Kapitel 14

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Gerade war ich mit Elaine beim Kinderarzt und jetzt muss ich ein paar Medikamente von der Apotheke holen. Allerdings beginnt Ela plötzlich zu zappeln, weshalb ich sie runter lasse und sie sofort irgendwo hinläuft. "Elaine, bleib hier.", rufe ich ihr hinterher, doch da wird sie schon von jemandem hochgenommen. "Du musst doch auf den Papa hören.", sagt das Mädchen mit dem schwarzen Pulli zu ihr. Sie dreht sich zu mir um und seufzt. "Also verfolgst du mich doch." Ich schüttle perplex den Kopf. "Dortmund ist riesig und wir laufen uns ständig über den Weg. Meinst du nicht, dass das was zu bedeuten hat?" Sie verdreht ihre Augen. "Vergiss es, ich werde nicht bei dir arbeiten. Hat dir der Skandal gestern in den Zeitungen nicht gereicht? Ich konnte gar nicht aus dem Haus gehen, weil mich irgendwelche Pressefutzies bedrängt hätten." Ich schlucke. "Wieso ist dein Auge blau?", "Kann man sich das nicht denken?", fragt sie mit spöttischem Unterton. "Ich brauche nur ein paar Medikamente für Ela. Magst du mit zu mir kommen? Nur auf einen Kaffee.", frage ich sie. Lia presst ihre Lippen aufeinander. "Was hat Elaine?", fragt sie und sieht meine Tochter an, die sie noch immer auf dem Arm hat. "Hat sich wohl eine Grippe eingefangen. Fieber, Husten, das volle Programm.", seufze ich. "Oh.", "Lia mittomme.", sagt Ela zu ihr. "Na gut. Aber nur, weil du das möchtest." Ela beginnt zu kichern, weil Lia sie kitzelt. "Ich hole mal fix ihre Medizin."

Lia sitzt am Küchentisch und sieht meiner Tochter beim Essen zu, während ich uns einen Tee koche. Lia sieht aus, als wurde sie verprügelt. Allerdings will ich sie nicht weiter darauf ansprechen, denn ich will nichts falsches sagen. "Hast du nicht eigentlich so was wie Training?", "Doch, aber ich kann heute nicht hin. Elaine ist ja krank und aus meiner Familie kann niemand aufpassen. Abgesehen davon frage ich meine Familie nicht so gerne. Sie tun schon genug für mich.", "Ja, ich weiß was du meinst.", murmelt sie bedrückt. "Ich habe nachgedacht, weißt du. Im Prinzip habe ich gehofft, dass ich dir noch einmal über den Weg laufe. Ich möchte nicht mehr das tun, was ich bisher getan habe. Ich möchte Geld verdienen ohne mich minderwertig und dreckig zu fühlen." Ich setze mich ihr gegenüber. "Also ist das wahr, was die Presse schreibt? Du prostituierst dich.", "Ja, aber nicht freiwillig, wie du dir sicher denken kannst. Und ich habe nicht einfach in einem Puff gearbeitet, oder so, nein. Ich bin eine dreckige Straßennutte, die in der Nähe vom Bahnhof steht und wartet, dass einer sie will. Und zwar für ziemlich wenig Geld. Und es sind nicht unbedingt gepflegte Leute, die da anhalten." Ich verziehe mein Gesicht. "So sieht dein Leben aus?", "Nein, mein Leben sieht noch viel schlimmer aus, als du es dir vorstellen kannst. Aber ich hoffe, dass dich das nicht abschreckt und ich vielleicht doch noch auf Elaine aufpassen darf. Du musst mir auch nicht viel zahlen. Wirklich nicht. Nur so viel, dass ich nicht mehr zu meinem Freund muss.", "Er hat dir das angetan, oder?", frage ich und deute auf ihr demoliertes Gesicht. "Ich möchte nicht drüber reden." Verständnisvoll nicke ich. "Hast du denn überhaupt ein Dach über dem Kopf?", "Bis jetzt nicht. Aber ich werde mir eine Wohnung suchen, sobald das Geld reicht." Seufzend fahre ich mir über mein Gesicht. Ich muss zum Training und bin auf Hilfe angewiesen. Ich brauche Lia. Gerade jetzt, wo Ela krank ist. "Okay, pass auf. Du kannst hier wohnen und ich bezahle dich dafür, dass du hier den Haushalt schmeißt und auf meine Tochter aufpasst, wenn ich nicht da bin. Du hast ein Dach über dem Kopf, kannst dich hier satt essen und alles tun, was du willst. Ich habe nur ein paar Regeln, an die du dich halten musst." Lia nickt sofort. "Ich mache alles. Ich will weg von Quinn." Ihr Freund scheint schreckliches zu tun, wenn sie plötzlich doch mein Angebot annimmt. "Okay, also die erste Regel: du darfst niemanden mit herbringen. Die Sicherheit meiner Tochter ist mir wichtig und ich kann nicht riskieren, dass du sie in Gefahr bringst, indem du vielleicht irgendwelche Freunde mit herbringst, die ich nicht kenne. Zweite Regel: du darfst keine Bilder von meiner Tochter, von mir oder von meinem Haus im Internet hochladen. Dritte Regel: du nimmst keine Drogen. Ich sehe dir an, dass du high bist." Sie schluckt schwer. "Das dürfte sich schwierig gestalten.", "Wieso? Hör einfach auf was zu rauchen.", "Ich rauche nicht. Weder normale Zigaretten noch Joints." Verwirrt lege ich den Kopf schief. "Ich möchte nicht drüber reden. Ich versuch so nebenbei den Entzug zu machen. Weder du noch Elaine wird etwas davon mitbekommen. Ich tue alles, damit du mich einstellst." Entzug so nebenbei? Geht das? Ich kenne mich da ja nicht aus. "Na schön. Aber versprich mir, dass du keine Drogen mehr nehmen wirst.", halte ich ihr meine Hand hin. Sie ergreift sie. "Versprochen." Lächelnd lasse ich ihre Hand los und sehe meine Tochter an, die sich mittlerweile ihren Pudding bis an die Stirn geschmiert hat. "Wie siehst du denn aus?" Elaine ignoriert mich und isst ungestört weiter. "Wann ist denn dein Training?", "In knapp einer Stunde aber-", "Nichts aber. Du wirst hingehen. Elaine und ich machen das hier schon. Du musst mir nur fix zeigen wo ich alles finde, damit ich mich in diesem riesen Haus nicht tot suche." Ich lache auf und nicke. "Alles klar, dann zeige ich dir jetzt das Haus und dann fängst du sofort hier an. Ich vertraue dir, Lia, nutz das bitte nicht schamlos aus." Sie senkt etwas den Blick. "Ich bin weder ein guter Mensch noch bin ich eine geeignetes Vorbild für deine Tochter. Aber das kann ich ändern. Ich werde die beste Haushälterin Schrägstrich Babysitterin sein, die du je gesehen hast. Ich schwöre es.", sagt sie ehrlich. "Okay, Lia, dann hast du hier auch ein neues Zuhause gefunden. Vorausgesetzt es funktioniert auch wirklich alles.", "Ich werde mein bestes geben.", lächelt sie. Ihr Lächeln ist schön. Vielleicht mache ich hier den größten Fehler meines Lebens. Vielleicht ist das hier aber auch das beste, was mir passieren kann.

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