Zwei

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Mit einer Wut im Bauch, die mich antrieb irgendwas total Verrücktes zu tun, stapfte ich aus dem Raum. Ich gab diesem Verlangen nicht nach. Sonst würde ich noch genauso werden wie der Rest meines Clans. Was ich nicht wollte. Mein Ziel war der Kerker, da wo sie ihre Opfer immer hin brachten. Jetzt wusste ich auch, woher ich den Namen kannte. Rey war der Sohn des Clanführers Fenris, dieser hatte außerdem noch etliche Brüder. Und die wiederum führten ebenfalls ihre eigenen Rudel. Oh man, mein Clan hatte wirklich Todessehnsucht.

Ich betrat das stinkende Gemäuer und ging die Treppen runter, die zum Kerker führten. Ich schnappte mir die Schlüssel die an der Wand hingen, ließ aber die dunklen Fackeln unbeachtet. Ich kannte mich hier aus und brauchte sie nicht. Dann kam ich unten an. Hier brannte noch eine Fackel. In der Zelle, die als einzige besetzt war, saß eine Gestalt, welche ruckartig aufsah als meine Schritte durch den nasskalten Raum halten. Ma hatte nicht gelogen. Er schien gerade erst siebzehn geworden zu sein. Was nach Gestaltenwandler Recht hieß, erwachsen zu sein. Sein Körperbau war noch nicht der eines Mannes, auch wenn man sah, dass er einmal ein Krieger werden würde. Ich hockte mich hin und sah ihm in die Augen. Ein Knurren drang aus seiner Kehle und er starrte zurück.

"Du wirst fünf Minuten warten und dann erst von hier verschwinden. Versuch nicht irgendjemanden zu schaden. Ich werde dich beobachten, bis du endgültig aus unserem Revier verschwunden bist. Sag deinem Clanführer er soll auf die Rache verzichten, dafür das du unbeschadet frei gelassen wurdest."

Ich warf die Schlüssel in die Zelle ohne den Blickkontakt zu unterbrechen. Mit einem Knurren unterbrach er ihn zuerst und schnappte sich die Schlüssel aus Angst sie könnten wieder verschwinden. Ein Lächeln legte sich auf meine Lippen und eine gewisse Art Befriedigung erfüllte mich über den kleinen Sieg. Da kamen  die verdorbenen Gene meiner Rasse durch. Ich erhob mich und ging davon.

"Fünf Minuten", rief ich als ich das Klirren hinter mir hörte.

Das Geräusch verstummte und ein unterdrücktes Knurren ertönte. Ich kam nicht umhin schadenfroh zu lächeln. Ich sag ja verdorbene Gene. Sobald ich wieder auf dem Burghof war, fing ich an zu rennen. In die Burg hinein, an der großen Halle vorbei, wo immer noch ordentlich gefeiert wurde und die Stufen zum Turm hinauf, um den Wolf nicht zu verpassen. Ich hatte ihn nicht angelogen, ich würde aufpassen das er bis über die nächste Grenze kam. Und zwar von der Luft aus. Nur gab es da auch ein kleines Problem, und zwar mit meiner Verwandlung. Ich brauchte nervige Glücksgefühle, um mich verwandeln zu können. War ja klar, dass ausgerechnet bei mir irgendwas anders war und schief ging. Dafür hatte ich anscheinend die ganze Vernunft des Clans geerbt. Lästig aber wahr. Manchmal wünschte ich mir es wäre anders.

Ich stand inzwischen ganz oben auf dem Turm und trat bis an die Zinnen. Der Wind riss an meiner Kleidung als ich auf sie kletterte. Ich beobachtete eine kleine Gestalt die durchs Burgtor huschte. Da war ja das Wölfchen. Mit einem beherzten Sprung ließ ich mich fallen. Mein Körper wurde von der Schwerkraft nach unten gezogen. Ich weiß ich sollte Angst haben, hatte ich aber nicht. Im Gegenteil, denn beim Fallen erreichte ich die Glücksgefühle die ich brauchte um mich zu verwandeln. Naja, eigentlich war das bei allen selbstmörderischen Aktionen so, die ich unternahm. Ein Glück, anscheinend war ich meinem Clan doch ähnlicher, in der Verrücktheit, als ich gedacht hatte. Mein Körper wurde von Energieströmen umschlossen und ich spürte wie ich kleiner wurde und meine Hautstruktur sich veränderte. Bis ich aus meinen Kleidern schlüpfte und meine Flügel ausbreitete. Der Wind umspielte mich als ich mit einem Krächzen nach oben schoss. Dann steuerte ich auf den Wald zu. Ich konnte den Wolf durchs Unterholz rennen sehen. Der Junge hatte sich ebenfalls verwandelt und konnte es gar nicht erwarten von hier weg zukommen. Ich glitt über die Baumwipfel und hatte ihn fest im Blick. Nach ein paar Kilometern lichtete sich der Wald und ich setzte mich auf einen Ast von dem am Rande liegenden Baum nieder. Kurz darauf brach der Wolf durchs Unterholz. Ab hier war neutrales Gebiet. Dahinter würden sich dann Wolfreviere anschließen. Er würde sicher wieder zurück kommen. Als hätte er meine Anwesenheit gespürt sah er zu mir und stieß ein verachtendes Knurren aus. Mit einem spöttischen Schrei erhob ich mich und ging in die Luft. Aus dem Augenwinkel sah ich wie der Wolf sich umdrehte und los rannte.

Ich drehte endgültig um und flog zurück. Sorgen, das mein Clan das Verschwinden ihres Opfers bemerken würde, machte ich mir nicht. Falls sie morgen schon wieder nüchtern waren, würden sie denken, dass sie ihn in ihrem Rausch befreit hatten. Manchmal vergaß der Clan sogar, dass jemand in ihren Kerkern saß. Von da her konnte sich das Wölfchen glücklich schätzen, dass er gerade mal einen Tag bei uns gewesen war.

Mit kräftigen Flügelschlägen flog ich zur Burg zurück. Ich landete auf meinen Kleiderhaufen und schlüpfte ohne Probleme in meine menschliche Gestalt. Dann zog ich meine Kleider an und ging in die Burg. Als ich durch die große Halle ging, sah ich einen Großteil des Clans unter den Tischen schnarchen. Ich ging zu Raja einem Mädchen in meinem Alter, die aber schon mehr verrückte Sachen gemacht hatte, als meine Mutter in ihrem ganzen Leben und nahm ihr die halb volle Alkoholflasche aus der Hand, die sie selbst im Schlaf noch umklammerte. Dann setzte ich mich auf einen Teppich der noch nicht vollgekotzt war und fing selbst an aus der Flasche zu trinken. Dabei ließ ich meinen Blick immer wieder über die Frauen schweifen, die meinen Clan darstellten und passte auf, dass niemand der noch eifrig am übergeben war, an der Kotze erstickte.

Für mich waren sie alle wie verrückte Tanten oder Cousinen. Oft fragte ich mich wie ich meine Kindheit in diesem wahnsinnigen Haufen unbeschadet überstehen konnte. Der Alkohol fing an meinen Bauch zu wärmen und ich nahm gedankenverloren noch einen Schluck. Schade das Gestaltenwandler sich keine Sorgen um einen Alkoholüberschuss machen mussten. Ihre Körper bauten generell jede Droge ab. Trotzdem blieb die Wirkung die gleiche. Sprich sie konnten keine Alkoholvergiftung bekommen, was wirklich schade war. So etwas würde meinen Clan vielleicht animieren weniger zu trinken. An sich war das unwahrscheinlich, aber man durfte ja noch hoffen.

Black Bird  Kristall und Feder Место, где живут истории. Откройте их для себя