Mama Dougal

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Wir apparierten diesmal sofort an den Ort, den uns der Fiesling von Kobold genannt hatte, denn als ich mich umsah, erblickte ich an einem der Gebäude ein von dem Licht der Straßenlaternen beleuchtetes Schild mit der Aufschrift 'Macys Department Store'. Es hing direkt übe dem Eingang, auf welchen wir alle im nächsten Moment auch schon zustürmten.
"Hey, seht mal, da links im Schaufenster!", rief Jakob und zeigte auf den rechten Arm eines Mannequins, welches ein goldenes Glitzerkleid und am Arm eine violette Lederhandtasche trug, die jedoch von dem Arm der Puppe zu rutschen schien. Allerdings fiel uns dann auch auf, dass die Tasche wohl von etwas heruntergenommen und nun weggetragen wurde, da sie nicht zu Boden fiel.
"Dougal!", erkannten Newt und ich gleichzeitig und sofort öffnete Tina mit einem Alohomora die Tür des Geschäfts .
"Bevor wir reingehen, seid bitte darauf bedacht, leise zu sein und haltet euch im Hintergrund. Wir dürfen Dougal oder das Occamy auf keinen Fall verschrecken", wies Newt an und eilig schlichen wir uns hinein.

Das Geschäft war entsprechend der Jahreszeit komplett weihnachtlich eingerichtet und hier und da standen festlich geschmückte Weihnachtsbäume, die bei weitem nicht an die meterhohen Decken herankamen, durch die ich mir ziemlich winzig vorkam.
Als wir die Tasche sahen, die sich entsprechend der tapsigen Schritte von Dougal hin- und herbewegte, versteckten wir uns hinter einem Weihnachtsmann und einem schneebedeckten Tannenbaum aus Kunststoff und einem der vielen Tische, auf denen lauter Zuckerstangen und Geschenke lagen.
"Ein Demiguise ist grundsätzlich friedlich, aber sie können etwas unruhig werden, wenn man sie erschreckt."
Als Tina und Jakob sich fragend, was genau Newt damit meinen könnte, weitergingen, hörten wir ein Kreischen.
"War das der Demiguise?", fragte Porpentina, während Dougal einige der zu Dekorationszwecken ausgelegten Süßigkeiten in das Handtäschchen packte, das er sich von der Schaufensterpuppe am Eingang heruntergenommen hatte.
"Nein, aber vermutlich ist das der Grund, warum der Demiguise hier ist", meinte Newt und spielte damit auf das Occamy an, bevor er und ich, gefolgt von Porpentina, Dougal hinterherliefen, der sich mittlerweile auf den Weg zum Occamy gemacht hatte.
Kurz vor einer Tür, hinter der sich eine Treppe befand, blieb das affenähnliche  Wesen stehe und drehte sich kurz um, um uns einen kurzen Blick zuzuwerfen, bevor es sich umdrehte und mitsamt dem Handtäschchen die Treppe hinaufsprang. Natürlich folgten wir ihm und konnten daher beobachten, wie er oben angekommen nach einigen Schritten stehenblieb und in der kleinen Tasche herumkramte.
"Was macht er da?", fragte Porpentina, während Newt mit dem Koffer in seiner Hand in möglichst unvorhersehbaren Schritten von hinten auf Dougal zuging.
"Er babysittet", meinte ich bloß.
"Was haben Sie gesagt?", kam es ungläubig von der Amerikanerin, die jedoch von Newt und mir ignoriert wurde.
Ich blickte kurz nach hinten, um mich zu vergewissern, dass Queenie und Jakob wieder zu uns gestoßen waren. Ich nickte ihnen kurz zu, um ihnen zu bedeuten, immernoch vorsichtig zu sein, während Newt langsam seinen Koffer neben dem Demiguise abstellte, welcher den Vorgang ein wenig erwartungsvoll zu beobachten schien.
Dann war ein Rascheln zu hören: das riesengroße Occamy, das es sich wohl auf den Balken über uns gemütlich gemacht hatte, sodass wir es in der Dunkelheit erst nicht erkennen konnten.
"Er hat darauf aufgepasst?", meinte Porpentina wieder erstaunt.
Das große Tierwesen begab sich langsam zu uns hinunter und streckte seinen Kopf nach Dougal aus, damit dieser es füttern konnte, wobei es seinen Blick für keine Sekunde von uns abließ.
"Occamys sind coranaptyktisch", erklärte ich, "sie wachsen auf die Größe des  ihnen verfügbaren Platzes an."
Als das Tierwesen seinen Kopf zu Newt ausstreckte und dieser es mit einem "Mama ist da", ruhig zu halten versuchte, hörte ich, wie Dougal einen Laut von sich gab und seine Augen blau wurden. Das hatte zu bedeuten, dass er irgendetwas voraussehen musste. Mein animalischer Instinkt sagte mir außerdem3, dass er nichts Gutes sah, weswegen ich mich fast schon reflexartig in meine Animagusgestalt begab - und keine Sekunde zu früh, denn ich bemerkte nur noch, wie Queenie in ihrer Faszination ein paar Schritte auf das Occamy zulaufen wollte, doch als ihr Fuß gegen eine herumliegende Christbaumkugel stieß und diese ins Rollen und damit auch zum klingeln brachte, was das Occamy erschreckte und für Chaos sorgte:
Das schlangenähnliche Wesen krächzte laut und schüttelte seinen oberen Hals und den Kopf hin und her, Dougal rannte nach hinten und sprang auf Jakobs Schultern, Newt versuchte, das Occamy irgendwie zu beruhigen, doch es kannte kein Halten mehr. Es wandte sich umher, dabei wurde mein bester Freund von einem der Flügel des Tierwesens mitgerissen, Tina floh währenddessen von dem Regal neben ihr, das nur wenige Augenblicke später vom Occamy umgestoßen wurde.
"Wie brauchen ein Insekt!", rief Newt, während ich mich beeilte, nach oben in Richtung Dach zu fliegen, um mich einerseits in Sicherheit zu bringen, andererseits aber auch, um mir einen besseren Überblick zu beschaffen. Zudem hatte ich gerade in meiner Eulengestalt sehr gute Augen - und auch noch bessere Ohren -, wodurch ich auch aus der Entfernung noch mögliche Insekten am Boden sehen konnte.
"Wir brauchen irgendein Insekt und eine Teekanne", meinte Newt. Naja, "Gefäß" hätte gereicht, aber "Teekanne" musste dem Briten wohl schneller eingefallen sein.
"Findet eine Teekanne!", wiederholte er sich, während ich gerade zum Anflug auf eine Schabe, die irgendwo in dem Durcheinander am Boden vor Jakob wegkrabbelte, ansetzte.
Das Occamy windete sich weiter panisch in alle Richtungen und zerstörte dabei sogar das Dach des Gebäudes, jedoch konnte ich nur wenige Augenblick später die Schabe, hinter der mittlerweile Jakob und Queenie zusammen her waren, mit meinen Krallen einfangen und kreischte danach laut auf, sodass alle der anderen mich bemerkten.
"Teekanne!", schrie Tina ebenfalls so laut wie möglich und streckte die Hand mit dem Porzellangefäß aus.
Ich flog mit der Schabe vor den Augen des Occamys umher, sodass es sich langsam wieder beruhigte und das Insekt in meinen Krallen schließlich mit seinem Blick fixierte. Da Jakob drohte, von dem riesigen Tierwesen, das ihn an eine Wand drückte, zerquetscht zu werden - Dougal machte sich nämlich auch schon wieder unsichtbar -, beeilte ich mich, zu Tina zu fliegen und ließ das Insekt dabei genau in die Teekanne fallen. Ich landete entspannt auf dem Boden und verwandelte mich zurück, um gerade noch zu sehen, wie das schrumpfende Occamy in der Kanne verschwand und Newt schnell einen Deckel, den er sich irgendwo hergeholt hatte, auf die Kanne legte, damit das Tierwesen nicht schon wieder ausbrechen konnte. 
"Coranaptyktisch. Sie schrumpfen auch, um sich an den verfügbaren Platz anzupassen", erklärte Newt, während ich gerade noch hören konnte, wie das Insekt in der Teekanne genüsslich verspeist wurde.
"Sagen Sie mir die Wahrheit", fing Porpentina an, "war das alles, was aus Ihrem Koffer entflohen ist?"
"Das war alles", antwortete Newt ihr, "und das ist die Wahrheit", obwohl das ja genau genommen eine Lüge war, denn eigentlich gab es da ja noch den Billywig, den er ihr jedoch verschwieg.
Daraufhin ging ich zu Newts Koffer und öffnete diesen, damit die anderen Dougal und das Occamy hineinbringen und versorgen konnten.

Die Unbekannte im Fall Newt Scamander, Artikel 3AWhere stories live. Discover now