Kapitel 8

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Marco

Sie sieht mich verblüfft an. "Ähm, ich schätze schon, ja.", nickt sie zögerlich und steht auf, was jedoch ziemlich danach aussieht, als würde sie sich quälen. "Brauchst du Hilfe?", "Nein, danke.", lehnt sie ab. "Ich habe im Auto Klamotten von meiner Schwester. Ich soll die zur Kleidersammlung bringen, weil sie ihr zu klein geworden sind aber dir könnten sie passen. Deine Klamotten sind ja komplett durchnässt.", biete ich ihr an. "Das wäre lieb, danke." Sie kommt zu mir unter meinen Regenschirm und folgt mir zu meinem Auto. "Du kannst dich im Auto umziehen. Ich warte hier draußen." Sie nickt zögerlich und steigt in mein Auto. Sehr gesprächig ist sie ja nicht. Ob es so schlau von mir war sie auf einen Kaffee einzuladen? Vielleicht ist sie ja ein verrückter Fan und das alles ist nur Masche? Nein, denke ich nicht. "Fertig.", murmelt sie und steigt aus. Krass, die Klamotten sind ihr doch tatsächlich zu groß. Sie sollte dringend etwas auf sie Hüfte bekommen. Vielleicht sollten wir in ein Café und richtig frühstücken. Sie sieht aus, als hätte sie vielleicht Hunger. "Komm, lass uns etwas essen gehen. Dann kann ich mich bei dir bedanken, dass du mir meine Tochter zurück gebracht hast." Sie lächelt etwas schüchtern und kommt wieder zu mir unter den Regenschirm. "Wie heißt du denn eigentlich?", "Mein Name ist Lia.", murmelt sie. "Lia? Ist das eine Abkürzung oder dein richtiger Name?", "Eine Abkürzung. Mein richtiger Name ist Emilia. Aber nur meine Eltern nennen mich so.", "Oh, magst du deine Eltern nicht so?", "Nein, es ist nur, ich habe sie schon eine Weile lang nicht mehr gesehen." Eine Weile nicht mehr gesehen? Sie werden doch wohl nicht tot sein, oder? Gott, ich sollte lieber meine Klappe halten. "Hast du Hunger?", lenke ich vom Thema ab. "Weiß nicht so recht. Es ist mir ziemlich unangenehm, dass Sie mich einlanden. Ich habe ja nun schon Klamotten von Ihnen bekommen." Ich sehe sie überrascht an. "Du kannst mich duzen. Tut mir leid, dass ich dich einfach geduzt habe ohne zu fragen." Sie winkt ab. "Ich werde dich trotzdem einladen, Lia. Was hält du von Waffeln?" Ein kleines Lächeln zeichnet sich auf ihren blassen Lippen ab. "Das klingt okay." Grinsend sehe ich wieder nach vorne und gehe in Richtung des besten Ladens der Stadt. Niemand macht bessere Waffeln als WonderWaffel. Meiner Meinung nach zumindest.

Lia setzt sich an den Tisch, den wir uns ausgesucht haben und sieht sich um. Sie sieht so fehl am Platz aus. Ich weiß nicht wieso aber sie macht den Eindruck, als würde sie nicht oft essen gehen. Als wäre dies hier nicht die Gesellschaft, unter der sie für üblich weilt. "Was möchtest du trinken?", "Einen Tee.", flüstert sie und schlingt ihre Arme um ihren dünnen Oberkörper. Sie scheint zu frieren. "Ist dir kalt?" Sie schüttelt den Kopf. Versteh einer mal die Frauen. "Wie alt bist du, Lia?" Sie sieht mich wieder an und wird leicht rot um die Nase. "Ich bin zwanzig. Und du?", "Sechsundzwanzig.", lächle ich. Eine Kellnerin kommt an unseren Tisch und nimmt unsere Bestellungen auf. Ich hoffe Lia schmecken die Waffeln hier genauso gut wie mir. "Und wo kommst du her? Warst du schon immer in Dortmund oder bist du hergezogen?" Sie atmet tief durch. "Ich bin vor zwei Jahren hergekommen. Vorher habe ich in Rostock gelebt. Dort bin ich halt geboren." Die Kellnerin bringt uns unseren Tee und geht wieder. "Und wieso bist du hergekommen?" Lia legt ihre Hände um die heiße Tasse. Ihre Hände zittern extrem. Ist sie nervös? Oder ist ihr doch kalt? "Ich bin mit meinem Freund hergekommen. Meine Familie mochte ihn nicht sonderlich. Heute weiß ich, dass sie recht hatten." Sie hat einen Freund? Oh je. Aber was habe ich mir denn gedacht? Ich möchte eh keine neue Beziehung, oder so. Dafür hänge ich noch zu sehr an Elaine. "Was meinst du damit, dass sie recht hatten?" Sie lächelt traurig. "Dass ich ein dummes Mädchen war. Die Liebe ist eine ziemliche Hure. So etwas wie Liebe gibt es nicht. Hinter der Liebe steckt wahrscheinlich in Wahrheit der Teufel und freut sich immer wieder aufs Neue, wenn er das Herz einer weiteren Person gebrochen hat. Ich denke einfach, dass man seine Zeit nicht damit verschwenden sollte, Die Eine oder Den Einen zu finden. Es bricht einem nur das Herz." Ich lache leicht auf. "Ja, da magst du recht haben. Ich dachte eigentlich die richtige gefunden zu haben. Aber noch bevor wir wunschlos glücklich werden konnten, ist sie gestorben. Ein Autounfall." Lia verzieht traurig ihr Gesicht. "Das tut mir sehr leid. Also erziehst du Elaine ganz alleine?" Ich nicke seufzend und sehe nach draußen in den Regen. "Ihr fehlt jetzt schon eine weibliche Bezugsperson. Manchmal, wenn ich sie von der Krippe abhole, dann sieht sie immer die Mamas an, die ihre Kinder abholen. Früher oder später wird sie mich fragen, wo ihre Mama ist. Elaine ist mein ganzer Stolz. Ohne sie hätte ich das damals nach dem Tod ihrer Mutter nicht geschafft. Deswegen bin ich dir auch so dankbar, dass du sie mir zurückgebracht hast. Meine Tochter ist mein Ein und Alles.", "Du bist ein sehr guter Papa. Ich hätte auch gern ein Kind. Aber-", "Dein Freund will es nicht?" Wieder erscheint dieses Traurige Lächeln. "Nein, das ist es nicht. Aber das ist auch egal. Ich werde mir einen Job suchen. Da ich kein eigenes Kind haben kann, habe ich überlegt, mir einen Job als Kindermädchen zu suchen. Da ich keine Ausbildung habe, werden mich die Kitas nicht als Erzieherin nehmen. Von daher werde ich es so einfach bei normalen Familien versuchen. Vielleicht nimmt mich ja irgendwer. Viel Hoffnung habe ich zwar nicht, aber ein Versuch ist es wert." Sie sucht einen Job als Kindermädchen? Das ist es! "Wieso fängst du nicht bei mir an? Ich habe das Gefühl meine Familie ist schon etwas genervt davon, dass ich Elaine immer bei ihnen parken muss, wenn ich Training oder Auswärtsspiele habe. Ich schaffe Zuhause im Haushalt auch nichts. Im Grunde genommen bekomme ich rein gar nichts auf die Reihe. Wenn du willst, dann könnten wir mal versuchen, ob das funktioniert, wenn du bei mir arbeitest. Ich würde dir das natürlich auch bezahlen. Und nicht zu knapp. Ich habe ja gesehen, dass du mit Elaine klarkommst und der Zwerg vergöttert dich!" Verdattert sieht sie mich an. "Ist das dein Ernst?" Ich nicke eifrig. "Aber du kennst mich doch gar nicht. Du vertraust mir einfach dein Haus und dein Kind an?" Das ist ein Argument. Aber ich habe das Gefühl, dass ich ihr vertrauen kann. "Ich vertraue dir, Lia. Also, was sagst du?"

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