Vierzehn

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"Okay Planänderung Kleiner", presste ich zwischen zusammen gepressten Zähnen hervor.

"Ich werd dich jetzt hin und her schaukeln. Bei drei lass ich dich los und du lässt dich aufs Nachbardach fallen."

Sein panischer Blick ließ mich kurz überdenken ob der Plan so gut war. Egal. Ich bewegte meinen Arm vor und zurück. Obwohl Josh nicht überzeugt von dem Plan war, half er mir Schwung zu holen. Als ich das Gefühl hatte Josh hatte genug Schwung zählte ich runter.

"Eins, zwei", der Balken knackte, "drei."

Ich ließ Josh genau in dem Moment los als der Balken aufgab und zusammenbrach. Blitzschnell richtete ich mich auf und sprang mehr schlecht als recht ab. Taumelnd versuchte ich die Glücksgefühle aufkommen zu lassen. Doch ich fiel immer schneller und statt mich glücklich zu fühlen, griff die Panik in mir hoch. Ich drehte mich und sah zurück. Josh Umrisse auf dem Dach des Nebengebäudes ließ mich die Panik zurückdrängen. Der Welpe wäre traumatisiert, wenn ich seine Rettungsaktion nicht überleben würde. Ich atmete tief durch und breitete die Arme auf. Ließ das Gefühl der Freiheit durch meinen Körper fließen. Adrenalin und der instinktive Überlebensinstinkt puschten mich so hoch, dass die Glücksgefühl aktiviert wurden. Ich verwandelte mich knapp vor dem Boden in eine Elster. Ich krächzte begeistert. Es reichte zwar nicht aus um den Sturz zu verhindern. Aber wenigstens wurde er abgebremst. Okay, ich korrigiere. Nichts wurde abgebremst, verdammt. Ich knallte schmerzhaft auf den Boden. Wenn ich bis eben nicht saumäßig Angst gehabt hätte, würde ich das als coolste Aktion meines Lebens bezeichnen. Okay und abgesehen von den Schmerzen. Ein Schatten viel auf mich und warme Hände griffen nach mir. Verärgert flatterte ich mit den Flügeln und hakte in den Finger.

"Ruhig Elvira. Ich bin's nur Brian."

Ein Grund mehr ihm ordentlich in den Finger zu beißen. Trotzdem hörte ich auf. Denn nachdem das Adrenalin und der Schock abklangen, war ich unendlich müde. Ich spürte meine Verletzungen durch die Verwandlung viel extremer und beschloss erstmal in dieser Gestalt zu bleiben. Das Tier in einem Gestaltenwandler verlieh einem nämlich zusätzlich ein paar Superkräfte. Schnellere Heilung war einer der Vorteile, die man hatte. Dafür, dass Brian sonst immer so blöd war, hatte er einen erstaunlich sanften Griff. Okay ein bisschen unheimlich war es schon, wenn du ein Winzling bist und ein Riese dich in dir Hand nimmt. Jedenfalls fühlte ich mich gerade so. Brian betrat mein Zimmer. Was ich super fand. Nicht so super hingegen, dass er mich auf dem Bett absetzte. Sobald er mich losließ flatterte ich schwerfällig mit den Flügeln und schleppte mich auf den Vorsprung über der Tür. Brians vorwurfsvollen Blick ignorierte ich und kuschelte mich stattdessen in mein Nest, dass ich schon vor Jahren, aufgrund meiner zweiten Natur, gebaut hatte. Ich zupfte es mir noch ein wenig zurecht, legte mich dann, innerlich ächzend, nieder und steckte meinen Schnabel ins Gefieder. Der Welpe Josh war gerettet, das Rudel oder zumindest Brian wieder da. Sie konnten sich also um die Babywandler kümmern, ich wäre sowieso nicht gut darin gewesen, und nun konnte ich endlich das tun was ich eigentlich machen sollte, nämlich mich ausruhen. Ich öffnete noch einmal ein Augen. Brian hatte sich nicht von der Stelle bewegt und starrte mich gruselig an. Ich blinzelte genervt. Das verstand er anscheinend, denn ein amüsiertes Funkeln schlich sich in seine Augen. Er stand auf und verbeugte sich in meine Richtung, murmelte irgendwas in einer fremden Sprache und verließ dann den Raum. Kurz war ich so baff von dem Verhalten, dass ich meine Müdigkeit vergaß. Aber dann sagte ich mir, dass das wieder so ein komisches Wolfsding war und ich mir auch später darüber Gedanken machen konnte. Da ich nun, wo Brian weg war, wunderbar einschlafen konnte.

~~~

Leise flüsterne Stimmen weckten mich.

"Das ist wirklich Elvira?"

Ungläubigkeit hörte ich aus Tayos Stimme.

"Sie ist so klein."

Blitzmerker. Was dachte er denn wie groß Elstergestaltenwandler werden konnten. Kann ja nicht jeder die Größe eines Wolfes besitzen.

"Geht's ihr gut?", fragte Josh.

Brians brummende Antwort ließ mich endgultig wach werden.

"Sie schläft noch."

Jetzt nicht mehr ihr Schlauberger. Ich zog meinen Schnabel aus dem Gefieder und blinzelte verschlafen nach unten zu den Welpen und Brian. Alle fünf Kinder blickten mit großen Augen zu mir auf. Ich sah zu Brian, der nur abwehrend die Hände hob.

"Länger konnte ich sie nicht abhalten nach dir zu sehen."

Ich erhob mich und trat an den Rand. Alle Welpenblicke folgten mir mit erfurchtsvollem Blick. Ich grinste innerlich und beschloss ihnen eine Show zu präsentieren. Langsam breitete ich die Flügel aus, hüpfte vom Rand und segelte zwei Runden durch den Raum. Na gut. Ich muss zugeben, nach der ersten Runde war ich so erschöpft, dass ich es nach der zweiten Runde nicht mehr zum Nest hoch kam. Notgedrungen landete ich auf Brians Schulter. Aber was sollte man auch machen. Seine breiten Schultern luden gerade dazu ein sich dort niederzulassen. Nicht dass ich das vorher schon bemerkt hätte. Nein bestimmt nicht. Brian verzog glücklicherweise nicht mal das Gesicht als ich mich in seine Kleidung krallte. Netterweise sagte er auch nichts zu meiner Schwäche, die ihm nicht entgangen sein konnte. Es hob sich nur unauffällig ein Mundwinkel. Sofort krallte ich mich fester an seiner Schulter fest. Das brachte aber nicht wirklich was. Er zuckte noch nicht mal zusammen. Da erst bemerkte ich, dass die Welpen mich immer noch anstarrten als erwarteten sie etwas unglaubliches. Ich schaute unbewegt zurück.

"Okay ihr fünf, Elvira braucht noch Ruhe und wird in den nächsten Stunden keine Flugshows mehr geben."

Belustigung schwang in Brians Stimme mit. Anscheinend hörte nur ich sie raus. Denn die Welpen trollten sich anstandslos.

"Soll ich dich hoch setzen oder schaffst du es allein."

Wie jetzt? Nicht sein ernst. Als ob ich mich jetzt noch entspannen und wieder einschlafen konnte. Da ich nicht reagierte, schien Brian das auch zu verstehen. Jedenfalls machte er keine Anstalten mich loszuwerden.

"Willst du dich zurück verwandeln?", fragte er.

Als Antwort krallte ich mich fester an seiner Schulter fest. Er seufzte und drehte seinen Kopf zu mir.

"Fenris will mit dir reden."

Juckt mich doch nicht. Ich wollte mich noch nicht zurück verwandeln, aber auch nicht zurück ins Nest gehen. Fliegen war noch zu anstrengend und laufen war als Vogel eher ineffektiv. Also blieb ich einfach hier sitzen und konnte Brian über die Schulter schauen. Bildlich gesprochen. Unheimlich, aber Brian schien meine Gedanken schon wieder erraten zu haben. Denn er machte ein grimmiges Gesicht und sah mich direkt an.

"Gut, du kannst meinetwegen da sitzen bleiben. Aber wehe du hakst, krallst dich fest oder machst sonst irgendwas Schmerzhaftes. Ach und du fliegst nicht weg und bist möglichst unauffällig wenn ich mit anderen Rudelmitgliedern rede."

Pah als ob ich je was Peinliches machen würde. Als Zustimmung zwickte ich ihm kurz ins Ohrläppchen. Anstatt sich zu beschweren, erschien nur ein Grinsen auf seinem Gesicht.

"Gut, dann hätten wir das auch geklärt."

Ja, dachte ich. Das konnte heiter werden.

Black Bird  Kristall und Feder Where stories live. Discover now