Kapitel 51

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Tina sitzt neben mir auf dem Sofa, ihre Beine liegen über meinen, der Fernseher läuft und meine Freundin hält ein Glas Wein in der Hand. "Ich musste heute bei meinem Chef antanzen.", seufzt sie. "Bei deinem Chef? Wieso das denn?", "Das habe ich mich auch gefragt. Ich bin dann am Nachmittag hin und habe einfach nur gehofft, dass ich nicht wegen irgendwas gefeuert werde. Ich meine, es hätte ja sein können, dass sie Personal entlassen müssen oder so.", "Und was war?", "Ich werde befördert. Zur Abteilungsleiterin.", strahlt sie mich an. "Wow, herzlichen Glückwunsch. Das freut mich wirklich sehr für dich.", "Danke. Ich werde jetzt auch deutlich mehr verdienen. Ich habe überlegt, ob ich mir dann vielleicht eine größere Wohnung suche. Allerdings..." Sie hält inne, weshalb ich sie fragend ansehe. "Ach, schon gut." Sie lächelt mich an und küsst mich keusch auf die Lippen, ehe sie sich wieder zurück lehnt und zum Fernseher sieht. "Was wolltest du denn sagen?" Sie winkt ab, doch ich lasse nicht locker. Dafür bin ich viel zu neugierig. "Sag schon!" Sie schüttelt kichernd den Kopf, weshalb ich mich auf sie stürze und sie kitzle, bis sie nach Luft schnappend nachgibt. "Okay okay! Ich sag es ja!", ergibt sie sich schwer atmend und richtet sich auf. "Naja, ich hatte gedacht, dass wir vielleicht... naja... zusammenziehen könnten, wenn ich aus meiner Wohnung eh raus will. Aber es ist noch zu früh." Überfordert mustere ich meine Freundin, die unsicher auf ihrer Lippe herumkaut. "Sei mir nicht böse, Tina, aber das ist mir wirklich noch zu früh. Wenn es weiterhin so gut zwischen uns läuft können wir da irgendwann mal drüber reden aber jetzt noch nicht.", versuche ich ihr vorsichtig zu erklären. "Hey, ganz ruhig, mach dir kein Kopf. Ich habe das doch auch nicht ernst gemeint. Ich möchte doch auch nichts überstürzen." Ich nicke erleichtert. Das wäre jetzt sonst echt unangenehm geworden.

Ich höre, wie Lia dir Treppe hinunter kommt. Leicht verrenke ich mir den Hals, um zu sehen was sie macht. Sie trägt lediglich ein zu großes T-Shirt und einen Slip. Barfuß tapst sie in die Küche und versucht dabei offensichtlich unbemerkt zu bleiben. Hat nicht ganz geklappt. "Hallo?", fragt Tina. Irritiert sehe ich sie an. "Ich habe dich was gefragt.", seufzt sie. In dem Moment erscheint Lia in der Tür und sieht uns unsicher an. "Ich äh... Also ich wollte eigentlich nur fragen wann ich morgen früh das Frühstück fertig haben soll?" Gute Frage. Da ich morgen Vormittag Training habe muss ich früh los. "Um 7?" Lia nickt und winkt uns noch kurz total verunsichert zu, ehe sie sich umdreht und die Treppe nach oben läuft. "Okay, mir reicht's.", mault Tina plötzlich und steht auf. "Was? Hey, was machst du denn jetzt?", frage ich entsetzt, als sie in den Flur geht und sich ihre Jacke schnappt. "Läuft da was zwischen euch?", "Nein!", antworte ich wahrheitsgemäß. Ich weiß nicht einmal, was diese Frage überhaupt soll! "Willst du was von ihr?", "Nein!", seufze ich genervt. Immer wieder diese Frage. "Lia arbeitet für mich und wohnt hier, weil sie meine beste Freundin ist und Ela sie braucht, weil sie sich ganz doll an Lia gewöhnt hat.", "Willst du mich für dumm verkaufen?", "Wieso denn? Lia und ich haben nichts miteinander! Wir sind nur Freunde!", "Wenn man nur befreundet ist, dann sieht man den anderen nicht so angetan an, wie du es eben getan hast. Oder so eifersüchtig und sehnsüchtig wie sie es eben getan hat! Denkt ihr beide ernsthaft ich bin bescheuert? Denkst du ich habe eben nicht gemerkt wie du sie angesehen hast?" Tränen laufen Tina über die Wangen. "Tina, Lia ist nur eine Freundin.", flüstere ich und will nach ihre Hand greifen, doch sie zeigt sie mir weg. "Fass mich nicht an, Marco! Du willst was von ihr, sei doch ehrlich!" Ich schüttle langsam den Kopf. "Lia ist meine beste Freundin. Nicht mehr und nicht weniger, Tina, das kannst du mir glauben! Wir haben nichts miteinander!" Tina schnaubt. "Sei doch wenigstens jetzt einmal ehrlich." Ich presse meine Lippen aufeinander. "Was habe ich denn davon? Wenn ich weiterhin die Wahrheit sage, dass Lia und ich nichts miteinander haben, dann gehst du, weil ich dich angeblich belüge und wenn ich dir sagen würde, dass wir was miteinander haben, dann würdest du mich ebenfalls verlassen. Kannst du mir mal bitte sagen was ich jetzt tun soll? Ich sage die Wahrheit! Lia und ich sind nur Freunde und da sind keine Gefühle! Was soll ich denn noch von mir geben, hm?", "Liebst du mich?" Was? Die Frage wirft mich komplett aus der Bahn. Liebe ich sie? Ich liebe Elaine über alles, aber liebe ich auch Tina? "Alles klar.", haucht sie erstickt und schlüpft in ihre Schuhe, ehe sie sich ihre ganzen Sachen schnapp und nach draußen zum Auto eilt. "Tina! Bitte bleib doch hier! Ich will nicht, dass du gehst!", rufe ich ihr hinterher, doch sie reagiert nicht. Lediglich ihr herzzerreißendes Schluchzen ist zu hören. Dass sie weint bricht mir das Herz. Ich will doch, dass sie bleibt. Kurz vor ihrem Auto bleibt sie noch einmal stehen. "Nur damit du es weißt: ich habe mich wirklich in dich verliebt. Und es zerstört mich, dass du diese Gefühle nicht erwiderst." Sie wischt sich ihre Tränen weg und schnieft. "Ich hoffe du bist jetzt glücklich. Du hast mir gerade mit deiner ausbleibenden Antwort das Herz gebrochen." Sie dreht sich von mir weg und steigt in ihr Auto ein, ehe sie meine Einfahrt verlässt und ich die Tür schließe. Was passiert hier gerade? Wieso passiert das? Wieso kann ich nicht einfach mal für eine kurze Weile wunschlos glücklich sein? Wieso kommt ein Tiefschlag nach dem anderen, der mich tiefer in den dunklen Abgrund zieht, aus dem ich seit Elaines Tod versuche herauszukommen?
"Marco?" Ich zucke zusammen und sehe Lia an, die mit unsicherem Blick auf der Treppe steht und mich besorgt mustert. "Ist alles okay?", fragt sie mich. "Ich weiß nicht.", sage ich leise und setze mich auf die zweite Treppenstufe von unten. Lia setzt sich neben mich. "Hat sie recht mit dem, was sie gesagt hat?", "Was genau?", frage ich monoton. "Das mit den Blicken und so.", murmelt sie beschämt. Blicke, Liebe, Gefühle. Alles Bullshit! "Nein, Lia, sie hat nicht recht.", antworte ich kühl und stehe auf. "Entschuldige mich bitte aber ich werde jetzt schlafen gehen.", füge ich noch kalt hinzu, ehe ich nach oben gehe. So viel zum Thema Frauen. Ich hätte nie wieder eine in mein Leben lassen sollen. Weder Lia noch Tina.

Take My HandWhere stories live. Discover now