Kapitel 5

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Ich sehe mir die Ultraschallbilder in meinen Händen an. Ich weiß nicht was ich fühlen, denken oder sagen soll. Die Tatsache das es ein Junge ist....macht die Sache etwas bitter. Denn die Wahrscheinlichkeit das dieses Kind Diyar ähneln wird, liegt nun bei hundert Prozent. Bei einem  Mädchen wiederum hätte ich noch die Chance gehabt, das es eventuell mir ähneln würde. Doch dem ist nicht so und wieder einmal wird mir bewusst wie verbittert mein Schicksal ist. „Wie lange willst du noch auf diese Bilder starren?" Ich drehe mich zu Demir welcher gerade am Steuer sitzt. Mit nur einer Hand hält er das Lenkrad fest während die andere auf der Mittelarmlehne ruht. Ich bemustere unbeabsichtigt sein Seitenprofil und denke über seine Worte nach. „Lass mich einfach in Ruhe.", sage ich und er dreht sich plötzlich zu mir. „Gehts noch? Schau nach vorne!", rufe ich zornig doch er tut es nicht und sieht mir demonstrativ in die Augen. „Du sollst nach vorne schauen verdammt!" Er richtet seine Blicke nach paar Sekunden zurück zur Straße und ich atme damit erleichtert aus. Wir befinden uns auf der scheiß Autobahn! Was soll dieses Risiko? Wenn er sterben will, nur zu! Aber ohne mich! Dieser kranke Psychopath! Ich schüttle wütend den Kopf und stecke die Ultraschallbilder in meine Handtasche. Es ist ein Junge. Dieses Kind könnte das Ebenbild von Diyar werden. Es könnte seine Augen, seine Lippen oder seine Gesichtszüge haben...
Er könnte seine Verhaltensweise oder seinen Charakter aufzeigen.
Er könnte sogar seine Gewohnheiten besitzen. Wieso mache ich mich eigentlich so verrückt? Durch meinen ganzen Gedankenfluss habe ich nichtmal bemerkt das Demir angehalten hat. Als ich aus dem Fenster sehe fällt mir auf das wir nicht vor seinem Haus stehen sondern vor einem Restaurant. Verwirrt ziehe ich die Augenbrauen zusammen und drehe mich zu Demir welcher dabei ist auszusteigen. Moment mal, wieso sind wir hier? Er schließt seine Tür zu, kommt nun auf meine Seite und öffnet meine Tür. Verwirrt schaue ich ihm in die Augen und versuche diese Situation gerade zu verstehen.
„Steig aus.", befiehlt er mit seiner harschen Stimme. „Wieso sind wir hier? Ich will nach Hause.", widerspreche ich ihm und verschränke stur meine Arme vor der Brust. „Steig aus Ünal." Wie er immer meinen Namen betont.
„Ich möchte nach Hause!" Plötzlich beugt er sich runter zu mir und schnallt mich ab. „Was soll das verdammt?!", zische ich und will ihn gerade von mir schubsen da hat er sich bereits zurückgezogen. „Du musst was essen." Ich atme wütend aus. „Ich erinnere mich nicht daran gesagt zu haben, das ich Hunger habe und ich möchte hier nichts essen! Außerdem bereitet mir Rita aufgrund meiner Religion-"
Er knallt die Autotür plötzlich unerwartet wieder zu, wobei ich vor Schreck zusammengezuckt bin. Er ist wirklich unerträglich! Ich beobachte wie er nun ins Restaurant läuft und als ich ihn nicht mehr im Blickfeld habe schaue ich mich in der Gegend um und da kommt mir eine grandiose Idee in den Sinn. Doch als ich gerade nach dem Türgriff fasse, werden die Autotüren abgesperrt. DAS KANN DOCH NICHT WAHR SEIN! Wütend lasse ich einen Schrei heraus und fange sogar an zu fluchen. Ich hoffe das Baby hört mich nicht...

Mittlerweile sind zehn Minuten vergangen und ich sehe ihn aus dem Restaurant kommen. Er hat eine Hand voll Tüten bei sich und ich vermute mal da ist Essen drin verpackt. Von weitem entsperrt er das Auto und macht die Hintertür auf wo er die Tüten reinstellt. Anschließend steigt er vorne ein und startet den Motor. „Rita wird heute bei ihrer Mutter bleiben."
WAS? Moment. Ich darf es ihr nicht übel nehmen immerhin muss was schlimmes passiert sein, wobei ich hoffe das es ihrer Mutter gut geht denn Rita schien mir ziemlich beunruhigt. „Habe was zu Essen geholt.", sagt er nun und ich seufze daraufhin. „Ich werde das nicht essen, ich koche mir später selbst etwas." „Du bist also gläubig?" Der verachtende Ton in seiner Stimme entgeht mir nicht. „Ja das bin ich!"
Er fährt erneut auf die Autobahn.
„Du etwa nicht?" Seine Augen werden dunkler...oder kommt es mir nur so vor. Ich bekomme keine Antwort. "Bist du ungläubig?" Es herrscht kurz Stille im Auto was mich ungelogen nervös macht.
„Gott oder Allah wie auch immer ihr ihn nennt, ist nicht so allmächtig, wie man es behauptet." Bei seinen Worten weite ich unglaubwürdig meine Augen. Wie kann er das bloß aussprechen? Das dies übrigens der längste Satz war den ich je von ihm gehört habe lasse ich gerade außer Betracht.
Ich bin entsetzt. Dieser Mann ist wirklich ziemlich verbittert.
Was habe ich auch bitte erwartet? „Ich vergebe nicht Ünal.", sagt er.
Wieso habe ich das Gefühl das wir uns schneller bewegen?
„Ich vergebe nicht eine einzige Sünde also vergiss niemals diese beiden Männer in Deutschland."
Er fährt 130 km/h und gerade als ich es ansprechen will wird er plötzlich langsamer und ich sehe wie er runter auf 100 km/h kommt. Was ist nur los mit diesem Mann? Ich zittere langsam vor Angst. „W-Was ist mit ihnen passiert?", traue ich mich zu fragen. Darauf gibt er mir jedoch keine Antwort. Das war wahrlich die längste Konversation die ich je mit ihm geführt habe. Denn wie wir wissen spricht Demir Sanchéz nicht gerne.

YADEWhere stories live. Discover now