Vergangenes Leid

1.9K 106 16
                                    

Am Abend saß Severus in seinem Sessel vor dem Kamin und sah gedankenverloren in die flackernden Flammen. Er hatte heute keinen Unterricht abgehalten, stattdessen hatte er sich ausgeruht. In seinem Schoss lag vergessen ein Buch, an welchem er gerade gelesen hatte.
Remus griff nach dem Buch und setzte sich in den anderen Sessel ihm gegenüber.
"Das Bildnis des Dorian Gray", Remus runzelte die Stirn und sah Severus an. "Warum liest du ausgerechnet das?", fragte er erstaunt.
Severus schreckte aus seiner Trance auf. "Bitte?"
Remus legte das Buch auf den Tisch und fuhr fort. "Nun Severus, du hast so viele Bücher in deinen Regalen. Mir ist jedoch aufgefallen, dass du immer wieder dieses Buch liest. Ich fragte gerade, warum."
Severus schwieg eine Weile, dann sagte er leise: „Ich weiß es nicht, irgendwie passt es zu mir. Er ist mir ähnlich!"
"Das ist doch nicht dein Ernst, Severus?", fragte Remus ungläubig in leicht vorwurfsvollem Ton.
"Du hast doch keine Ahnung! Was glaubst du, was ich als Todesser alles getan habe?", kam es seufzend zurück.
"Ich habe keine Ahnung, Severus. Warum sagst du es mir nicht? Ich denke es könnte dir helfen, darüber zu sprechen!"

Severus lachte hohl auf. "So, das denkst du! Bitte, wenn du willst. Aber beschwer dich hinterher nicht. Was willst du denn wissen? Los frag schon, ich beantworte dir jede Frage."
Remus horchte auf. 'Jede Frage? Das ist wohl meine einzige Gelegenheit, etwas zu erfahren.´

"Gut, ...warum bist du zu den Todessern gegangen?"
Abwartend fixierte Remus sein Gegenüber, der erneut leise seufzte.
"Jede, nur diese nicht!", wehrte er ab.
Remus schüttelte den Kopf. "Nein Severus, rausreden kannst du dich nicht. Du sagtest jede Frage!"
Severus schwieg lange und schaute wieder in die Flammen. 
Remus hatte schon gar nicht mehr mit einer Antwort gerechnet, als Severus ganz leise zu erzählen begann.

"Es ist sehr lange her. Ich hatte mich verliebt. Aber der...", er schluckte und sah Remus an.
"Der Junge..., hat meine Liebe nicht erwidert. Schlimmer, ich war ihm zuwider. Aber es war mir gleich. Ich war es gewohnt abgewiesen zu werden. Meine Eltern hatten nie Zeit für mich, ich war ihnen gleichgültig. Freunde hatte ich auch keine. Aber ihn hatte ich mehr gewollt, als alles andere. 
Schließlich vertraute ich mich Lucius an. Er brachte mich zum Lord und so wurde ich zum Todesser. Dort bekam ich die Beachtung, die ich wollte. Doch der Preis den ich zahlen musste, war zu hoch. Ich wurde nicht glücklich! Schließlich schwor ich mir selbst, niemanden mehr in mein Herz zu lassen."

Remus sah Severus seltsam an.
"Das war´s, zufrieden?" Severus hatte während seiner Erzählung seinen Blick wieder von Remus abgewand. Auch jetzt, als er geendet hatte, sah er ihn nicht an.
Remus kam das alles seltsam und irgendwie unvollständig vor. "Du sagst mir nicht alles, Severus. Was verschweigst du mir?"
Severus schwieg beharrlich und sah wieder in die Flammen.
"Was immer dieser Junge damals auch getan hatte, er muss dich sehr verletzt haben, ich hasse ihn dafür! Er hat dich in die Arme des Lords getrieben, zum Mörder gemacht und damit dein Leben zerstört!", dabei lief Remus eine Träne über die Wange.
"Nein Remus, das kannst du nicht", es war fast nur ein Flüstern.
Remus sah Severus ungläubig an. 
"Was kann ich nicht? Glaubst du, dass ich zu nett bin? Das ich nicht fähig bin zu hassen? Doch, ich hasse ihn!" Trotzig wischte er seine Tränen fort.
"Du bist zu nett, Remus! Du kannst ja nicht einmal mich richtig hassen und ich habe dir genug Grund dazu gegeben. Aber das ist es nicht! Du willst es gar nicht wissen, glaube mir..."

"Doch, ich will es wissen! Du hast gesagt, dass ich jede Frage stellen darf. Wir sind noch nicht fertig!", unterbrach Remus ihn.
"Doch Remus, das sind wir!" Die Sache wollte Severus damit beenden.

Er stand auf und ging an Remus vorbei, um den Raum zu verlassen. Doch eine Hand griff nach ihm. Remus war aufgesprungen und stieß ihn gegen die Tür. Mit seinen Wolfskräften hielt Remus ihn dort fest.
"Wer war der Junge? Ich will seinen Namen wissen. Ich will eine Person haben, die ich dafür hassen kann! Für alles, was du erleiden musstest."

"Was nützt dir ein Name? Du kannst ihn nicht hassen. Selbsthass ist zerstörerisch. Ich weiß dies am Besten. Du kannst dich nicht selbst hassen! Du nicht! Du bist nicht der Typ dafür...", Severus Augen funkelten.

Remus erblasste und seine Hände zitterten. Noch immer hielt er Severus fest gegen die Tür gepresst und seine Gedanken überschlugen sich.
"Sprich deutlicher...", kam es kaum hörbar von seinen Lippen.
Nun war es zu spät! Severus wusste, dass er es nun erklären musste.
"Ich wollte es dir niemals sagen... Du warst der Junge, den ich damals geliebt hatte. Aber ich war dir gleichgültig. Du hast dich wie Potter und Black verhalten. Mit ihnen zusammen hast du mich gedemütigt, gequält und geärgert. Aber es war mir gleich! Ich wollte nur in deiner Nähe sein. Wie das Licht die Motte anzieht, so warst du mein Licht.
Eines Nachts konnte ich nicht schlafen, daher bin ich durch die Gänge der Schule gelaufen. Da hab ich dich gesehen. Ich bin dir unauffällig gefolgt, aus dem Schloss hinaus bis zur peitschenden Weide. In der Nähe hatte ich mich versteckt gehalten, weil ich dachte Potter und Black wären sicher auch in der Nähe. 
Als ich merkte, dass du wirklich alleine warst, wollte ich mit dir reden. Ich dachte, wenn wir alleine wären, wärst du vielleicht anders zu mir. Stattdessen hat mich ein Werwolf empfangen und mich fast zerfleischt... Warum hast du mich so gehasst, Remus?"
Severus hatte dies alles monoton hinuntergeleiert, fasst so als würde es keine Rolle mehr spielen. Nur bei der letzten Frage lag ein Zittern in seiner Stimme.

vom Werwolf zum schosshund Where stories live. Discover now