1. Kapitel - Morgendämmerung

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Thomas erwachte aus seinem unruhigen Schlaf, immerhin hatte er keinen Albtraum mehr gehabt. Brenda lag dicht an ihn gekuschelt, ihre ruhige und gleichmäßige Atmung verriet, dass sie noch tief und fest schlief. Eine Zeitlang betrachtete er sie leicht verträumt. Wie süß sie doch aussah, wenn sie schlief, dachte er und ein Lächeln huschte über sein Gesicht. Er genoss für einen Moment die wohlige Wärme, die sich bei diesem Gedanken wieder in seiner Lendengegend ausbreitete. Thomas schob die Gedanken bei Seite, bevor er noch etwas tat, was er, oder sie, später vielleicht bereuen würden. Er setzte sich auf, streckte sich und blickte verschlafen aus dem Fenster. Über der Lichtung begann es bereits zu Dämmern. Die letzten Sterne verblassten und bald würde die Sonne wieder ihr gleißendes Licht auf sie werfen. Etwas umständlich, um Brenda nicht zu wecken, kroch er aus dem Bett. Sie brummte etwas Unverständliches als Thomas sie leicht an den Füßen berührte, schlief jedoch weiter. Er zog sich Shirt und Hose an, schlupfte in seine Schuhe und schlich leise aus der Hütte.

Thomas sog die frische, kühle Luft mit langen, tiefen Atemzügen ein. Wenngleich die Sonneneruptionen einen Großteil des Planeten verbrannt und unbewohnbar gemacht hatten, hier an der Küste herrschte bereits wieder ein vergleichsweise angenehmes Klima. Dennoch würde es vermutlich noch Jahrzehnte dauern, bis sich die Erde von der Katastrophe wieder halbwegs erholt hatte. Thomas liebte die goldene Stunde vor Sonnenaufgang. Die Welt wirkte friedlich und still. All das Elend und Leid, welches sie durchlebt hatten, schienen ihm Lichtjahre entfernt. Das leise Rauschen des Waldes und der nahen Brandung hatten eine ungeheuer beruhigende Wirkung auf ihn. Thomas seufzte tief und ging nochmal zurück, um sich seine Jacke zu holen. Er vergewisserte sich, dass Brenda immer noch schlief, dann schloss er die Türe und machte sich auf den Weg zum Strand.

Nach wenigen Minuten erreichte er eine kleine versteckte Bucht mit traumhaften Blick auf das Meer. Er hatte sie zufällig bei der Suche nach Treibgut entdeckt und sie augenblicklich zu seinem Lieblingsplatz im sicheren Hafen erklärt. Ein Ort an dem er ungestört sein konnte, weg von dem ganzen Treiben auf der Lichtung. Thomas war selbst überrascht, dass noch keiner der anderen seinen Rückzugsort entdeckt hatte, nicht mal Minho, mit dem er normalerweise den halben Tag abhing. Das Meer glühte in der Morgendämmerung regelrecht, während kleine Wellen behäbig an den Strand schwappten und in knisternden Schaumkronen zerflossen. Geschützt von den umgebenden Felsen konnte er sich sicher sein, hier ungestört zu bleiben. Thomas zog seine Schuhe aus, setzte sich und vergrub die Füße im feuchten und angenehm kühlen Sand. Einige Minuten starrte er gedankenverloren hinaus auf das Meer, bis ihn die Ereignisse der letzten Monate schmerzhaft in die Realität zurückholten. Wut und Trauer krochen in ihm empor und seine Augen füllten sich mit Tränen. Er hasste sich dafür, konnte aber nichts dagegen machen. Umständlich kramte er mit seiner rechten Hand in der Hosentasche und zog zwei zerknitterte Papierseiten hervor.

Mit zitternden Händen faltete er sie auseinander. Die handschriftlichen Zeilen war kaum mehr zu entziffern, das war aber auch nicht nötig. Er kannte jedes einzelne Wort des Briefes auswendig:

„Lieber Thomas. Ich weiß nicht, ob das der erste Brief ist, den ich schreibe.", begann er zu lesen und aus seinen Augen kullerten weitere Tränen. Er spürte den dicken Kloß in seinem Hals und befürchtete beinahe daran zu ersticken. „Verdammt Newt", seufzte er leise. „Ich vermisse dich!" Er legte den Brief beiseite, ohne ihn fertig zu lesen. Da war es wieder, dieses Gefühl, als hätte er einen Bruder verloren und nicht nur seinen besten Freund. Wieder spürte er, dass etwas tief in seinem Herzen zerbrach. Er dachte auch oft an Alby, Winston und die anderen Lichter, die nicht mehr unter ihnen weilten. An Chuck musste er besonders oft denken, schon auf der Lichtung hatte er den kleinen, etwas pummeligen Jungen ins Herz geschlossen. Außerdem hatte er ihm sein Leben zu verdanken. Als Gally auf der Flucht aus dem Labyrinth einen Schuss auf ihn abfeuerte, warf sich Chuck todesmutig dazwischen. Der kleine Junge verblutete vor seinen Augen, ohne dass er etwas dagegen hätten tun können. Auch Teresa spielte in seinen Gedanken immer wieder eine Rolle, seine Trauer hielt sich ihr gegenüber jedoch in Grenzen. Immerhin war sie es gewesen, die ihn und seine Freunde an WICKED verraten hatte. Wegen ihr waren eine Menge unschuldiger Leute gestorben, gute Leute. Allerdings hielt er ihr zugute, dass es ihr später tatsächlich gelungen war, aus seinem Blut ein Heilmittel gegen den Brand zu synthetisieren. Zumindest dafür war er ihr unendlich dankbar. Wäre ihr das doch nur ein paar Tage, oder Stunden eher gelungen, dann würde Newt heute noch leben, dachte er traurig.

Maze Runner 4 - Ein neuer AnfangWo Geschichten leben. Entdecke jetzt