Freud und Leid

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Sichtlich glücklich schienen Kyla und Erik in den nächsten Stunden vor dem Fest zu sein. Nach langer Zeit fühlte sich Kyla wieder unbeschwert. Ihr Herz war endlich frei von den Schatten der Vergangenheit und sprudelte förmlich über vor Glück. "Welches Glück kann größer sein als dieses?", fragte sie Mona, nachdem sie ihr von Erik's Antrag erzählt hatte. Mona lächelte und nahm Kyla liebevoll in den Arm: "Halt dein Glück einfach fest, mein Kind. Du hast es dir verdient, endlich glücklich sein. Und so Gott will, werden noch viele glückliche Momente folgen." "Du wirst es aber sonst niemanden verraten, wir wollen die Anderen heute auf dem Fest überraschen und auch an unserem Glück teilhaben lassen.", bat Kyla. Mona nickte: "Mein Mund ist versiegelt."

Als Kyla den Festsaal betrat, ging ein Raunen durch den Saal und alle starrten die junge Frau an. Kyla lächelte ein wenig verlegen und sah sich suchend im Raum um. Seit damals hatte sie kein festliches Kleid mehr angehabt, geschweige denn sich herausgeputzt. Bis jetzt hatte sie ihre wahre Schönheit immer verborgen gehalten. Heute trug sie ein reichbesticktes nachtblaues Samtkleid mit einer silbernen Schärpe, welche ihre weibliche Figur betonte. Mona hatte an Kyla's Haaren ein wahres Meisterwerk vollbracht und hatte ihr lächelnd prophezeit: "Heute Abend werden sich alle Männer nach dir umdrehen und du wirst die Prinzessin des Abends sein." Sie hatte recht behalten. Erik war so von ihrem Anblick überwältigt, dass er sich erst nach dem er von Simon einen sanften Stoß in Rippen bekommen hatte, auf Kyla zu bewegte. "Es kommt mir vor, als sähe ich dich zum ersten Mal. Ich kann kaum glauben, dass dieses Weib bald mein sein wird." Er bot ihr schließlich den Arm an und beide schritten lächelnd zu Tisch. Doch bevor das Mal begann, erhob sich Erik und räusperte sich laut. "Meine Freunde, ich möchte diese Feier zum Anlass nehmen, euch an meinem Glück teilhaben zu lassen und mitteilen, dass ich mich heute mit Kyla von Johhannisberg verlobt habe." Jubel und Applaus brandete auf. Als erster gratulierte Simon und klopfte seinem Freund freudig auf die Schulter. "Endlich mein, Freund. Ich wünsche euch alles Glück dieser Welt." Kyla nahm er wie ein liebender Bruder in seine Arme und gab ihr ein Kuss auf die Stirn: "Ich freue mich für dich." Auch Sira umarmte Kyla herzlich. "Das ist so wunderbar, Kyla." Nach dem üppigen Festmahl wurde dann zum Tanz aufgespielt. Das letzte Mal als man so ausgelassen auf Schloß Pohlheim gefeiert hatte war schon lange her. Während alle glücklich und ausgelassen feierten, beobachtet Mona zurückgezogen und still mit einem glückseligen Lächeln die feiernde Gesellschaft.

Später am Abend zog sich Sira zurück, um sich auszuruhen, während die anderen noch weit in die Nacht fröhlich weiter feierten. Die Herren hatten dem Alkohol gut zu gesprochen und waren nicht mehr so ganz Herr ihrer Sinne. Kyla hatte Mühe Erik in sein Zimmer zu bringen. Sie hatte gerade Erik's Gemächer verlassen, als eine Dienstmagd aufgeregt den Gang entlang geeilt kam. "Gnädige Herrin, kommen sie schnell, der jungen Herrin von Pohlheim geht es nicht gut, sie hat starke Schmerzen und hat nach ihnen verlangt." "Wurde denn schon ein Arzt gerufen?", fragte Kyla besorgt. "Der Arzt ist wohl auf dem Weg, wird aber noch eine Weile brauchen.", erklärte das junge Mädchen aufgeregt während sie mit Kyla zu Sira's Gemächern eilte. Schon vor der Tür hörte man Sira jammern und stöhnen. Kyla's Herz krampfte sich zusammen, sie zögerte einzutreten. 'Ich kann das nicht', schoss ihr durch den Kopf. "Kyla biiitteee, hilf mir!", hörte sie Sira flehen. Kyla schluckte, sie würde ihre Freundin jetzt nicht im Stich lassen. Mona sah Kyla besorgt und ratlos an: "Irgend was stimmt mit dem Kind nicht. Aber ich bin kein Arzt. Ich habe zwar selber zwei Kinder geboren, aber ohne solche Probleme." Dann flüsterte sie: "Meine Schwiegertochter und mein Enkel dürfen nicht sterben." Zum ersten Mal machte Mona, die Kyla immer als kluge und beherzte Frau erlebte hatte, einen hilflosen und verzweifelten Eindruck. Sie sah das besorgte Gesicht von Mona und dann auf Sira, die sich gequälte. Ihr erste Gedanke war: Weglaufen! "Ich habe doch auch noch nie ein Kind zur Welt gebracht!", rief Kyla nervös. Doch dann wurde sie plötzlich ruhig, wie in einer Vision kamen ihr Erinnerungen in den Sinn und sie wusste nun, was zu tun war. Sie trat an Sira's Bett und wischte ihr den Schweiß von der Stirn. "Ganz ruhig! Ich werde dir helfen. Du wirst es schaffen." Dann tastete sie Sira's dick gewölbten Bauch ab. Ihre Ahnung bestätigte sich. Sie trat zu Mona und sprach zu ihr leise: "So wird das Kind nicht auf natürlichem Weg zur Welt kommen können, es hat sich nicht nach unten gedreht. Ohne Hilfe werden sie und das Kind es nicht schaffen. Ich brauche deine Hilfe." "Ich verstehe zwar nicht was du vor hast, aber ich werde alles tun, um sie beide zu retten." Kyla nickte. "Hole mir Nadel und Faden, heisses Wasser, Verbandmaterial und saubere Tücher.", forderte Kyla und Mona eilte sofort davon. Dann ging sie wieder zu Sira. "Ich gebe dir etwas von meinen Kräutern gegen die Schmerzen. Allerdings müssen wir dir und deinem Kind dringend helfen, denn es kann so wie es in deinem Bauch liegt nicht auf die Welt kommen." Sira sah Kyla verwirrt an: "Hast du so etwas denn schon mal gemacht?" "Nein, aber ich habe oft dabei zu gesehen. Vertraue, mir!" "Ich vertraue dir, Kyla. Gott steh' uns allen bei bei!"

Wohin dein Herz dich führtWhere stories live. Discover now