Der Hogwarts-Brief

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Es war ein angenehmer Sommernachmittag und ich spielte mit meiner kleinen Schwester Mary im Garten verstecken.
Meine andere kleine Schwester Ann half währenddessen John, dem ältesten von uns, das Essen vorzubereiten.
Für uns war das ein völlig normaler Sommertag, denn unsere Eltern waren nur selten da - sie waren die meiste Zeit im Ausland - weil sie im Auftrag des Zaubereiministeriums Verhandlungen bezüglich internationaler Zaubererangelegenheiten führen mussten. Aus diesem Grund kümmerte sich auch hauptsächlich der 20-jährige John um uns, aber ich versuche, ihm so viel Arbeit wie nur möglich abzunehmen.

Plötzlich flog ein Vogel auf unser Haus zu. Als er näher kam, sah ich, dass es eine Eule sein musste. Sie hatte einen Brief in ihren Krallen, den sie schließlich vor meine Füße fallen ließ. Erstaunt hob ich ihn auf. Ich musste gar nicht erst auf den Umschlag sehen, um zu wissen, dass er nicht von meinen Eltern sein konnte, da sie immer an uns alle schrieben und John als Empfänger angaben.
Als ich mir das rote Wachssiegel etwas genauer ansah, konnte ich es kaum fassen: Ich durfte tatsächlich nach Hogwarts gehen, der besten Zauberschule weit und breit!

Doch dann wurde ich von Mary aus meinen Gedanken in die Realität zurückgeholt:
"Hey, ich dachte, wir spielen Verstecken, aber du suchst ja gar nicht!"
"Oh, es tut mir leid, Mary, aber sieh doch mal."
Ich zeigte ihr den Hogwarts-Brief.
"Heißt das, wir werden nicht mehr zusammen spielen können?", fragte sie weinerlich.
"Nein, nein, Schwesterherz. Natürlich nicht, das verspreche ich dir. Ich habe gehört, dass man in den Ferien nach Hause fahren kann und das werde ich auch tun. Dann können wir immer zusammen spielen."
"Und was ist dann mit John?"
"Naja... Wie wäre es denn, wenn du ihm auch mal etwas helfen würdest? Das würde ihn sicher sehr freuen."
"Mh, na gut. Du, denkst du, das Essen ist schon fertig? Ich habe gerade einen Bärenhunger."
Wie aufs Stichwort knurrte ihr Magen.
"Dann lass uns doch reingehen und nachfragen."
Gesagt, getan.

Im Haus roch es wunderbar nach Pfannkuchen, meinem Leibgericht, und die letzten Teller schwebten auf den Tisch zu.
"Hey, John."
"Ah, ihr kommt wie gerufen, das Essen ist gleich fertig. Ach, Liz, war die Eule vorhin für dich?"
"Achso, ja, die war für mich. Deswegen wollte ich auch noch kurz mit dir reden. Aber setzen wir uns doch erstmal zu den Kleinen an den Tisch, ich habe echt Kohldampf."

(Beim Essen)
"Also, John. Wegen der Eule vorhin... Sie hat mir einen Brief überbracht, in dem es heißt, ich könne auf die Hogwartsschule für Hexerei und Zauberei gehen."
"Ah, Hogwarts. Da war ich auch eine Zeit lang, aber als ich dann meine ZAGs hatte und die Schule verlassen durfte, ging ich ab, um Mutter und Vater zu helfen und später dann, um für euch zu sorgen."

"Wow, davon wusste ich ja gar nichts. Wie war es denn dort so? Und was sind ZAGs?"
"ZAGs sind Zauberergrade. Dann gibt es noch den 'UTZ', das steht für 'unheimlich toller Zauberer'. Aber die kann man erst im siebten und letzten Schuljahr machen, die ZAGs dagegen schon im fünften.
An sich ist es echt toll auf Hogwarts. Man wird dort zuerst in eines von vier Häusern eingeteilt: Besonders Mutige kommen nach Gryffindor, einem Haus mit einem goldenen Löwen auf rotem Grund als Wappen. Sehr Loyale kommen für gewöhnlich nach Hufflepuff, einem Haus mit einem schwarzen Dachs als Wappentier. Ich selbst war auch in Hufflepuff. Außerdem gibt es da noch Ravenclaw, ein Haus für sehr kluge Köpfe. Und zu guter Letzt: Slytherin, ein Haus mit einer Schlange zum Wappentier. Dort soll man angeblich echte Freunde finden können. Das hat für mich nur trotzdem nicht gerade dazu beigetragen, das Haus und seine Mitglieder sympathischer wirken zu lassen.
Um die Frage aus dem Raum zu schaffen - ja, du darfst nach Hogwarts. Ich habe mir schon gedacht, dass du irgendwann diesen Sommer deine Einladung bekommen wirst, also habe ich Mutter und Vater bereits gefragt. Ich könnte schon morgen früh deine benötigten Sachen besorgen."
"Aber... Aber wie... Wie willst du das anstellen? Und woher sollen wir denn das alles herbekommen?"
"Lass das mal meine Sorge sein", sagte mein Bruder nur mit einem verschmitzten Lächeln.

Am Abend konnte ich kaum einschlafen. Tausende Fragen schossen mir durch den Kopf: Wie und wo sollten wir meine Schulsachen herbekommen? Wie ist es so auf Hogwarts oder generell auf einer Zauberschule?
Ich und meine Geschwister waren bislang nur auf einer Muggelschule gewesen, um dort Rechnen, Lesen und Schreiben zu lernen, beziehungsweise, in meinem Fall, gelernt zu haben.
Und wie sollte ich zu diesem Gleis neundreiviertel kommen?

Irgendwann schaffte ich es dann doch, endlich einzuschlafen.

Die Unbekannte im Fall Newt Scamander, Artikel 3AWhere stories live. Discover now