alles Waldbewohner das Ende der Vertreibung. Und die ersten Bewohner verließen noch am nächsten Tag das Lager, um in ihre Dörfer zurückzukehren. Der Herzog hatte vielerorts allerdings eine blutige Spur und Zerstörung hinterlassen. Viel musste wieder aufgebaut werden, doch die Menschen hatten wieder Hoffnung auf eine friedliche Zukunft in Freiheit.
Kyla freute sich für die Waldbewohner und ihre Familien, dennoch wirkte sie auch bedrückt. Marta setzte sich zu ihr und nahm ihre Hand: "Was bedrückt dich, meine Liebe? Freust du dich denn nicht, die Tyrannei ist endlich vorbei und wir können alle zusammen in Frieden leben." Eine Träne lief über Kyla's Wange. "Ich freue mich für euch. Ihr könnt alle in eure Heimatdörfer zurückkehren. Ich aber habe keine Heimat mehr, in die ich zurückkehren könnte." Marta nahm Kyla in den Arm. "Ich kann deine Trauer verstehen, aber glaub mir, du wirst eine neue Heimat finden, eine neue Familie. Du bist nicht allein, du hast viele Freunde. Und seit deiner Heldentat noch mehr. Ich weiß, das kann dein Zuhause und deine Eltern nicht ersetzen, aber schau nach vorne und suche dir deinen eigenen Weg. Und egal wohin dein Herz dich führt, deine Eltern werden immer bei dir sein." Kyla nickte tapfer und wischte sich die Tränen weg. "Wenn ich wieder gesund bin, werde ich zu Simon von Pohlheim und seiner Familie zurückkehren. Sie haben mich nach dem Verlust meiner Heimat freundlich aufgenommen. Außerdem habe ich mit Simon noch eine Abmachung." Eine kurzes Lächeln huschte über ihr Gesicht.
Auch Jo und seine Mutter kehrten in ihr Dorf zurück. Kyla nahmen sie mit, denn sie war noch nicht genug bei Kräften für eine längere Reise. Doch ging es ihrem Körper besser als ihrer Seele. Nachdem sie ja ihre Mission abgeschlossen hatte, fehlte ihr eine Perspektive. Sie fühlte sich, trotz all der lieben Menschen um sie herum, allein. "Ich mache mir große Sorgen um Kyla. So kann dass nicht weitergehen.", stellte Jo gegenüber seiner Mutter fest. "Irgendetwas müssen wir doch tun können, Mutter?" "Ja, ich weiß auch nicht recht, aber wir hier scheinen ihr nicht helfen zu können.", antwortete Marta sorgenvoll. "Sie muss endlich mit der Vergangenheit abschließen." Jo nickte. "Ich kann sie begleiten zurück zu ihren Leuten. Am besten geht sie zu diesem Simon von Pohlheim und diesem Erik von Traunberg, von dem sie erzählt hat." Marta seufzte, ihr Sohn hatte ja recht, aber sie würde ungern beide ziehen lassen. Da sich aber Kyla's Gemütszustand nicht besserte, stimmte sie schließlich schweren Herzens dem Vorschlag ihres Sohnes zu. Es fanden sich noch zwei weitere Männer, die bereit waren, Jo und Kyla zu begleiten.
Nachdem man ihr das Vorhaben mitgeteilt hatte, besserte sich ihre Stimmung etwas. Sie freute sich darauf, Simon und seine Familie wiederzusehen und vielleicht auch zu erfahren, was mit Erik geschehen war. Trotzdem fiel es ihr jetzt wo der Abschied Nähe war, schwer, die vielen liebgewonnenen Menschen, die ihr stets Zuflucht und Unterstützung geboten hatten, möglicherweise für immer zu verlassen. Besonders zu Jo's Mutter Marta hatte sich in der Zeit ihrer Genesung ein ganz besonders inniges Verhältnis entwickelt. Jo war für sie über die Zeit wie ein kleiner Bruder geworden, daher freute sie sich darüber, dass Jo sie begleiten wollte.
Kyla humpelte mit ihrem bandagierten Bein Jo hinterher. Jo hatte Kyla mitgeteilt, dass die Männer des Dorfes ein Abschiedsgeschenk für Kyla hätten. Auf einer Wiese hatten die Männer einen Schiessstand aufgebaut und luden Kyla als einzige Frau ein, bei dem Wettbewerb mitzumachen. Als Geschenk bekam sie dafür einen wunderschönen neuen Bogen aus edelem Holz und einen Köcher mit Pfeilen. Sie freute sich wie ein kleines Kind. Es gelang ihr auch am Anfang mit den Männern mitzuhalten. Am Ende musste sie sich doch den drei besten Männern geschlagen geben, bekam dafür aber viel Anerkennung. Seit langem war sie wieder mal ausgelassen und froh gestimmt, trotz des bevorstehenden Abschieds. Am Ende bevor sie das Turnier verließ, bedankte sie sich bei den Leuten für die Ehre der Teilnahme und die Gastfreundschaft. Jetzt wo der Abschied so unmittelbar bevorstand, war ihr Herz schwer. Doch die Aussicht Simon, Seldis und Mona und vielleicht auch Erik wiederzusehen stimmte sie auch wieder froh.

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