Kapitel 28 - Jens

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Der Sonntag war dann recht langweilig.

Als ich aufwachte, war es bereits Mittag, aber ich hatte Glück, dass das Kokain keine Spuren hinterlassen hatte. Mittlerweile war mir nämlich durchaus bewusst, dass es ein Fehler war, die Drogen anzunehmen. Aber die Folgen dieses Fehlers waren weitaus schlimmer.

Meine Mum redete nicht mit mir. Zumindest nicht, bis mein Vater aus Berlin anrief. Wir unterhielten uns über die Schule und ich musste mich zwingen, mir nicht anmerken zu lassen, dass ich ihn nicht leiden konnte. Er hatte Mama betrogen und das würde ich ihm nicht vergessen. Niemals! Dieser Moment, als ich von der Schule nachhause kam und eine am Boden zerstörte Maggie vorfand, welche sich die Augen aus dem Kopf heulte und mich anflehte, wegzugehen, damit ich ihren Heulkrampf nicht mitanzusehen brauchte. Neun Jahre alt war ich zu dem Zeitpunkt, aber ich erinnerte mich, als wäre es gestern gewesen. Angie, die damals elf war, hatte mich umarmt und mich sanft weg von diesem grausamen Szenario gezerrt.

Auch wusste ich das Basti, damals zwölf, bei einem Freund gewesen war, meine anderen beiden Brüder, 19 und 21 waren schon zusammen in eine WG gezogen. Zusammen mit Claudia, Peters damaliger Freundin. Sie hatten sich wenige Stunden nachdem Angie mich von Mama weggeführt hatte, angerufen um meine Mutter zu trösten, da diese schließlich auch ihre Mutter war. Sie war auch von Peters und Daniels Vater damals betrogen worden und hatte viele Jahre gebraucht, bis sie sich meinem Vater, Jens öffnen konnte. Dennoch kamen die Beiden zusammen und wurden stolze Eltern von Basti. Peter und Daniel fanden ihren kleinen Halbbruder großartig und spielten mit ihm. Als ein Jahr später Angie geboren wurde, haben sie auch mit dieser gespielt und meinen Eltern geholfen, ihre neuen Kinder großzuziehen. Ich war gar nicht geplant gewesen. Meine Mutter fand, sie hätte mittlerweile genug Kinder, die durch ihr Haus tobten. Daniel, 12. Peter, 10. Basti, 3 und Angie, 2. Zudem war Angie ja noch ein halbes Baby und brauchte viel Aufmerksamkeit. Und meine Mutter sah sich als zu alt an, noch ein Kind zu gebären. Aber dann geschah es. Beim Sex riss das Kondom und meine Mutter weigerte sich, die Pille danach einzunehmen, da sie kein unschuldiges Leben töten wollte. Und daraus entstand ich. Ungeplant. Ungewollt.

Kein schönes Gefühl.

Doch jetzt hatte meine Mutter sich damit abgefunden, dass auch ihr zweiter Mann sie betrogen hatte. Sie hatte uns häufig erzählt, dass sie nie wieder einen Mann anrühren würde, um nicht wieder enttäuscht zu werden. Dennoch war mir aufgefallen, wie viel Zeit sie mit ihrem neuen Chef verbrachte, angesprochen hatte ich sie allerdings nie. Das war ihre Entscheidung, schließlich war sie eine erwachsene Frau.

"Und Manu... Maggie hat mir erzählt, dass du zu uns ziehen wirst. Ich wollte dir nur sagen, wie sehr ich mich darüber freue. Wir haben uns nicht mehr gesehen seid...." Er machte eine Pause. "Du weißt schon. Und Basti und Angie wollten mich nie mitnehmen, als sie dich besuchen gekommen sind."

Ich schluckte ein bitteres 'Sie haben dich nie mitgenommen, weil ich es nicht wollte' hinunter und dachte daran, dass ich mich mit 16 erwachsener verhalten sollte. Aber es stimmte. Meine Geschwister hatten schon häufiger vorgeschlagen, meinen Vater mitzubringen, doch ich hatte jedes Mal abgelehnt. Ich gab ihm die Schuld an allem was passiert war. Er hatte meine Mutter betrogen. Er trug die Schuld dafür, dass meine Mutter so geweint hatte. Er trug die Schuld, dass meine Geschwister von mir weggezogen sind, obwohl ich sie so liebte. Er trug die Schuld, dass ich ihn nicht mehr leiden konnte. Er trug die Schuld, dass meine Mutter nicht mit ihrem Chef zusammen kam. Er trug die Schuld, dass ich überhaupt entstanden bin. Er trug die Schuld, dass Palle von mir schlecht dachte. Wäre er nicht gewesen, wäre ich nicht schwul. Na gut, ich würde gar nicht existieren. Aber ich wäre auch nicht schwul.

Wütend trat ich gegen die Wand. Ich verabscheute mich für das, was ich war. Für mein Aussehen. Für meine Sexualität. Für meine Gefühle für Palle. Und am meisten, dass ich meinen Vater hasste. Ich wusste, dass es ihm leidtat. Jedes Jahr zu meinem Geburtstag schenkte er mir ein Geschenk, das zwar nicht unbeschreiblich teuer war, aber von Herzen kam. Genau wie meiner Mutter. Trotzdem schmiss ich es jedes Jahr wieder in den Müll. Ich wollte keine Geschenke von dem Typen, der meine Mum betrogen hatte. Auch, wenn es mein Vater war. Er hatte sich mehrmals bei meiner Mutter, meinen Geschwistern und mir entschuldigt und auch, wenn Basti und Angie (und teilweise auch meine Mutter) ihm verziehen hatten, konnte ich es nicht. Er hatte seit meiner Mum keine andere Freundin mehr gehabt und schien auf meine Mutter zu warten, als würde er sie immer noch lieben. Was er wahrscheinlich auch tat, doch das interessierte weder sie noch mich. Er war selbst Schuld, wenn er ihr Glück zerstört hatte.

"Manu, bist du noch da?", fragte Jens unsicher, als wäre es ihm unangenehm mit mir zu reden. Ich hatte das Gefühl, er wusste wie ich über ihn dachte.

"Mhh.", machte ich.

"Ich wollte dir nur sagen, dass deine Geschwister sich total auf dich freuen. Angie hat ihr komplettes Zimmer leer geräumt und möchte jetzt bei Basti auf der Couch schlafen, nur damit du ein eigenes Zimmer hast. Beide haben mit dem Direktor deiner baldigen Schule gesprochen und dieser hat zugestimmt, dich in die 10a zu stecken. Eine sehr offene Klasse, in der auch ein junges, schwules Pärchen unterrichtet wird. Und die beiden Jungs werden dort feierlich akzeptiert und gemocht. Sie haben sich schon Gedanken darüber gemacht, was sie kochen werden, wenn du kommst, denn sie wissen, dass du gegen vieles allergisch reagierst. Sie haben dein zukünftiges Zimmer mit einem Fliegengitter versehen und unser Waschmittel und unseren Weichspüler getauscht, damit du auch deine Sachen bei uns waschen kannst, ohne einen allergischen Schock zu erleiden. Auch haben sie ihr eigenes Taschengeld zusammengekratzt und dir einen sehr guten, nagelneuen Laptop gekauft, damit du mit deinen Freunden in Kontakt bleiben kannst. Alles in allem haben sie sich sehr viel Mühe gegeben. Sie lieben dich wirklich sehr, Manu." Obwohl seine Worte liebevoll wirkten, merkte ich die heimliche Bitte in seiner Stimme. Er ahnte, dass ich mit dem Gedanken spielte, nicht mitzukommen und mich einfach bei Taddl zu verkriechen. Den kannte meine Familie nicht und niemand würde mich dort finden.

"Ich bitte dich, Manu. Lass uns nicht im Stich.", sagte er und obwohl ich ihn nicht ausstehen konnte, rührte mich die Zuneigung und die Liebe zu mir, welche in seiner Stimme mitschwang.

"Ich werde Angie und Basti nicht im Stich lassen." beteuerte ich und betonte die Namen meiner Geschwister. Meinen Vater ließ ich ganz bewusst weg. Er merkte dies, sagte allerdings nichts dazu. Wahrscheinlich war er eher erleichtert, dass ich überhaupt zugesagt hatte.

"Danke, Manu. Wir wissen das sehr zu schätzen."

Viel länger ging das Gespräch dann auch nicht mehr. Ich fand mich immer mehr damit ab, bald umzuziehen. Aber ich hätte ahnen sollen, dass dieser Umzug nicht nur mein, sondern auch das Leben vieler anderen aus dem Gleichgewicht bringen sollte.

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Hallu meine allerliebsten, süßen, knackig grünen, frischen, gesunden, hübschen, netten, höflichen, liebevollen, motivierenden Zucchinis.

Na gut, passt auf, dass ihr nicht auf meiner Schleimspur ausrutscht. Wie ihr seht, ich bin gesund aus dem Urlaub zurück. Ich habe viel erlebt und viel gesehen, viele Dummheiten angestellt und auch mit Trauer zu tun gehabt, aber, um euch nicht zu enttäuschen: Hier ist ein Kapitel! Juhu!

Ist über 1000 Wörter lang, was ihr nach der langen Pause aber auch absolut verdient habt. Eigentlich wollte ich am Freitag eine Lesenacht machen, aber dann hat meine Freundin mich gefragt, ob ich mit ihr am Freitag Abend mit ihr und zwei Kumpels auf den Hamburger DOM gehe. ich habe Ja gesagt, um mal rauszukommen und werde die Lesenacht nun um ein paar Tage verschieben. Bitte seid mir nicht böse, Danke!

Und, kleine Erpressung: Je mehr Feedback ihr da lasst, desto früher kommt sie. (Muhahaha!)

Nein, das war gelogen. Egal, wie viel ihr schreibt, sie kommt trotzdem erst nach Freitag, sorry! :/

Hoffe, ihr gebt mir trotzdem Tipps und Wünsche und dann...

Bis denn!

~braungebrannteZucchini

(PS: Vielleicht kommt trotzdem vor der Lesenaccht auch noch ein Kapi <3)

Palle, seine Freunde und ich / #kürbistumor #glpalleWhere stories live. Discover now