II

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Sie stand mit weit geöffneten Augen da und blickte in den Himmel, der über ihr explodierte.

Das Feuerwerk verkündete, wie immer, das Ende des diesjährigen Dorffestes.

Sie hatte die Faszination in der Lautstärke an Silvester nie verstanden.
Sie mochte nur die großen, goldenen Feuerwerkskörper, die hoch über ihrem Kopf explodierten und den gesamten Himmel einnahmen.

In solchen Momenten, wenn all ihre Freunde und deren Familien um sie herumstanden und wie jedes Jahr eine Tradition widerholten, vermisste sie ihren Vater am meisten.
Sie vermisste, wie er sie als kleines Kind hoch auf seine Schulter gehoben hatte, damit sie etwas sehen konnte und sich mit ihr gebrannte Mandeln geteilt hatte.
Wie er mit seinen Freunden gelacht und ihre Mutter geküsst hatte.

Heute konnte sie nicht mehr tun, als ihm eine Packung Türkischen Honig zu kaufen, wie sie es seit sieben Jahren immer tat, um sie ihm mitzubringen, wenn sie ihn das nächste Mal besuchen fuhr.

Vielleicht würde er sie dann in den Arm nehmen.
Vielleicht würden sie eine kleine Spritztour auf seiner süßen, roten Aprillia machen.

Aber vermutlich hätte er zu viel zu tun.
Er würde arbeiten und seine neue Frau küssen und sie würde an ihren Geschichten schreiben, oder ein wenig lesen, wie sie es immer tat, wenn die Welt sie mal wieder vergaß.

Sie schloss ein letztes Mal die Augen, spürte die Wärme ihrer Freunde um sich herum, spürte die Vibration der Explosion in ihrer Brust und sah die Funken, die wie Feuer auf die Erde herabregneten hinter ihren Lidern aufblitzen.

In diesem Moment, vergaß sie kurz die Welt.

RegenstürmeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt