29 getaway from reality.

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LOUIS

„Ich würde Jahrtausende lang die Sterne durchwandern,

in allen Formen mich kleiden,

in allen Sprachen des Lebens,

um dir einmal wieder zu begegnen."

[ Purpurmond ]



New York war die Stadt, in der Zeit für mich keine Bedeutung hatte.

Ich lebte, irgendwie.

Mehr aber auch nicht.

Zwei weitere Nächte verbrachte ich mit Danielle. Manchmal sah ich ihr nur beim schlafen zu, oder spürte ihre Wärme. Ihre Anwesenheit hatte etwas Tröstliches und auch wenn sie mir vorgaukeln konnte, Eleanor läge neben mir, so wusste ich irgendwo, dass sie es nicht war.

Mein Handy zeigte mir immer wieder Nachrichten an und ich schrieb Liam zurück, dass es mir gut gehen würde und alles in Ordnung war. Das musste reichen. Seine Frage, wann ich zurück käme, ignorierte ich.

Vorübergehend kümmerte sich meine Mutter um die Jungs und ich rief sie einmal an, um mit ihr alles abzuklären. Sie sorgte dafür, dass die Zwillinge zur Schule gingen und ihr Alltag wieder lief. 

(„Und was sage ich ihnen, wenn sie nach dir fragen, Lou?" - Sie werden nicht nach mir fragen." - „Und wenn doch?")

Danach ließ ich mich von den Menschen in New York buchstäblich verschlucken. Ich tauchte unter.

Manchmal saß ich an U-Bahnstationen und beobachtete die Menschen, oder ich sah im Central Park dabei zu, wie die Leute achtlos an mir vorbei zogen. Ich spürte keine Kälte und musste mich hin und wieder daran erinnern, dass ich etwas aß.

Abends zog ich durch die Bars, immer auf der Suche nach neuen und guten Musiker, doch es kam mir vor, wie die Nadel im Heuhaufen. Schließlich bekam ich von einem afroamerikanischen Barkeeper einen Tipp, ich solle doch mal am Mittwochabend vorbei schauen. Im the Candlelight Club war ich bislang schon zweimal gewesen und hatte dort einen Whisky getrunken.

Am Wochenende war der Club bis auf den letzten Platz belegt und auch wenn die Musik okay war, so haute mich der Jazz nicht um. Es fehlte mir das gewisse Extra.

Ohne große Motivation kreuzte ich am Mittwoch um neun Uhr Abends auf, bestellte wie üblich an der Bar bei Toni und wunderte mich darüber, warum es so voll war.

„Ich sagte Ihnen doch, der Mittwoch ist ein Geheimtrip. Die wirklich alten Hasen wissen das und kommen unter der Woche", erzählte mir der Barmann Toni und ich setzte mich auf einem Hocker. Das Licht war herunter gedreht, nur die kleine Bühne wurde angeleuchtet und an all den kleinen Tischen saßen Menschen. Jeder Platz schien belegt zu sein.

Aus meiner Tasche kramte ich nach meinen Zigaretten, angelte nach einem Aschenbecher und hörte der fülligen Frau namens Bella Rossi Rosnni zu. Schwer füllte ihre Stimme den ganzen Raum und beweinte den Niedergang irgendwelcher Gefühle.

Nach einer halben Stunde verabschiedete sie sich und Toni füllte mein Glas neu auf, noch während die Leute höflich applaudierten, erklärte er: „Jetzt kommt der beste Teil meines Jobs."

„Ihr Sohn?", fragte ich und drückte meine Zigarette aus, dann zog ich eine Neue hervor. Toni lachte und schüttelte den Kopf: „Ich wünschte, er wäre es."

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