Bekannschaft mit dem Macusa

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Newt folgte mir und auf dessen Aufforderung hin tat Jakob es ihm gleich, wobei er ziemlich durch den Wind zu sein schien. Der Besitzer des Koffers führte ihn zum Gehege des Erumpents, während ich weiter an meinem Heiltrank gegen Drachenpocken arbeiten wollte. Es gab zwar bereits ein Heilmittel, jedoch war dies extrem schwierig zu brauen, ganz zu schweigen von den Zutaten, die man aus den tiefsten Winkeln der ganzen Welt gewissenhaft zusammensuchen musste. Da musste es doch auch  einen einfacheren Weg geben, denn Drachenpocken waren nicht gerade dafür bekannt, sonderlich harmlos zu sein - auch für die Tierwesen nicht - und wenn ich gerade schon nichts zu tun hatte, dann konnte ich doch genauso gut mein Wissen über Pflanzen und meine Schulkenntnisse im Brauen von Zaubertränken nutzen, um etwas für das Gemeinwohl zu tun und nach einem alternativen Heiltrank zu forschen.
Also setzte ich mich an meinen Tisch unter der Leiter und sah nach, ob der Trank, den ich letztlich ausprobiert hatte, mir vielleicht endlich ein Ergebnis eingebracht hatte, doch Fehlanzeige. Wieder schwamm nur eine schwarze, schleimige Brühe im Kessel herum. Ein wenig niedergeschlagen von meinem erneuten Misserfolg wollte ich gerade den Kessel schließen, als ich hörte, wie der Deckel des Koffers geschlossen wurde und beide Kofferschlösser einrasteten.
Verdammt! Das war gar nicht gut, denn aus dem Koffer konnten wir nicht apparieren, das gehörte zu einer der Schutzmaßnahmen wegen der Tierwesen, da diese sonst mit Leichtigkeit abhauen könnten.
Ich musste sofort Newt davon berichten, damit wir gemeinsam nach einer Lösung suchen konnten. Also lief ich schnell auf die andere Tür zu und öffnete diese, woraufhin mir Frank, der Donnervogel, freudig entgegen kreischte.
"Ich freue mich auch, dich zu sehen, Frank, aber jetzt ist gerade leider ein schlechter Zeitpunkt. Weißt du, wo Newt gerade ist?", wollte ich wissen. Daraufhin flog Frank hoch in die Luft und ließ ein lautes Kreischen ertönen. Das war quasi sein Notfallsignal, wenn er Gefahr spürte. Nur, dass er gerade kein Gewitter verursachte. Anscheinend dachte er, dass die Situation momentan noch nicht sonderlich schlimm war.
Doch da kam Newt auch schon, mit einem nach Luft japsenden Jakob Kowalski im Schlepptau. Sein Blick fiel zuerst auf Frank, dann auf mich. "Was ist passiert?", fragte er alarmiert.
"Jemand hat den Koffer verschlossen", antwortete ich kurz. Das Entsetzen in Newts Gesicht war nicht zu übersehen. Er schien kurz nachzudenken, als er Frank ansah und seine Gesichtszüge sich wieder etwas entspannten:
"Frank scheint aber nicht zu denken, dass das ernsthafte Gefahr bedeutet. Mit Sicherheit wird der Koffer bald wieder geöffnet werden."
Ich nickte, allerdings beruhigte mich das trotzdem nicht sonderlich. Ich mochte es ganz und gar nicht, eingesperrt zu sein, und da änderte auch Newts Anwesenheit nichts dran.
"Bleibt nur abzuwarten, wann der Koffer geöffnet wird", meinte ich mit Skepsis in meiner Stimme. Vielleicht mussten wir ja bis zum Sanktnimmerleinstag hier verbringen. An und für sich war das ja nichts Schlimmes, schließlich konnten die Tierwesen uns Gesellschaft leisten, jedoch brauchten sie täglich ihr Futter, das uns auch irgendwann ausgehen würde.

Während wir also abwarteten, setzte ich mich wieder vor meinen Heiltrank, doch ich war zu abgelenkt, als dass ich mich jetzt wirklich darauf konzentrieren konnte. Ich überlegte stattdessen fieberhaft, wer den Koffer verschlossen haben könnte. Heute Nacht war hier im Park - bis auf uns - keine Menschenseele zu sehen gewesen, also war es bestimmt eine Person, die irgendwie herausgefunden haben musste, dass wir hier waren. Ich wusste nicht wieso, doch irgendwie kam mir Porpentina in den Sinn. Queenie hätte uns niemals eingeschlossen, sie wäre vielmehr selbst in den Koffer gekommen, da sie das alles hier so verblüffend und aufregend fand, von Jakob mal ganz abgesehen. Aber ihre Schwester war so erpicht darauf, dass Newt und Jakob in ihrem Gewahrsam blieben, dass sie ganz sicher nicht begeistert war, sollte sie entdeckt haben, dass die beiden nicht mehr in ihren Betten lagen. Vielleicht war sie es sogar wirklich gewesen, doch vielleicht dachte sie ja, dass wenigstens ich noch bei Queenie war.
Aber bevor ich mir weitere Gedanken machen konnte, hörte ich das Klicken der Kofferschnallen,  die gerade wieder geöffnet wurden, und ich holte schnell Newt und Jakob. Sicher sollten die beiden herauskommen, als auch schon jemand an den Deckel des Koffers klopfte und ich ihnen bedeutete, nach oben zu gehen. Sollte ich ebenfalls herauskommen, würde man mich sicherlich noch rufen. Aber ich wusste ja nicht, ob und wann die zwei zurückkommen würden, also blieb ich der Geschöpfe wegen sicherheitshalber erst einmal im Koffer, der nun von Newt verschlossen wurde, sodass ich aber dennoch lauschen konnte, was jetzt geschah.
"Theseus Scamander, der Kriegsheld?", hörte ich einen Mann mit eindeutig indischem Akzent sagen.
"Nein, das ist doch sein kleiner Bruder", klärte ihn ein anderer Mann auf, "und was machen Sie hier in New York?", wollte er von Newt wissen. Natürlich versuchte dieser, ihn mit der Ausrede abzuspeisen, er wolle ein "Geschenk" für jemanden besorgen, doch das nahm der Mann ihm nicht ab und fragte nach, was er denn wirklich in New York tat, als eine Frau zu sprechen anfing:
"Goldstein, wer ist das?"
"Das ist Jakob Kowalski, Frau Präsidentin. Er ist ein No-Maj und er wurde von einer der Kreaturen von Mr Scamander gebissen", erklärte Porpentina kleinlaut. Ganz offensichtlich hatte sie uns und den Koffer zum Macusa gebracht. Wenn das mal gut ausgehen würde.
Man hörte viele Stimmen murmeln, man solle ihn doch obliviieren, bis Newt ein erstaunt, aber auch schockiert klingendes "beim Barte des Merlin" entwich, woraufhin alle anderen augenblicklich verstummten:
"Sie wissen, welche ihrer Kreaturen dafür verantwortlich war, Mr Scamander?", fragte wieder eine andere Frau. Scheinbar ging es gerade um irgendetwas sehr Wichtiges, bevor Porpentina vermutlich hereingeplatzt war.
Nach einer kurzen Weile sagte Newt wieder: "Das war keine Kreatur. Nein, ganz sicher nicht. Diese Male... Das war ein Obscurus."
Wieder allgemeines Gemurmel des Entsetzens. Da fiel mir ein, dass ich vor lauter Aufregung total vergessen hatte, Newt von dem zu erzählen, was ich gesehen hatte. Dabei war so etwas doch von so großer Priorität, wie konnte ich das bloß vergessen? Schließlich war ein Muggel vor gerade mal wenigen Stunden getötet worden. Und der hatte ja auch noch für das Amt des Präsidenten von Amerika kandidiert.
"Sie gehen zu weit, Mr Scamander. Es gibt kein Obscurial in Amerika." Sie machte eine kurze Pause, bevor die Präsidentin des Macusa, Seraphina Picquery, weitersprach: "Beschlagnahmen Sie diesen Koffer, Graves." Offensichtlich tat dieser Graves, wie ihm befohlen wurde, denn ich spürte plötzlich einen Ruck, der durch den Koffer ging.
"Nehmen Sie sie in Gewahrsam." Ich hörte, wie Newt sich dagegen wehrte, denn er liebte seine Tierwersen einfach. Und auch ich hoffte, dass ich ihn so bald wie möglich wiedersehen würde.

Ich merkte, wie jemand, vermutlich dieser Graves, den Koffer anhob und wie Newt versuchte, die Anwesenden davon zu überzeugen, dass nichts in diesem Koffer gefährlich war und sie die Tierwesen auf keinen Fall verletzten sollten, doch von den Leuten des Macusa kam keine Antwort. Ich wusste genau, dass Newt, auch wenn er wusste, dass ich noch da war, es sich niemals verzeihen könnte, wenn den Tierwesen auch nur ein Haar gekrümmt würde, genauso wie ich wusste, dass keiner von uns beiden es schaffen würde, längere Zeit alleine auf alle Tierwesen aufzupassen, selbst wenn wir unser Bestes gaben.
Ich konnte bloß hoffen, dass die Leute beim Macusa den Koffer nur nach gefährlichen Wesen, vielleicht ja auch einem Obscurial, durchsuchen würden. Zwar würden sie den Obscurus höchstwahrscheinlich finden, aber daran konnte ich nun wirklich nichts ändern. Allerdings könnte ich die Tierwesen, die der Macusa wahrscheinlich sogar gerechtfertigt als Gefahr einstufen würde, mit einem Desillusionierungszauber belegen, sodass zum Beispiel die Grabhörner nicht gestört würden. Und selbstverständlich würde ich dann auch die Gelegenheit nutzen, um aus dem Koffer zu kommen, denn Frank schien, wie ich durch die Holztür kaum überhören konnte, nun deutlich Gefahr zu wittern.

Die Unbekannte im Fall Newt Scamander, Artikel 3AWhere stories live. Discover now