Sturm der Gefühle

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Als Kyla erwachte, war ihr Erik ganz nah. Sie atmete tief seinen Duft ein. Sie sah ihn an und sah sein heimliches Verlangen in seinen Augen aufblitzen. In diesem Augenblick waren alle schrecklichen Erlebnisse weit weg, sie spürte nur wie auch in ihr ein Verlangen wuchs. So berührten sich ihre Lippen erst zu einem zarten Kuss. Doch je länger der Kuss währte um so leidenschaftlicher wurde er. Erik hielt kurz inne und flüsterte: „Ich liebe dich nicht nur, Kyla, ich begehre dich mit allen Fasern meines Seins." „Ich weiß.", lächelte Kyla. Er sah sie fragend an, er wagte nicht, seine Gedanken, seine drängende Frage auszusprechen. Doch das brauchte er auch nicht. Sie nickte nur lächelnd und zog seinen Kopf an ihre Brust. Kaum hörbar flüsterte sie: „Ich bin bereit für ein neues Abenteuer. Bei dir weiß ich, dass ich keine Angst haben muss." Dabei lächelte sie voller Glück.

Es dämmerte schon als Kyla und Erik von ihrem Ausflug zurückkehrten. Kyla strahlte vor Glück und schien durch die Flure zu schweben. Noch vor Wochen hatte sie Angst gehabt und nicht gewusst, ob sie sich je Erik so unbefangen würde hingeben können. Doch jetzt war alles nur reiner Sonnenschein. Sie wusste nun, was leidenschaftliche Liebe mit dem richtigen Mann wirklich bedeuten konnte. Erik hatte ihr auf wunderbare Weise gezeigt, dass körperliche  Liebe und Leidenschaft nicht mit Gewalt und Unterwerfung einhergehen musste. Er hatte es über die Zeit mit Geduld und Feingefühl geschafft, dass sie wieder bereit war, einem Mann in jeglicher Hinsicht bedienungslos zu vertrauen. Dennoch tobte in ihr ein Sturm der Gefühle. Soviele Regungen, Gefühle und Gedanken brausten über sie hinweg, die ihr noch neu waren und sie noch nicht so recht einordnen konnte. Gottseidank hatte sie in Mona eine geduldige, mütterliche Zuhörerin, die oft auch ohne viele Worte Kyla Halt und Bestätigung gab, dass alles schon seinen rechten Weg gehen würde. Es reichte manchmal nur eine beruhigende Umarmung oder das liebevolle Streichen durch ihre Haare. Kyla hatte dann das Gefühl, dass ihre Mutter in Gestalt von Mona ihr zur Seite stand.

Seit dem Picknick war eines deutlich für alle ihr nahestehenden Personen erkennbar: Aus der ehemaligen Waisen und jungen Kämpferin Kyla, die heimat- und ruhelos auf der Suche war, war nun eine selbstbewusste, junge Frau geworden, die nun endlich angekommen war. Sie selbst genoss diese neue Entwicklung in vollen Zügen. Und obwohl er Kyla's Kämpferherz und ihren Mut von Anfang an bewundert hatte, so gefiel Erik die neue Seite an Kyla fast noch besser. „Wenn ich nicht schon bis zum Hals in dich verliebt wäre, wäre ich spätestens jetzt dir vollkommen verfallen.", lachte Erik, als er mal wieder von Kyla's weiblicher Erscheinung fasziniert war. Kyla errötet leicht und lächelte verlegen. Sie blieb was ihre Person anging bescheiden.

Sie blickte nun voll Zuversicht auf eine gemeinsame Zukunft mit Erik an ihrer Seite. Doch hatte sie trotz dem Sturm der Gefühle ihr Versprechen, welches sie den Dorfbewohnern ihres Familienstammsitzes gegeben hatte, nicht vergessen. Erik war mit ihren Plänen einverstanden und würde mit Kyla nach ihrer Hochzeit zur Stammburg derer von Johannisberg zurückkehren. Was Kyla allerdings nicht wusste, dass Simon zusammen mit Erik heimlich schon den Wiederaufbau von Kyla's Burg veranlasst hatte. Bei ihrer Rückkehr sollte die Burg für das frisch vermählte Paar wieder bewohnbar sein, als Hochzeitsgeschenk von Simon und Erik an Kyla. Aus ihrer Sicht war Kyla als Bezwingerin des Herzogs immer noch eine Heldin.

Die Vorbereitungen auf die Hochzeit waren im vollem Gange. Kyla jedoch wurde davon weitestgehend davon ausgeschlossen. Sie verbrachte viel Zeit mit Gereon, dem kleinen Sohn von Simon und Sira. Durch die dramatische Geburt war sie dem Kind auf besondere Art verbunden. Sie bewunderte Sira wie scheinbar leicht diese in ihre Mutterrolle reingewachsen war und wenn sie den kleinen Gereon auf dem Arm hatte, fragte sie sich, ob sie überhaupt je eine gute Mutter sein würde. Gedankenverloren saß sie auf einem Baumstumpf in der Nähe des Schlosses und wiegte den kleinen Gereon in den Schlaf als sie von einem Geräusch aus den Gedanken gerissen wurde. Sie sah zum Waldesrand und konnte zunächst nichts erkennen. Doch dann lösten sich Schatten aus dem Dunkel des Waldes. Sie sprang auf und drückte das schlafende Kind schützend an sich. Sie spürte instinktiv, dass Gefahr um Verzug war und es besser war, in Deckung zu gehen. Wäre sie alleine und bewaffnet gewesen, hätte sie erst einmal abgewartet, um die Gefahr besser einschätzen zu können. Doch sie war nicht nur unbewaffnet, mit dem Kind war sie in ihrer Bewegungsfreiheit sehr eingeschränkt. Dennoch würde sie den kleinen Gereon beschützen als wenn er ihr eigener Sohn wäre. Sie sah sich um und suchte nach einer geeigneten Deckung, denn zum Schloss war es im Falle direkter Gefahr zu weit und sie mit dem Kind auf offener Wiese ein zu leichtes Ziel. Sie versteckte sich zu nächst in einem nahen Gebüsch, von dem sie die Situation genauer beobachten konnte. Sie sah, wie eine Gruppe ihr unbekannter, bewaffneter Reiter sich im Schutze der Bäume am Waldrand entlang bewegten. Gottseidank entfernten sie sich immer mehr von ihrem Versteck, aber sie spürte, dass diese Reiter nichts Gutes im Schilde führten. Sie wartete noch eine ganze Weile mit klopfendem Herzen ab, bis sie absolut sicher war, dass keine Gefahr mehr bestand. Dann eilte sie zum Schloß zurück und berichtete unmittelbar Simon und Erik von ihrer Beobachtung.

Wohin dein Herz dich führtWhere stories live. Discover now