Kapitel 69

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Lia

"So, Frau Leopold, Sie wissen ja bereits, weshalb Sie hier sind. Ich rate Ihnen die Wahrheit zu sagen, denn eine Falschaussage kann ebenfalls mit einer Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr bestraft werden. Also, Frau Leopold, wo waren Sie am 21.12. gegen zwölf Uhr?" Ich knete meine verschwitzten Hände und senke den Blick. "Ich war in der Stadt, da die Tochter meines Freundes zu der Zeit ihren Mittagsschlaf gehalten hat und ich sie nicht stören wollte. Ich habe die Zeit genutzt, um ein paar Dinge für Weihnachten zu erledigen. Und nein, das kann niemand bezeugen. Ich war allein unterwegs, da Marco bei Freunden war, um Zeit für sich zu haben.", antworte ich. "In der Stadt. Und was waren das für Erledigungen?", fragt Herr Meyer mich skeptisch. "Ich habe Weihnachtsgeschenke für meine Eltern und für Marco besorgt." Der Beamte nickt und lehnt sich zurück. "In welchem Verhältnis standen Sie zu Quinn Schulz?", "Er ist mein Ex Freund.", "Wieso Ex?" Ich schlinge meine Arme um meinen Körper und beginne zu frieren. "Ich habe ihn verlassen.", "Wieso?", hakt mein Gegenüber weiter nach? "Er hat mich schlecht behandelt.", "Inwiefern?" Wieso fragt er das? Wieso kann er mich nicht einfach gehen lassen? Tränen laufen mir über die Wangen. "Am Anfang war alles perfekt. Ich war so in ihn verliebt. Meine Eltern wollten, dass er sich vom mir fernhält und ich mich von ihm. Aber ich war jung und habe gegen meine Eltern rebelliert. Ich bin mit Quinn hierher nach Dortmund gegangen und habe den Kontakt zu meinen Eltern und allen meinen Freunden abgebrochen. Die erste Zeit war alles toll. Aber dann wurde es von Tag zu Tag schlimmer. Er hat mich geschlagen, mich missbraucht und auf den Strich geschickt. Wegen ihm wurde ich heroinabhängig und musste vor kurzem einen harten Entzug durchstehen. Aber ich habe es geschafft. Ich habe die letzten zwei Jahre überlebt. Und das nur wegen Marco. Er hat mich ermutigt vor Quinn zu fliehen." Ich wische mir über die Augen. "Am Tatort waren viele Spuren von Ihnen. Haare, Fingerabdrücke.", "Das wundert mich nicht. Quinn hielt nie viel davon seine Wohnung zu putzen. Ich habe immerhin zwei Jahre lang dort gelebt. Natürlich sind Haare und Fingerabdrücke von mir dort zu finden. Aber das heißt doch nicht, dass ich Quinn ermordet habe. Ich war einfach froh ihn nie wieder sehen zu müssen. Wieso sollte ich ihn nach einem halben Jahr töten? Hätte ich ihm so etwas antun wollen, dann hätte ich es doch damals getan und nicht heute. Wieso soll ich das gewesen sein?" Wieder laufen mir Tränen über die Wangen. "Ein Zeuge hat berichtet, dass er Sie an dem Tag bei Herrn Schulz gesehen hat.", "Aber ich war nicht dort.", "Können Sie denn beweisen, dass sie vor fünf Tagen um diese Uhrzeit woanders als bei der Wohnung ihres Exfreundes waren?", "Nein, naja das heißt doch... Ich habe noch die Kassenzettel, falls das ein Beweis wäre?" Herr Meyer nickt. Ein anderer Polizist kommt mit meiner Handtasche in den Raum und reicht sie mir. Sofort krame ich nach meinem Portemonnaie und suche die Kassenzettel heraus. Gerade will ich sie Herrn Meyer überreichen, als die Tür erneut aufgeht. "Meine Mandantin wird keine weiteren Auskünfte geben. Ich möchte bitte allein mit ihr reden." Ich sehe den Mann schräg an. "Wer sind Sie?", "Marco hat mich gebeten Sie zu vertreten, Frau Leopold.", "Das wird wohl nicht nötig sein.", murmelt Herr Meyer und sieht sich die Kassenzettel an. "Ihre Mandantin scheint ein Alibi zu haben." Er blickt von den Zetteln hoch. "Sie können gehen.", "Wirklich?" Er nickt. "Aber ich möchte, dass sie erreichbar bleiben, falls wir nochmal eine Aussage von Ihnen brauchen." Ich nicke sofort und wische erneut meine Tränen weg. "Kommen Sie." Der Anwalt legt mir seine Hand in den Rücken und begleitet mich nach draußen, wo Marco sitzt und hochsieht, als er uns bemerkt. "Und?" Er steht auf und sieht mich an. "Ich konnte beweisen, dass ich zur Tatzeit in der Stadt einkaufen war." Er seufzt erleichtert und zieht mich in seine Arme. "Gott, du hast mir so einen riesen Schrecken eingejagt. Tu das nie wieder.", "Versprochen.", erwidere ich und lege meine Arme um seine Mitte. "Lass uns nach Hause fahren." Ich nicke und nehme mir Marcos Hand, da ich nicht in der Lage bin allein zu gehen. "Danke, dass Sie gekommen sind.", sagt Marco zu dem Anwalt, dessen Name ich noch nicht einmal kenne. "Nicht dafür. Gott sei Dank konnten Sie Ihre Unschuld selbst beweisen." Er nickt mir lächelnd zu, ehe er geht. "Du hast ihn angerufen?", "Ja, ich wollte verhindern, dass die dich da drin fertig machen.", erwidert Marco und öffnet sein Auto. "Es tut mir leid, dass du das mitbekommen hast. Aber ich bin wirklich unschuldig.", "Daran habe ich keine Sekunde gezweifelt, Lia. Denkst du wirklich, dass ich dir eine solche Tat zutraue? Ich weiß, dass du unschuldig bist. Und selbst wenn du es nicht wärst, hätte ich dir deine Tat nicht einmal übel nehmen können. Das was du wegen ihm durchmachen musstest, hast du nicht verdient." Marco schnallt sich an und fährt los. "Danke, dass du zu mir hälst." Er ergreift meine Hand und führt sie an seine Lippen. "Dafür musst du mir nicht danken, Lia." Er küsst meine Hand leicht und lächelt. "Es ist jetzt zwölf. Ich könnte meine Großeltern anrufen und bescheid sagen, dass wir es doch noch schaffen." Ich nicke sofort. "Deine arme Oma hat sicher den ganzen Vormittag in der Küche gestanden." Er drückt ein paar Knöpfe am Lenkrad und schon hallt das Klingeln durch das Auto. Marcos Mutter geht an ihr Handy und ihr Sohn erklärt ihr, dass wir gleich da sein werden. Sie gibt es sofort weiter, woraufhin man im Hintergrund hört, wie seine Oma sich freut. Schmunzelnd sehe ich aus dem Fenster und beobachte die vorbeiziehenden Häuser und Straßen. Erst jetzt wird mir klar, was heute geschehen ist. Quinn ist tot und das durch die Hand eines anderen. Jemand hat ihn ermordet. Es könnte jeder gewesen sein. Quinn hatte so viele Feinde. Mit seinem Boss hatte er doch ständig Stress und die ganzen Junkies, die er alle beschissen hat, sind auch nicht alle harmlos. Es war nur eine Frage der Zeit, bis ihm jemand das Leben nimmt. Doch dass nun ausgerechnet ich das gewesen sein soll, will mir beim besten Willen nicht einleuchten. Die Frage ist letztendlich: wer will mich an diesem Tag bei Quinn gesehen haben?

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Frohe Ostern (:

Take My HandWhere stories live. Discover now