Einunddreißig

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"Wahrscheinlich bin ich schon betrunken", stimmte er zu, "und kann deshalb nicht mehr lügen."

Bevor ich darauf antworten konnte, zog er mich schwungvoll an sich.

"Ich lerne tanzen erst seit diesem Abend", warnte ich ihn und strich mir eine Strähne aus dem Gesicht.

Er zuckte nur mit den Schultern und fing an sich zu bewegen als der erste Takt anfing. Ich verkrampfte mich und wäre ihm vielleicht ein, zwei mal auf die Füße getreten, hätte er mich nicht elegant in die nächste Drehung geleitet. Brian war ein, Überraschung, äußerst sicherer Tänzer. Die Figuren, die zu tanzen waren, waren auch nicht schwer. Und nach einer Weile wusste ich, wann er welchen Schritt machte und folgte ihm spielend. Auf einmal wurde der Takt schneller und Brians Lippen verzogen sich zu einem teuflischen Grinsen. Er wirbelte mich immer schneller herum  und ließ mir keine Luft zum Atmen. Wir bewegten uns ständig im Gleichklang obwohl sich die Musik immer weiter aufbaute. Ein atemloses Lachen brach aus mir heraus als ich jede Drehung, jeden Schritt taktgenau vollführte. Die Musik wurde zu einem mitreißenden Inferno und Brian und ich waren mitten drin. Dann kam der Höhepunkt und ich kreischte als mich Brian plötzlich an den Hüften packte und hoch warf. Punktgenau zum letzten Ton landete ich in seinen Armen. Tosender Applaus brandete für die atemlosen Tänzer auf. Ich sah zu Brian auf und strahlte ihn an. Mit einem Ruck zog er meinen Kopf zu sich und eroberte stürmisch meine Lippen. Mit einem Keuchen öffnete ich sie und küsste ihn ebenso hungrig wie er mich. Glücksgefühle strömten durch meine Adern und ein Kribbeln erfasste mich. Oh nein. Ich würde mich jetzt nicht verwandeln. Mit aller Macht drängte ich das Kribbeln zurück. Später, versprach ich mir. Später würde ich betrunken von diesem Gefühl meine Runden am Nachthimmel drehen. Keuchend löste Brian seine Lippen von meinen. Nur um sie gleich darauf wieder auf meine zu legen. Diesmal fast sanft und zärtlich, sodass sich in mir ein warmes Gefühl ausbreitete. Er ergriff meine Hände und begann uns in einem langsamen Rhythmus zu bewegen, der zu dem langsameren Lied passte. Ich löste mich von ihm und blinzelte ihn aufgeregt an. Meine Wangen glühten und ich fühlte mich betrunken.

"Du bist so entschlossen, wenn du dir etwas in den Kopf gesetzt hast. Und so süß, wenn du versuchst es umzusetzen."

Brians Stimme klang warm, trotzdem zog ich eine Grimasse.

"Ich will nicht süß sein. Ich bin elegant und sexy und..."

Er unterbrach mich mit einem Lachen.

"Vögelchen genau die Eigenschaften, welche ich aufgezählt habe, liebe ich an dir."

Ich warf ihm einen sauren Blick zu.

"Ich wäre trotzdem gerne elegant und sexy."

Er wirbelte mich nur grinsend herum und verscheuchte so meine schlechte Laune.

"Du weißt, dass sich Wölfe wenn es ihnen ernst ist sich für immer an eine Frau binden?", fragte er mich.

Ich nickte wieder misstrauisch geworden. Wollte er mir damit sagen, dass ich für ihn nur eine kurze Affäre war?

"Ich möchte, dass du meine Gefährtin wirst", fuhr er fort.

"Natürlich lasse ich dafür deinen Clan frei und werde ihnen vielleicht sogar erlauben zu bleiben."

"Warte mal was?"

Ich unterbrach ihn bevor er fortfahren konnte.

"Du meinst diese Verbindung für immer und ewig."

Er nickte und ich bekam Panik. Ebend war ich sauer gewesen, dass er es nicht ernst mit mir meinte. Aber für eine lebenslange Bindung war ich auch noch nicht bereit.

"Erstens kannst du meinen Clan ruhig eingesperrt lassen und zweitens können wir nicht erstmal eine normale Beziehung führen und schauen ob wir zusammen passen?"

"Nein", sagte er entschieden und schaute als hätte ich ihm was Absurdes angeboten.

"Aber wir kennen uns doch kaum. Außerdem giften wir uns neunzig Prozent der Zeit nur an", protestierte ich.

Er verzog das Gesicht.

"Wir sind uns vielleicht nicht immer einig... "

"Eigentlich nie", unterbrach ich ihn.

"Aber die Chemie stimmt zwischen uns und da wir jetzt wissen, dass wir für den Rest des Lebens zusammen leben werden, werden wir Kompromisse schließen müssen", sprach er weiter und ignorierte meinen Einwand.

"Aus dir spricht der Alkohol. Ich ignoriere dich jetzt einfach und tu so als hättest du nichts gesagt", murmelte ich und riss mich von ihm los, um fluchtartig in der Menge zu verschwinden.

"Elvira", hörte ich ihn knurren und beeilte mich noch mehr als ich merkte, dass er mich verfolgte.

Oh je. Da war ich dem großen bösen Wolf wohl mächtig auf die Pfoten getreten. In einer etwas unbelebteren Seitenstraße rannte ich los und stieß plötzlich gegen etwas. Oder vielmehr gegen jemanden. Denn er gab einen quitschenden Ton von sich als wir auf den Boden stürzten.

"Arnold?", fragte ihn als ich die Gestalt erkannte.

"Sie sind hinter mir her", brabbelte er.

Sein Blick huschte nervös hin und her. Brian tauchte neben uns auf.

"Du kannst nicht einfach davon laufen", knurrte er mich an.

"Sie sind schon ganz nah", rief Arnold wieder und sprang auf.

Geistesgegenwärtig hielt Brian ihn am Arm fest.

"Ich glaube wir sollten ihn zurück bringen. Klingt als wäre er nicht mehr ganz nüchtern", sagte ich und rutschte ein bisschen zurück als sich Brian über mich beugte.

Oh man. Jetzt hatte ich genau das erreicht, was meine Mutter gewollt hatte. Aber ich hatte die Situation alles andere als unter Kontrolle.

"Lenk nicht ab", herrschte er mich an.

Ich stand auf und funkelte ihn an.

"Das ist Wahnsinn, Brian. Ich werde mich nicht jetzt schon für den Rest meines Lebens binden. Du hast von Kompromissen gesprochen. Aber du hast gerade entschieden und du kommst mir nicht entgegen."

Plötzlich fuhr er herum. Ein dumpfer Schlag erfolgte und seine große Gestalt sackte zu Boden. Mir stockte der Atem als hinter ihm große hagere Gestalten auftauchten, dessen vordere Person einen Knüppel in der Hand hielt. Wäre ja auch zu schön gewesen, wenn meine Rede Brian umgehauen hätte. Arnold kreischte auf und rannte davon. Oder versuchte es zumindest. Denn aus dem Schatten eines Hauses tauchte eine weitere Gestalt auf und schlug ihn ebenfalls nieder. Ich hob langsam die Hände als die Gestalten auch auf mich zu kamen. So schnell konnte ich gar nicht reagieren, wie die Gestalt vorsprang. Ein dumpfer Schmerz traf meinen Kopf und dann spürte ich nichts mehr.

Black Bird  Kristall und Feder Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt