Drei

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"Was hast du nur gemacht", schniefte eine Stimme herzzerreißend neben meinem Ohr.

Gleich darauf folgte ein Schluchzen. Stöhnend drehte ich mich auf die andere Seite. Die nervig hohe Stimme bohrte sich in meinen Kopf. Normalerweise trank ich nie, aber ich schätze mal gestern ist mir klar geworden wie knapp wir der Vernichtung durch das Dark Moon Rudels entgangen waren. Tja und um das zu vergessen hatte ich angefangen zu trinken und das bezahlte ich jetzt mit einem ordentlichen Kater.

"Gib's zu Elvira, du hast ihn uns weggenommen. Jetzt ist der ganze Spaß vorbei", drang das wehleidige Jammern an mein Ohr.

"Sei dankbar Ma ich hab euch vor der vollkommenen Vernichtung bewahrt", brummte ich und dachte für einen Moment daran sie k.o. zu schlagen um in Ruhe weiter zu schlafen.

Das Schluchzen verstummte und ich wollte schon wieder weg dämmern, als ein ohrenbetäubendes Naseschnauben mich hochfahren ließ. Das Licht blendete mich und mein Kopf fühlte sich an als würde jemand rauf hämmern. Ich sah zu meiner Mutter, die neben mich gesunken war, ihre Augen waren rot unterlaufen und ihr zielloser Blick bewies das sie noch nicht ganz nüchtern war. Um mich herum lagen mehrere Flaschen. Vielleicht hatte ich gestern doch ein wenig übertrieben. Meine Mutter richtete ihren Blick auf mich.

"Du hast ihn befreit", heulte sie, "ich weiß es ganz genau du missratende nichtsnutzige Tochter. Der ganze schöne Kampf mit dem Wölfchen umsonst."

Ihre Stimme wurde immer lauter bis ihr Weinen schließlich alle aufgeweckt hatte. Ein einstimmiges Psst kam von allen Seiten. Meine Mutter ließ sich davon nicht aufhalten und keifte einfach weiter. Das Pochen in meinem Kopf hatte sich ins Unerträgliche gesteigert und ich stand auf.

"Wo willst du hin, Fräulein?", meine Mutter stand so plötzlich vor mir, dass ich für einen Moment selbst überrumpelt war.

"Warum hast du ihm zur Flucht verholfen?", schluchzte sie, packte mich an den Schultern und fing an mich zu schütteln.

Grob schob ich sie von mich, dabei merkte ich das ich ein wenig schwankte. "Er war siebzehn Ma", sagte ich genervt, "such dir jemanden in deinem Alter."

Mit  großen Augen sah sie mich an.

"Findest du mich etwa alt?", rief sie entsetzt.

Auf so eine Diskussion würde ich mich nie, niemals mit meiner Mutter einlassen. Ich hab es einmal getan und bitter bereut. Ihr erneut einsetzendes Schniefen ließ mich nun doch vorsichtigen Schrittes auf den Ausgang zu gehen. Die Schlafenden oder eher Besoffenen ignorierte ich und umging sie geschickt. Mein Ziel war der Brunnen auf dem Burghof. Dort angekommen kurbelte ich einen Eimer kalten Wassers hoch. Das kühle Wasser fühlte sich an wie tausend Nadelstiche auf meinem Gesicht und belebte mich wieder etwas. Trotzdem entschloss ich mich es heute langsam angehen zu lassen. Als ich zu meinem Zimmer ging waren meine Bewegungen unsicher und schwerfällig. Jap ich hatte definitiv zu viel getrunken gestern. Da half nur eins. Ablenkung. Ich zog die Tür hinter mir zu und schob den Riegel vor. Vielleicht ist das übertrieben, aber was meine Schätze anging war ich misstrauischer als bei sonst was. Dann nahm ich die eine lose Bodenplatte und hob sie an. Etwas umständlich nahm ich die Kiste heraus, die gerade noch so unter meinen Arm passen würde. Stolz hob ich den Deckel an. Meine Schätze waren noch alle da. Das erkannte ich auf einen Blick. Und nein ich klaute keine wertvollen Sachen. Na ja zu mindest nicht ausschließlich. Aber hallo ich war eine Elster, ich achte nicht auf den Wert der Gegenstände sondern nur darauf ob es glänzte. Und das tat es. Von funkelnden Diamanten über veredelte Metalle bis hin zu goldenem Schokopapier war alles dabei. Meine Neigung alles Glänzende an mich zu bringen war wohl meine größte Schwäche. Aber mal ehrlich im Gegensatz zu meiner Familie war das noch harmlos. Ich fing an jedes einzelne Stück nach Schädigungen zu untersuchen, gelegentlich polierte ich sie auch auf. Ein Rumpeln an meiner Tür ließ mich aufschrecken. Schnell verstaute ich meine Schätze unter der Bodenplatte. Der unterdrückte Fluch draußen an der Tür kündigte Ravina an. Ich öffnete und sah direkt in ihr grinsendes Gesicht.

"Ist es wahr das du Ava's kleines Wölfchen weggebracht hast?", fragte sie verschwörerisch als würde ich ihr ein Geheimnis anvertrauen müssen.

Ava war übrigens meine Mutter.

"Wer würde es denn sonst gewesen sein?", fragte ich seufzend.

Das konnte ja nur meine Mutter gewesen sein, die sich nun bei allen anderen beklagte. Ravina fing an zu kichern und schwankte dabei gefährlich. Oh oh nicht ausgenüchterte Raben waren äußerst schwierig. Wie hysterisch fing sie an zu kichern.

"Das wird eine lustige Rache von von Ava geben", hickste sie zwischen zwei Lachern.

"Elviraaaaaa", ertönte da auch schon die Stimme meiner Mutter.

Diesmal völlig ausgenüchtert.

"Hiieer", schrie Ravina zurück.

Ich wollte ihr die Tür vor der Nase zu knallen. Doch sie war schneller. Einen Fuß in der Tür grinste sie mich an und schnappte sich meinen Arm.

"Nicht doch, es wird gerade erst interessant", zwitscherte sie schon fast.

Da kam auch schon meine Mutter um die Ecke gerauscht. Hinter ihr waren lauter Schaulustige. Ohne sie zu beachten packte sie mich am Arm und zog mich aus meinem Zimmer raus von Ravina weg zur großen Halle. Zu spät bemerkte ich was sie vorhatte. Schon stand ich angekettet vor der Holzwand, wo regelmäßig Messerwerfen veranstaltet wurde. Und da gab es immer erschreckend viele Freiwillige, die sich vor die Holzwand stellten. Genervt rüttelte ich an den Ketten die sich schon jetzt unangenehm in meine Handgelenke schnitten.

"Ma, du entwickelst eine erschreckende Bessenheit von jüngeren Gestaltenwandler", wies ich sie auf die Tatsache hin.

Ausdruckslos sah sie mich an.

Dann plötzlich schrie sie: "Messerwerfenwettkampf."

Tosende Applaus empfing sie. Na super mein Plan war nicht ganz so aufgegangen wie ich gedacht hatte. Ma hatte ihr Opfer, das ich befreit hatte nicht vergessen. Jetzt musste ein neues her. Ich. Anscheinend musste ich nun hier den ganzen Tag und wahrscheinlich auch die ganze Nacht stehen und mich von Messern bewerfen lassen. Also nicht direkt auf mich. Ihr wisst was ich meine. Die Rache meiner Mutter war eigentlich die Tatsache, dass ich mich nicht verwandeln konnte. Es war nämlich eigentlich ein ganz normaler Verteidigungsinstinkt und kam dann einer Kapulation gleich. Hab ich irgendwann mal erwähnt das selbstmörderische Aktionen Glücksgefühle hervor rufen bei mir? Ich korrigiere mich: selbst herbeigeführte selbstmörderische Aktionen
Jetzt konnte ich eine Ewigkeit hier stehen weil ich mich nicht verwandeln würde und somit nicht aufgab. Hatte ich schon erwähnt, wie nachtragend meine Mutter sein konnte?

Black Bird  Kristall und Feder Where stories live. Discover now