Kapitel 1

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Irritiert sehe ich mich in der Garage um. Offenbar ist Elaine weggefahren. Dabei habe ich ihr doch gesagt, dass sie nicht mehr alleine fahren soll. Seufzend steige ich aus meinem Auto und gehe rein. Unsere Hündin Lucy kommt angelaufen und begrüßt mich wie jeden Tag, wenn ich nach dem Training nach Hause komme. "Na, wo hast du Frauchen gelassen, hm?" Sie hechelt und rennt aufgeregt zu ihrer Leine. "Musst du raus? War Elaine denn noch nicht mit dir?" Eigentlich ist das eher untypisch. Elaine geht jeden Tag stundenlang mit Lucy spazieren. Naja, zumindest so lange wie sie Kraft hat. Im achten Monat schwanger zu sein ist nämlich alles andere als ein Klacks. Oft beklagt Elaine sich über ihren schmerzenden Rücken, ihre Füße und die Knie scheinen auch schon nicht mehr alles mitzumachen. "Na komm, dann gehen wir beide eine Runde.", sage ich zu der braunen Labradorhündin und nehme ihre rote Leine. Doch bevor ich gehe, schreibe ich meiner Frau noch einen Zettel. Nicht dass sie nach Hause kommt und sich wundert, wo ich bin. Obwohl es ja doch eigentlich offensichtlich ist, wenn der Hund samt Leine weg ist. Egal. Meine Hand greift nach meinem Handy, welches in meiner Hosentasche steckt. Kaum habe ich es herausgeholt, schreibe ich Mats, ob er Zuhause ist und mit seiner Hündin raus kommt. Dann können Coco und Lucy auf der Wiese spielen und ich hab keine Langeweile. Mats antwortet mir, dass wir uns dort treffen, woraufhin ich zufrieden lächle und mein Handy zurück in meine Hosentasche stecke.

Coco rennt bereits auf der Wiese umher, als ich sie mit Lucy erreiche. Mats sitzt auf einer Bank und hält sein Handy in der Hand. "Hey." Er sieht mich an und grinst. "Wie kommt es, dass du mal mit dem Hund raus gehst? Hat Elaine die Schnauze voll gehabt?" Ich lache und schüttle den Kopf. "Nein, also, naja, keine Ahnung. Sie ist mit dem Auto weg. Ich weiß nicht wo sie hin ist und Lucy hat schon getrampelt. Also hatte ich eigentlich keine andere Wahl, wenn ich nicht das Haus wischen will." Mats lacht und klopft mir auf die Schulter. "Dass du überhaupt mal so häuslich wirst, hätte ich im Leben nicht gedacht. Ich meine, du mit Haus, Frau, Hund und bald auch Kind? Konnte ich mir nie vorstellen." Ich ziehe eine Augenbraue hoch. "Bitte? Wieso denn das nicht?", "Das fragst du noch? Komm schon, Marco, du hast immer große Töne gespuckt, dass du dich auf keinen Fall binden willst und hast dich über uns lustig gemacht, wenn wir Dinge gesagt haben wie ich muss nach Hause, meine Frau wartet oder morgen haben wir Jahrestag oder ich werde meine Freundin fragen, ob sie mich heiraten will. Immer hast du uns verspottet und hast noch mehr gelacht, als wir daraufhin gesagt haben, dass du irgendwann auch eine Frau haben wirst." Ich verdrehe meine Augen. "Das ist doch ewig her.", "Ewig? Nicht mal zwei Jahre. Das mit dir und Elaine ging alles ziemlich schnell. Und jetzt erwartet ihr ein Kind. Wann ist es nochmal so weit?", "In vier Wochen ist Geburtstermin.", antworte ich sofort und lächle. "Siehst du. Dieses stolze Grinsen steht dir wirklich. Du wirst sicher ein guter Vater." Schmunzelnd sehe ich zu den Hunden, die gerade am toben sind. "Ich liebe Elaine einfach. Ich weiß auch nicht, es hat eben alles gepasst." Mats nickt wissend. "Man sieht euch ja an, dass ihr glücklich seid. Ich hoffe für euch beide, dass nichts zwischen euch kommt." Er klopft mir wieder auf die Schulter und lächelt. "Das hoffe ich auch. Wo ist denn Cathy?", "In Berlin. Irgendwas mit Grazia Magazin, oder so. Ich weiß nicht genau. Ganz ehrlich? Wenn sie von ihrem Modekram redet, schalte ich auf Durchzug. Aber auch nur, weil ich ganz genau weiß, dass sie auch auf Durchzug schaltet, wenn ich von Fußball rede." Ich lache laut auf. "Ihr beide nehmt euch auch nichts, eh. Cathy beschwert sich bei Elaine auch immer über dich." Mats schmunzelt. "War mir auch klar. Mich würde es wundern, wenn sie es nicht täte. Zumal ich sie manchmal echt nicht ertragen kann und sie mich genausowenig.", "Über euch kann man auch nur den Kopf schütteln." Mats nickt und sieht mich wieder an. "Aber weißt du was? Wir lieben uns trotzdem und das macht es irgendwie erträglich." Erneut muss ich laut lachen. Cathy und Mats sind einfach unverbesserlich.

Erschöpft schmeiße ich mich auf die Couch im Wohnzimmer und schalte den Fernsehen ein. Elaine ist immer noch nicht zuhause. Langsam mache ich mir irgendwie Sorgen. Lucy stellt sich vor mich und quietscht. "Was los, Große? Hunger?" Ich stehe seufzend auf und gehe in die Küche, wo ich das Futter für Lucy fertig mache. Sie sitzt neben mir und beobachtet jede einzelne meiner Bewegungen. Und als ich ihr dann endlich ihren Napf hinstelle, sieht sie mich ganz aufgeregt an und wartet, dass ich ihr erlaube zu fressen. "Na los.", lächle ich und schon steht sie auf und frisst. Eins muss ich ihr lassen: sie ist super lieb und gut erzogen. Naja, das gute Benehmen haben wir ihr ja auch beigebracht. Okay, genug Selbstlob für heute. Mein Blick fällt auf die Uhr. Es ist bereits nach acht. Wo ist Elaine? Kurzerhand nehme ich mein Handy heraus und wähle ihre Nummer. Es sieht ihr nicht ähnlich so lange wegzubleiben ohne mir vorher bescheid zu sagen. "Hier ist die Mailbox von Elaine. Gute Nachrichten nach dem Piep.", erklingt ihre zarte Stimme. Ich lege seufzend auf. Wieso hat sie ihr Handy aus? Das sieht ihr gar nicht ähnlich. Als nächstes wähle ich die Nummer ihrer Mutter. Vielleicht ist sie dort. "Hallo Marco.", begrüßt Cony mich. "Hey. Ist Elaine bei euch? Ich kann sie nicht erreichen.", "Nein, tut mir leid, sie war heute nicht bei uns. Also jetzt ist sie auch nicht hier, wollte ich damit sagen. Ist etwas passiert?" Mit meiner Hand reibe ich mir über mein Gesicht. "Nein, es ist nichts passiert. Aber sie ist seit heute Mittag mit dem Auto weg und langsam mache ich mir etwas Sorgen. Ihr Handy ist nämlich aus." Cony schnappt nach Luft. "Mit dem Auto? Sie soll doch nicht mehr fahren. Was ist, wenn sie plötzlich Wehen bekommt? Tausendmal habe ich ihr das jetzt schon gesagt." Schmunzelnd sehe ich zum Fernsehen, wo gerade die Nachrichten laufen. "Cony, warte mal kurz." Ich stelle den Ton lauter. "Mittlerweile steht fest, dass die Ehefrau von Fußballer Marco Reus ebenfalls beim Unfall schwer verletzt wurde. Momentan wird die junge, hochschwangere Frau für den Transport mit fertig gemacht. Man weiß noch nichts genaues. Ein Mann mittleren Alters und sein Sohn sind ums Leben gekommen und der Unfallverursacher wurde vor einer Minute mit dem Krankentransport weggebracht. Noch ist unklar, wie es zu dem Unfall kam." Entsetzt starre ich den Bildschirm an. "Cony, ich muss auflegen." Noch bevor sie etwas sagen kann, lege ich auf. Ich muss ins Krankenhaus. Und zwar sofort.

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