Siebenundzwanzig

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"Ich schaff das. Ich schaff das. Ich schaff das."

Das Monster bewegte sich einen Schritt nach vorn und schon rutschte mein Fuß aus dem Steigbügel und flog ich auf die Nase. Ächzend kam ich wieder hoch und sah Brians Pferd böse an. Das hatte es doch mit Absicht getan. Brian hinter mir schnaubte ungeduldig.

"Sei still Fellknäuel. Ich werde mich nicht nochmal von dir wie ein Sack Mehl aufs Pferd werfen lassen."

Ich musste nicht hinter mich schauen um zu wissen, dass Brian vermutlich gerade die Augen verdrehte. Nachdem ich vor dem Losreiten verkündet hatte selbst aufsteigen zu wollen und keiner Anstalten gemacht hatte es mir zu zeigen, hatte ich die Sache selbst in die Hand genommen.

"Du musst die Zügel vorne mit am Sattel festhalten", wies mich Rey gut gemeint auf meinen Fehler hin.

Wenigstens einer, der sich meiner erbarmte. Ich nahm die seltsamen Strippen, welche Zügel sein sollten in die Hand und hielt mich gleichzeitig am Sattel fest. Dann stellte ich einen Fuß in den Steigbügel, was gar nicht so leicht war da der Bügel vor meiner Nase baumelte und ich mein Bein verrenken musste um ranzukommen. Mit Schwung hievte ich mich hoch und merkte dann, dass irgendwas nicht stimmte.

"Du stehst mit dem falschen Fuß im Bügel."

Wieder war es Rey, der mir fast schon vorsichtig den Fehler vor Augen führte. Mit einem frustrierten Seufzen hüpfte ich wieder runter. Neuer Versuch. Also Zügel in die Hand, richtiger Fuß in den Steigbügel und hochgezogen. Diesmal machte ich alles richtig und konnte mein rechtes Bein über den Pferderücken schwingen.

"Haha!"

Das euphorische Gefühl endlich zu sitzen verdrängte sogar kurz die Panik, weil ich allein auf diesem Monster saß. Dann trat Brian zu seinem Pferd und schwang sich mühelos hinter mir auf dessen Rücken. Ein erleichtertes Seufzen kam von Juno, die schon lange auf ihrem Pferd saß und Perle hinter sich führte. Rey stieg nun auch auf und wir konnten weiterreiten. Ich drehte mich um und winkte Jocelyn, die unseren Aufbruch mit belustigter Miene verfolgt hatte. Ein Wiesel saß auf ihrer Schulter und blitzte mich mit seinen dunklen Augen an. Das war die Wieselart zu lächeln. Ich grinste zurück. Schade dass wir nicht länger blieben. Ich wäre ihm bestimmt ein guter Verbündeter im Leute erschrecken gewesen. Meine kleine sadistische Ader meldete sich. Na ja leider musste ich die Leute-erschrecken-Aktion auf einen anderen Zeitpunkt verschieben. Schade auch. Ich drehte mich wieder nach vorne gerade als Brian anfing zu schnalzen und sein Pferd antrieb. Ein kurzer durchschüttelnder Schritt war der Übergang zu der schnellsten Gangart des Pferdes. Ich hielt mich aufkeuchend an der Mähne fest als wir den schmalen Waldweg entlang preschten. Hinter uns hörte ich die Pferde von Rey und Juno. Bald lichtete sich der Waldweg und wir kamen auf ein leeres Feld. Brians Pferd schien nochmal einen gewaltigen Satz zu machen und einen Zahn zu zulegen. Ich hörte Rey und, ach du meine Güte, auch Juno lachen. Selbst Brian konnte ein zufriedenes Brummen nicht unterdrücken. Und ich merkte wie sich auch meine Mundwinkel zu einem Grinsen verzogen und ich in befreites Lachen ausbrach. Das war als würde ich mich fallen lassen, als würde ich fliegen. Fast hätte ich die Arme ausgebreitet. Aber dazu war mein Überlebenswille doch zu groß. Als wir wieder an einen breiten Waldweg kamen verlangsamte Brian das Tempo zu einem gemächlichen Galopp. So schön es auch war irgendwann spürte ich wieder jeden Knochen im Leib. Als hätte Brian meine Gedanken gelesen, bremste er das Pferd in gemächlichen Schritt und ließ die Zügel lockerer. Ich ließ es mir nicht nehmen dem Pferd den Hals zu tätscheln. Lächelnd sah ich nach hinten zu Rey und Juno. Ihre Pferde dampften, genau wie Brians. Ich musste meine Meinung über die Monster wohl nochmal überdenken. Wer so außdauernd und sicher seine Reiter trug, der verdiente meinen Respekt. Ich hingegen hatte absolut keine Kondition. Mein Rücken tat weh, mein Hintern fühlte sich wund gescheuert an und meine Wade bekam einen Krampf. Ich versuchte mir nichts anmerken zu lassen. Aber irgendwann merkte ich, dass ich öfter mal gegen Brian sackte und mir die Augen zu fielen. Natürlich merkte Brian das. Wölfe waren nicht dumm. So schön das manchmal auch wäre.

"Wir schlagen hier unser Lager auf", informierte mich Brian und stieg ab.

Rey und Juno taten dasselbe. Gerade als Brian mich runter heben wollte, hob ich die Hand.

"Ich bin alleine hoch gekommen also schaff ich es auch runter. Äh, du müsstest mir nur sagen wie."

"Schwing einfach ein Bein übers Pferd und lass dich am Sattel runter gleiten."

"Etwa mit Schwung?", fragte ich entsetzt.

"Nein, ganz langsam in Zeitluppe", kam die sarkastische Antwort.

Nervös kaute ich auf meiner Lippe. Meine Motivation vom Pferd runter zu kommen, war zwar sehr hoch aber ich wollte mir nicht unbedingt weh tun. Und der Boden sah sehr weit weg aus. Schnell sah ich wieder nach vorne. Wenn ich nicht runter schaue ist es bestimmt leichter. Ich krallte meine Hände in den Sattel, holte Schwung und warf ein Bein übers Pferd. Ich landete tatsächlich auf dem Boden. Nur knickten mir gleich darauf die Beine weg. Vor Schreck ließ ich den Sattel los und plumste ins Gras.

"Alles in Ordnung Federvieh?"

Brian kniete neben mir und Überraschung, er schien sich tatsächlich Sorgen zu machen.

"Mir ist etwas schwindlig", antwortete ich deshalb wahrheitsgemäß.

"Außerdem werden mich meine Beine kein Stück mehr tragen können", klagte ich und ließ mich nach hinten auf den Rücken fallen.

Genüßlich stöhnte ich.

"Ich werd mich nie wieder bewegen", verkündete ich.

Ich spürte förmlich wie meine Knochen zu Pudding und meine Muskeln zu Gummi wurden. Plötzlich wurde ich in die Höhe katapultiert. Erschrocken schrie ich auf. Aber es war nur Brian, der mich hoch gehoben hatte. Verblüfft blinzelte ich ihn an.

"Das ist aber nett von dir", bedankte ich mich.

"Du lagst im Weg", kam die Antwort.

Und puff schon war die romantische Stimmung dahin. Ungehobelter Wolf. Na ja was hatte ich auch anderes erwartet.

"Muss ich noch was machen?", fragte ich und schielte sehnsüchtig auf mein, bereits von Juno errichtete Schlaflager.

"Nein", brummte Brian und lud mich auf den Decken ab.

Ich verkniff mir ein Dankeschön. Wahrscheinlich wollte er nur, dass ich mich nicht überanstregte und den Zeitplan wieder verzögerte. Tja, Zuneigung konnte man halt auf viele Arten ausdrücken.

Black Bird  Kristall und Feder Kde žijí příběhy. Začni objevovat