Du bist nicht allein

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Jo hatte sofort bemerkt, dass Kyla sehr ernst und nachdenklich war, als sie zu ihnen zurückkehrte. Sie berichtete kurz von der Begegnung mit den Dorfbewohnern und deren Hoffnung, die sie durch ihre Rückkehr geweckt hatte. „Ach ich war so selbstsüchtig, Jo. Ich war nur mit mir und meinem eigenen Schicksal so beschäftigt, so dass ich die Menschen, die lange Jahre uns so treu ergeben waren und in jener Nacht ebenso schmerzvolle Verluste erlitten haben wie ich, völlig vergessen habe. Ich wollte einfach alles vergessen und mit der Vergangenheit endgültig abschließen." Sie schwieg nun in sich gekehrt. Jo ließ sie ihren Gedanken nachhängen und sagt nichts weiter dazu.

So setzten sie wie geplant ihren Weg am nächsten Morgen fort. Kyla war fortan noch stiller und nachdenklicher. ‚Ich brauche dringend den Rat von Simon', sagt sie zu sich während sie wieder darüber nachdachte, wie sie den Dorfbewohnern wohl helfen könnte. Eins stand für sie fest: Allein würde sie es keinesfalls schaffen, die Burg wieder bewohnbar zu machen und die Menschen dort zu beschützen. Gerade fühlte sie sich ziemlich allein und hilflos. „Denke daran, was auch immer dich so umtreibt und bedrückt, du bist nicht allein.", sprach Jo sie von der Seite an. Also wenn Jo hätte ihre Gedanken lesen können, kamen ihr sein Worte in diesem Augenblick vor. Ein Lächeln huschte über so ernstes Gesicht. Sie nickte: „Ich bin auch so froh, dich jetzt an meiner Seite zu haben, Bruder. Aber irgendwann wirst du deinen eigenen Weg gehen, Jo. Und der wird dann irgendwann ein anderer sein als meiner." Jo verzog seine Miene und lächelte verlegen: „Ich bin an deiner Seite, solange du das möchtest." „Hast du ein Ziel, welches du im Leben erreichen möchtest? Hast du ein Wunschtraum?" , fragte Kyla Jo. Der dachte kurz nach: „Ich möchte Ritter werden und für die Gerechtigkeit kämpfen, für die Armen und Schwachen und sie beschützen." „Das ist ein großes und edeles Ziel. Nur der Weg zum Ritter ist lang und schwer. Doch dich für Gerechtigkeit, Arme und Schwache einsetzen, das kannst du jetzt schon - auch ohne Ritterrüstung und Schwert." „Ich möchte aber gerne Ruhm und Ehre eines Ritters erreichen.", wand Jo ein.  „Das wirst du eines Tages, Jo, da bin ich mir ganz sicher.", antwortete Kyla lächelnd.

Sie waren nicht mehr Weit weg von dem Stammsitz derer von Pohlheim. Die gut befestigte Anlage thronte auf einem Hügel an dessen linker Flanke sich ein Fluss durch ein fruchtbares Tal schlängelte. Auf der anderen Seite erstreckte sich ein dichter Wald entlang eines Bergrückens. ‚Schön ist es hier', war Kyla's erster Gedanke bei dem Anblick. Einer ihrer Begleiter war bereits voraus geritten um ihre Ankunft anzukündigen. Sie würden wohl am späten Nachmittag auf der Festung eintreffen. Sie ritten entlang des Flussufers und beobachteten auf dem Fluss Männer die von ihren Holzboten Netze auswarfen. „Da kommen uns drei Reiter entgegen.", stellte Jo fest. Sie hielten ihre Pferde an und warteten darauf, dass die Reiter näher kamen. Schon bald erkannte Kyla, wer Ihnen da entgegen kam. „Das ist Simon von Pohlheim!", rief Kyla freudig aus und sprang aus dem Sattel. Auch Simon hatte sein Pferd angehalten und eilte ihr nun zu Fuß freudig strahlenden entgegen. „Kyla! Kyla, bist du es wirklich? Ich konnte es kaum glauben, als man mir mitteilte, dass du auf dem Weg zu uns seist." Auch Kyla strahlte, als sie auf ihn zu eilte. Simon nah Kyla in Arme und drückte sie herzlich. „Ich hatte doch noch ein Versprechen einzulösen.", sagte sie leise. „Erinnerst du dich noch, als ich die Trutzburg verließ?" „Ja, ich erinnere mich. Auch ich werde mein Versprechen einlösen.", antwortete er lächelt. Inzwischen hatten die anderen Reiter sie erreicht und sie stiegen wieder auf ihre Pferde. Bereits auf dem Weg zur Festung berichtete Kyla kurz von den Ereignissen beim Besuch in ihrer alten Heimat und sagte, dass sie dringend den Rat eines guten Freundes brauche. Simon nickte: „Alles zu seiner Zeit. Wir werden schon einen Weg finden, aber jetzt heiße ich dich erst einmal auf dem Stammsitz der Pohlheims herzlich Willkommen. Da wartet schon jemand auf dich, der dich damals sehr in ihr Herz geschlossen hat." Simon wies auf eine kleine ältere Dame hin, deren kurze und stämmige Figur ihr bekannt vor kam. Nur hatte sie diese nicht mehr so grau in Erinnerung. „Kyla, Kyla mein Kind, herzlich willkommen! Es ist so schön dich gesund und munter wiederzusehen.", rief Mona und winkte ihr freudig zu. Sie konnte es wie Simon kaum erwarten, Kyla in ihre Arme zu schließen. Kyla liefen ein paar Tränen über die Wangen. Jetzt fühlte sie sich nicht mehr so allein.
Simon stand daneben und sah nachdenklich zu, als Mona seinen Gast herzlich begrüsste. Ihm graute ein wenig vor einer Frage, die Kyla sicherlich bald noch stellen würde, denn er wusste noch nicht, was er ihr antworten sollte.

Wohin dein Herz dich führtWhere stories live. Discover now