Neunundzwanzig

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Seit zwei Stunden waren wir nun schon angekommen. In einem Schnelldurchlauf hatte ich das Rudelhaus gezeigt bekommen. Dann hatte ich Junos Eltern kennengelernt. Sie kam ganz nach ihrem Vater. Der hatte nämlich Rey mit eisigen Blicken durchbohrt. Zu seiner Verteidigung musste ich sagen, dass sich das Wölfchen gut geschlagen hatte. Junos Mutter hatte ihren Gefährten mehrmals angestupst. Daraufhin hatte er sich ihr zugewandt und sein Blick war weich geworden. Eklig süß. Nun war mir  langweilig. Und ich glaube jeder fand mich unausstehlich, wenn mir langweilig war. Könnte auch daran liegen, dass ich dann immer auf die seltsamsten Ideen kam. Gerade stand ich auf dem, ich vermute Übungsplatz der Wölfe, und war von Männern mit nackten Oberkörpern umgeben. Was durchaus ein fesselnder Anblick war. Doch viel mehr interessierte mich eine Übung, die sie machten. Ein breites Feld vollgespickt mit Fallen musste durchquert werden. Gleichzeitig standen Bogenschützen an der Seite und versuchten den Herausforderer zu treffen. Natürlich mit stumpfen Pfeilen. Ich schaute fasziniert zu. Es wurde anfeuernd gebrüllt, lautstark geflucht und unglaublich viel gelacht. Mein Mund stand offen vor Begeisterung. So etwas hatte ich noch nie gesehen. Und ich wollte unbedingt auch mal. Ich bahnte mir einen Weg durch die Wölfe bis ich neben dem Wandler stand, der die Zeit stoppte.

"Darf ich es auch probieren?", fragte ich aufgeregt.

Er drehte sich zu mir und blickte mich ungläubig an.

"Du halbe Portion willst durch unseren Höllentrip?"

Ich nickte sofort. Seine Augen weiteten sich ungläubig, dann fing er brüllend an zu lachen. Er legte einen Arm um meine Schulter und zog mich zum Start.

"Aufgepasst! Dieses Mädchen hier äh?"

Er sah mich fragend an.

"Elvira", stellte ich mich vor.

"Elvira will in unseren Höllentrip."

Ein Dutzend Augenpaare richtete sich auf mich. Ungläubiges Brummen und mitleidige Blicke trafen mich. Ich richtete mich auf.

"Wie sind die Regeln?"

Der Mann neben mir, der die Zeit gestoppt hatte, zog mich zu einer Platte auf der verschiedenste Waffen lagen.

"Du darfst genau eine Waffe mit in den Höllentrip nehmen. Ansonsten heißt es so schnell wie möglich durchkommen ohne getroffen zu werden."

Ich nahm mir einen kleinen Dolch und steckte ihn in meinen Gürtel, dann ging ich zum Start. Immer mehr Wölfe hatten sich ums Feld eingefunden, um das Spektakel zu sehen. Ich grinste. Das würde äußerst interessant werden. Der Zeitstopper gab das Signal.

"Auf die Plätze, fertig, los!"

Ich sprintete los und sprang über das erste Hindernis, einen Baumstamm. Gleich darauf ließ ich mich in den Schlamm fallen, weil ein Surren durch die Luft fuhr und ein Pfeil über mich hin weg flog. Ich sprang wieder auf die Füße und schlug Haken wie wild, weil mich ein richtiger Pfeilregen überraschte. Plötzlich tauchte etwas aus dem Boden auf und ich fiel, schaffte es gerade noch mich abzurollen und wieder auf die Beine zu kommen. Ein steiler Abhang tauchte unerwartet vor mir auf. Ich hatte keine Zeit stehen zu bleiben, denn immer noch flogen mir Pfeile um die Nase. Ich schlitterte den Abhang herunter und wurde kurz darauf in die Höhe gezogen. Eine Schlinge hatte sich um meinen Fuß gezogen und war straff gespannt worden, sodass ich in der Luft hing. Keuchend riss ich meinen Dolch aus dem Gürtel und schnitt mit einer einzigen Bewegung das Seil durch. Der Aufprall quetschte mir alle Luft aus der Lunge. Oh man. Das war besser als ein verärgerter Brian und sämtliche Glitzerdinger zusammen. Ich spürte das Adrenalin durch meine Adern pumpen als ich weiter rannte. Ein vertrautes Kribbeln machte sich in mir breit. Ein Zeichen, dass ich mich verwandeln konnte. Eine Hängebrücke tauchte vor mit auf die über einen Graben gespannt war. Etwas vorsichtiger setzte ich einen Fuß drauf und ging weiter als sie nicht plötzlich zusammen brach. Ein Surren ertönte und ich warf mich auf den Brückenboden. Bis ich merkte, dass der Pfeil nicht auf mich gezielt war. Die Brücke schwankte bedrohlich als eins der Halteseile riss. Ich sprang auf und sprintete los. Das Ende der Brücke fest im Blick. Zu spät. Ich hörte förmlich wie immer mehr Pfeile die Brückenseile attackierten. Die Brücke schwankte und plötzlich hatte ich keinen Boden mehr unter den Füßen. Die Halteseile an der einen Seite waren gerissen. Im letzten Moment bekam ich eine Sprosse der Brücke zu fassen und wurde durch den Schwung an die eine Seite des Grabens geschleudert. Nachdem die Brücke nicht mehr so schwankte, zog ich mich hoch und benutzte sie praktisch als Strickleiter. Der Schweiß lief mir in Strömen über den Rücken und  meine Arme zitterten vor Überanstrengung. Es war der Hammer. Mit letzter Kraft zog ich mich über die Kante und rollte mich vom Abgrund weg. Dann blieb ich mit geschlossenen Augen liegen und atmete schwer. Ich spürte wie jemand neben mich trat. Grinsend schlug ich die Augen auf.

"Na wie hab ich mich geschlagen?"

Der Wolf reichte mir lachend die Hand und hielt die Stoppuhr hoch.

"Gratuliere du liegst nur ein paar Sekunden über der Bestzeit."

Ich ließ mich von ihm auf die Beine ziehen.

"Mein Name ist übrigens Kato."

"Freut mich dich kennenzulernen", erwiderte ich.

"Wen muss ich denn schlagen um die Bestzeit zu erreichen?", fragte ich.

"Kannst du dir das nicht denken?", ertönte eine Stimme hinter mir.

Ich verdrehte die Augen.

"Das müsste ich ja locker hinbekommen. Einen Hund zu schlagen sollte nicht schwierig sein."

Ich drehte mich zu Brian um, der mich belustigt betrachtete. Dann betrachtete er meine zerkratzten Hände und seine Miene wurde finster.

"Eigentlich wollte ich dich ja heute mitnehmen zu einem Fest in der Stadt. Aber so wie du aussiehst kann ich dich nicht mitnehmen."

Ich verschränkte meine Arme.

"Ich weiß ja, dass es schwer verständlich für dich ist. Aber es gibt eine Erfindung, die nennt sich waschen. Und genau das werde ich jetzt tun. Wie viel Zeit hab ich?"

"Ungefähr zwei Stunden", murrte Brian.

"Super"

Ich strahlte ihn an.

"Warte nur ab, du wirst mich nicht wiedererkennen."

Ich drehte mich hoch erhobenen Hauptes um und ging Richtung Burg. Sobald ich in meinem Zimmer war, brach ich in Panik aus. Oder zumindest fast. Denn ich hatte einfach nichts zum Anziehen. Und ja, das war selbst für eine Vogelwandlerin wie mich eine Katastrophe. Obwohl ich eher auf innere Schönheit achtete. Aber deswegen musste ich ja nicht gleich wie eine Vogelscheuche rumlaufen. Mmh auch wenn ich das mal bei meiner Mutter ausprobieren musste. Vielleicht hielt sie das von mir fern. Ich schnappte mir also saubere Kleidung und machte mich auf die Suche nach dem Baderaum. Nach dem ich in etliche Räume geplatzt war und keiner davon der richtige gewesen war, fand ich Juno.

"Oh Gott sei dank. Du bist meine Rettung", stöhnte ich erleichtert.

"Weißt du wo das Badehaus ist und äh wo ich vielleicht ein Kleid her bekomme?"

Juno hob eine Augenbraue.

"Das Badehaus ist nebenan im extra Gebäude."

Sie ging an mir vorbei.

"Und ein Kleid?", rief ich ihr verzweifelt hinterher.

Sie blieb stehen und drehte sich um.

"Ich besitze keins."

"Perfekt", seufzte ich erleichtert.

Juno runzelte verwirrt die Stirn.

"Inwiefern ist das perfekt?", fragte sie vorsichtig.

"Dann können wir zusammen zwei besorgen gehen", rief ich euphorisch.

Ihr Gesichtsausdruck sah aus als hätte sie in eine Zitrone gebissen.

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