Zweiunddreißig

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Ein kalter Schwall Wasser ließ mich wach werden.

"Hey", rief ich und fuhr hoch.

Blinzelnd wischte ich mir das Wasser aus dem Gesicht und sah auf mein Kleid, dass nun unanständig eng an mir klebte.

"Bist du verrückt? Das Kleid ist nur geliehen", ärgerte ich mich und blickte hoch.

Erschrocken rutschte ich zurück. Der Mann war käsig weiß und sah mich emotionslos an. Dann drehte er sich um und ging mit dem leeren Wassereimer davon. Ich sah mich um. Es war relativ schummrig. Nur ein Kamin an der Seite spendete mit seinem Feuer Licht und Wärme. Es sah aus als wären wir in einer Höhle. Wände und Decke waren rauer Stein und unter meinen Fingern spürte ich nassen Sand. Einige ebenfalls blasse Gestalten standen in Gruppen zusammen und unterhielten sich. Nicht einer nahm mich groß zur Kenntnis. Ich ließ meinen Blick weiterschweifen. Was zum Teufel? Ich bekam große Augen als ich den Tresen bemerkte, wo Alkohol ausgeschenkt wurde. War das hier eine unterirdische Schänke? Ein Stöhnen hinter mir ließ mich erschrocken nach hinten sehen. Ich entspannte mich als ich Brian bemerkte, der sich langsam aufrichtete. Hinter ihm lag auch Arnold. Brians Blick fiel auf mich. Sofort war er bei mir und schloss mich in den Arm.

"Elvira, geht's dir gut? Ich schwöre wenn sie dich irgendwie verletzt haben..."

"Mir geht es gut", krächzte ich erdrückt und untebrach ihn.

Er ließ ein wenig lockerer und ich konnte wieder freier atmen.

"Du hast da Blut", murmelte er und strich mit seinen Lippen über meine Stirn.

Ich zuckte zusammen als es etwas weh tat.

"Ich wette du hast auch eine Beule", sagte ich und befreite mich aus seiner Umklammerung.

Er meinte es anscheinend wirklich ernst mit der Beziehungssache. Brian stand auf und blickte sich um. Der käsige Mann kam wieder auf uns zu. Ich zuckte zusammen als ich seinen vollen Wassereimer sah. Er sah zu Brian und zuckte mit den Schultern als er merkte, dass er schon wieder auf den Beinen war. Dann leerte er seinen Eimer über Arnold, der prustend aufwachte. Der Mann hatte seine Aufgabe anscheinend erledigt und ging wieder. Arnold hingegen sah sich panisch um. Als er uns sah wurde sein Gesichtsausdruck unglaublich schuldbewusst.

"Du scheinst mehr zu wissen als wir. Sind das zufällig deine Freunde?", fragte Brian sarkastisch und trat mit finsterer Miene auf Arnold zu.

Der wich zurück.

"Ich habe ihnen nichts getan. Ich schwöre", rief er und hob wie zum Beweis die Hände.

"Wer ist ihnen?"

Unnachgiebig stand Brian vor Arnold und starrte auf ihn herunter.

"Ratten", murmelte Arnold.

Brian verzog den Mund.

"Ja, das konnte ich mir auch schon zusammen reimen."

"Moment mal", mischte ich mich ein, "es gibt auch Rattenwandler?"

Ungläubig sah ich Brian an, der nur nickte.

"Ich fühl mich wie ein Tierforscher, erst das Wiesel und jetzt Ratten", murmelte ich vor mich hin.

"Wenn wir hier raus sind, gebe ich dir ein Buch wo sämtliche Wandlerarten aufgeschrieben sind", sagte Brian.

"Jaa", räusperte ich mich, "das ist wirklich nett gemeint, aber ich kann nicht lesen."

"Du... Was?"

Brian drehte sich zu mir um. Ich hob abwehrend die Hände.

"In unserem Clan kann keiner lesen. Dazu müsste man bereit sein zu lernen."

"Ich bring es dir bei", versprach Brian und drehte sich wieder zu Arnold um.

Ich verzog den Mund. Ich war mir nicht sicher ob ich wollte, dass Brian mir irgendwas beibrachte. Aber ich ließ es auf sich beruhen.

"Kann sein, dass ich die Tochter des Oberhauptes verärgert habe", stammelte Arnold.

Bevor Brian nachfragen konnte, ging ein Raunen durch die Menge und alle Gestalten drehten sich zum Eingang eines Tunnels um, wo eine schmächtige Gestalt die Höhle betrat. Der Mann hatte einen Schnurrbart. Und ich hatte gedacht die wären nicht mehr in Mode. Sein harter Blick glitt über die Menge. Ein Fingerschnippen und er bekam ein Glas mit etwas hochprozentigen gereicht. Ich wich zurück als sein Blick kurz über mich glitt. Er glitt weiter zu Brian und blieb dann an Arnold hängen.

"Ist er das?"

Er musste eine Bestätigung erhalten haben, denn er schlenderte auf Arnold zu. Brian wollte sich dazwischen stellen, wurde aber plötzlich von zwei Gestalten am Arm gepackt und zurück gezogen.

"Ich will nur mit ihm reden", versicherte der Mann ihm als er anfing sich zu wehren.

Daraufhin schüttelte Brian die Hände von seinen Armen ab, blieb aber ruhig stehen. Nur sein Gesicht zeigte, dass er der ganzen Sache nicht traute. Arnold stand auf. Doch obwohl er größer war, wirkte es als würde der Mann auf ihn herunter schauen.

"Du hast meinen Mädchen sehr weh getan. Was hast du zu deiner Verteidigung zu sagen?", bellte er und Arnold zuckte zusammen.

Kurz blieb es still.

"Ich war überrascht. Sie hat mir so plötzlich eröffnet, dass sie eine Ratte ist. Jeder weiß, dass Ratten illegale Geschäfte betreiben, sie hausen in Tunneln und sind dreckig..."

So schnell konnte ich gar nicht reagieren wie der Mann seine Faust in Arnolds Gesicht rammte. Brian hingegen schon. Er sprang vor und packte den Mann. Sein Brüllen halte durch den Raum. Der Rest der Gestalten griff ein und stürzte sich auf Brian. Und ich war mir sicher, dass Brian stark war. Aber nicht so stark, dass er alle Ratten besiegen könnte. Mein Blick flog hektisch durch die Höhle und blieb am Kamin hängen. Dann wanderte er weiter zum Tresen. Mir kam eine wahnsinnige Idee.

"Brian", rief ich und sprang auf den Tresen, nur um mir eine Flasche Alkohol zu schnappen.

"Renn", schrie ich und warf die Flasche.

Sie explodierte in Kamin und eine Druckwelle fegte durch den Raum. Die Flammen schossen meterhoch und erfassten die Tische vor dem Kamin. Einige Ratten konnten sich gerade so in Sicherheit bringen. Ein Schatten schoss aus dem Chaos heraus und verschwand im Tunnel. Ich war mir sicher, dass es Arnold gewesen war. Ich hielt Ausschau nach Brian auch wenn das Feuer sich rasend schnell ausbreitete und bald den Tresen erreichen würde. Ein Ruck riss mich vom Tresen.

"Willst du uns alle rösten?", knurrte Brian und schleifte mich hinter sich her.

"Brian", rief ich erleichtert und begann zu rennen.

Ich hörte Rufe hinter uns. Ein Blick nach hinten bestätigte mir, dass auch die Ratten die Flucht ergriffen und einige uns mit mörderischer Miene ansahen. Ich beschleunigte keuchend mein Tempo. Brian war direkt hinter mir und trieb mich an. Ich sah konzentriert nach vorne, um in der Dunkelheit nicht zu stürzen und betete bald einen Ausgang zu finden.

Black Bird  Kristall und Feder Where stories live. Discover now