E-P-I-L-O-G

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"Wie sehe ich aus?"

"Schön, mein Sohn. Er hätte sich gefreut, hätte er das gesehen.", flüsterte Mum ernst und zupfte noch ein letztes Mal an meinem schwarzen Anzug herum. "Steck das Hemd aber besser in die Hose."

Schweigend tat ich das, was meine Mutter von mir verlangte. Der Sakko drückte an meinen Körper und ich hatte das Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen. Dieses Gefühl hatte ich schon seit zwei Tagen. Wir waren, nachdem mich Michas Nachricht von Dados Tod erreicht hatte, sofort umgekehrt und ja, heute war die Beerdigung.

Ich wollte nicht auf diese Scheiß-Trauerfeier. Ich wollte Dado zurückhaben. Mehr als alles Andere. Und ich hatte mich noch nicht mal richtig von ihm verabschieden können. Sein Tod war meine Schuld und diese Erkenntnis lastete wie ein Stein auf meinem Herzen.

Als ich aus dem Haus trat, sah ich Micha und Chessy. Er trug einen schwarzen Anzug, wie ich, bloß mit dunkelblauer Krawatte und Chessy ein kurzes, schwarzes Trauerkleid. Sie hatte ihre Haare hochgesteckt und sah wunderschön aus. Trotz der Traurigkeit in ihrem Blick und der verschmierten Maskara, die zeigte, dass sie eben noch geweint hatte. Ja... Chessy, ich auch.

"Ich wünschte, ich hätte ihn besser gekannt.", murmelte sie und wischte sich über die Augen, während wir zum Auto gingen, wo Michaels Eltern auf uns warteten. Sie kamen mit auf die Beerdigung, da sie Dado wahrscheinlich wie einen Sohn gesehen hatten. Er und Micha waren schon in der Grundschule beste Freunde gewesen und aufgrund dem vielen Arbeiten seiner Eltern hatte Dado Micha fast täglich besucht.

"Hallo, Manu.", begrüßte Michas Mutter mich mit leiser Stimme.

"Guten Tag, Frau Rankl.", murmelte ich zurück. Eigentlich war mir nicht nach Höflichkeit. Ich wollte schreien.. Meinen ganzen Frust in die Welt hinausschreien.

"Ich verstehe nicht, wieso..", sagte Frau Rankl, als sie losfuhr. "Er war so ein fröhlicher, lieber Junge..."

"Er hat einfach keinen anderen Ausweg gesehen."


Der Friedhof war von kaltem Schnee eingehüllt. Und es schneite noch immer. Die zarten Flocken schwebten fast sanft auf unsere Köpfe hinab und ich beobachtete eine Schneeflocke dabei, wie sie auf meiner Handfläche landete und dort sofort zerfloss. Ich kannte diesen Friedhof. Dados Eltern hatten bestimmt, ihren Sohn hier zu begraben, genau neben dem Grab seiner Großeltern. Früher waren Maurice und ich immer zusammen hiergewesen und hatten dieses Grab besucht. Immer hatte er frische Blumen dabei und sie zärtlich vor dem Grabstein abgestellt. Hatte er da geahnt, dass er bald selbst hier liegen würde?

Eine Hitzewelle überflutete meinen kleinen, frierenden Körper und ich ballte die Hand zur Faust. Dados Tod war nicht fair! Palles Trennung war nicht fair! Dieser ganze Scheiß-Umzug war nicht fair! Für einen kurzen Moment glaubte ich, mein bester Freund würde neben mir stehen und einen Arm um mich legen.

"Alles wird gut, Manu... Mir geht es gut, da wo ich jetzt bin....", Seine Stimme wurde immer leiser und verschallte in meinen Ohren. Nervös schaute ich um mich, doch da war niemand. Wurde ich jetzt verrückt?

Zögernd ließ ich meinen Blick über die anderen Gäste schweifen. Sie hatten alle bläuliche Lippen und vor Kälte gerötete Wangen. Ich erkannte Dados Eltern. Die blonde Frau im schwarzen Rock mit der grauen Bluse, klammerte sich an ihren Mann. Ihre Augen schwammen in Tränen und ihre Lippen bebten, während sie immer den Namen 'Maurice' formten. Dieser weinte nicht. Sein Blick war wie versteinert, als würde er seiner Trauer nicht mit Tränen Ausdruck verleihen können. Er hatte Mila auf dem Arm und das kleine Mädchen war vollkommen verwirrt. "Mama, Papa, warum weint ihr?"

Diese einfache Frage mit der unschuldigen Stimme, brachten mir erneut die Tränen in die Augen und ich musste mich abwenden. Chessy starrte still auf das ausgeschaufelte, leere Grab und Micha legte einen Arm um sie, eine einzelne Träne rollte über seine Wange.

Palle, seine Freunde und ich / #kürbistumor #glpalleWhere stories live. Discover now