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Ich konnte die Nacht nicht wirklich schlafen, ich musste ganze Zeit an vorher denken. Liebte er mich wirklich noch? Was hatte er zu sagen? Was wollte er mit mir besprechen? Was ist so kompliziert? Bin ich ihm wirklich wichtig? Lauter Fragen in meinem Kopf, die kein Ende nahmen.

Am frühen Morgen standen wir auf und machten uns fertig. Heute würden wir abreisen. Ich zog mir ein einfaches weißes T-Shirt und eine schwarze Leggins an. Meine Haare band ich zu einem Knoten zusammen. Wir maschierten runter in den Speisesaal. Wie würde unser Verhältnis zueinander weiter gehen? Also nach der Klassenfahrt? Nur Joachim konnte mir die Frage beantworten. „Wir setzten uns schon mal hin ge" sagte Sandra und ich nickte. Ich stützte mich an der Ablage ab wo das Essen stand und dachte nach. „Heute ist wohl der letzte Tag" ertönte eine Stimme neben mir. Es war der Typ vom Bogenschiessen. Ich drehe mein Kopf nach links und sah ihn an. „Sieht so aus" sammelte ich mich und ging am Büffet entlang. Er kam mir nach. „Ich hoff es war erträglich hier" lächelte er und steckte mich an. „Sag mal, arbeitest du hier oder so?" skeptisch sah ich ihn an. Er schüttelte belustigt den Kopf. „Meine Großeltern gehört das hier. Ich besuche sie ab und zu und helfe hier etwas aus. Naja ich arbeite ein bisschen hier" lachte er. „Wie nett von dir, macht nicht jeder" lächelte ich ihn an und ging weiter zum nächsten Tisch mit Essen. „So kann man es auch sagen" wir sahen uns kurz an bis er es unterbrach. „Also ich muss weiter, wir sehen uns noch". Ich nickte. Als sich gerade unsere Wege trennten, drehte er sich um und ihm fiel anscheinend etwas ein. „Hier" er reichte mir einen kleinen zerrissenen gelben Zettel. „Nur falls du es dir doch noch überlegst" er schenkte mir ein kurzes Lächeln und verschwand dann. Ich stand wie im Wald und wusste nicht was gerade passiert ist. Ich öffnete mit einer Hand den Zettel und sah eine Nummer, wahrscheinlich seine. Ich schüttelte belustigt den Kopf. Er ließ nicht locker.

Daraufhin ging ich zu meinen Leuten und setzte mich. Ich spürte die ganze Zeit einen Blick auf mir. Als ich aufsah, sah ich sein Blick. Joachim. Ich schaute schnell weg und wurde schon von Sandra und Olivia befragt. „Was wollte er?" Sandra's Augen glitzerten. Ich legte den Zettel auf den Tisch. „Will jemand eine Handynummer von einem 26- jährigem Typen, der gut aussieht?" ich zog meine Augenbrauen hoch und meine Mundwinkel hoben sich auch. Sie lachten. „Ich glaube nicht, dass er von mir oder von Sandra angeschrieben werden will. Wenn dann von dir" sagte nun Olivia. „Ich hätte sie euch auch nicht gegeben". Ich streckte ihr die Zunge raus. Nicht, dass er gut aussah oder ich Interesse hätte, nein. Ich würde nie eine Nummer einfach so weitergeben.

Nach dem Frühstück holten wir unsere Koffer und trugen sie in die Lobby, wo sie einzeln in den Bus eingefrachtet wurden. Ich zog mir einen dunkel blauen Pulli noch über. An der Rezeption regelten die Lehrer etwas. Wir sollten die Schlüssel am Ende noch vorbringen. Ich nahm unseren Schlüssel und ging nach vorne. Der Typ, welchen Namen ich immer noch nicht kannte, saß an der Rezeption und hatte mit den Lehrern geredet. Als er mich sah, lächelte er sanft. Ich legte den Schlüssel auf die Ablage. Fast alle machten sich auf und gingen hinaus zum Bus. „Also dann" fing ich an. „Gute Heimreise" sagte er. „Danke" lächelte ich. Ich spürte zwei Augen, die sich in meinen Rücken reinbohrten. Ich konnte spüren, dass es Joachims waren. „Ich hoffe, dass du schreibst" lächelte er jetzt auch. Ich fühlte mich unwohl, ich hatte ihm gesagt, dass ich keine Interesse hatte. Ich seufzte lächelnd. „Du weißt, dass ich keine Interesse hab" flüsterte ich ihm zu. „Vielleicht ändert es sich ja und außerdem können wir auch normal schreiben, ohne irgendwelche Hintergedanken" er sah mich an. Ohne zu antworteten beendete ich das Gespräch. „Tschüss" lächelte ich noch bevor ich ging. „Auf Wiedersehen" sagte er noch und dann ging ich. Ich spürte immer noch, dass Joachim mich beobachtete. Deswegen drehte ich mich um und ich hatte recht. Ich verdrehte die Augen und ging ein paar Schritte vorwärts und sah zu wie der Busfahrer und Angestellte die Koffer einluden. Auf einmal stand jemand neben mir und sah auch dort hin. „Kannst du aufhören mich so anzustarren" flüsterte ich ihm zu, während ich immer noch nach vorne sah. Er sah mich an, doch mein Blick blieb gleich. „Was hast du mit dem zu tun?" er ging gar nicht auf meine Aussage ein. Ich sah ihn entgeistert an. Jetzt sah er mich auch wieder an und unsere Blicke trafen sich. „Woher die plötzliche Interesse?". „Sie war schon immer da" antwortete er mir und sah auf mich herab. Ich sah wieder nach vorne und gab nur ein „mhm" von mir. Ich ging die Treppe runter ohne etwas zu sagen und stieg in den Bus ein.

Während der Fahrt schlief ich oder hörte Musik. Ich hasste Busfahrten. Es dauerte bis wir an der Schule ankamen, aber wir kamen an. Alle wurden abgeholt oder fuhren selber nach Hause. Nach dem Wochenende stand wieder Schule an. Zwei Stunden GW, eine Stunde Deutsch, eine Stunde Chemie und zwei Stunden Mathe. Ich ließ alles auf mich zukommen und hörte auf zu hoffen. Wir redeten in den ersten beiden Stunden noch etwas über unseren Ausflug.

Als Mathe bei Joachim anstand, senkte sich meine Laune. Er machte mit seinem Stoff wie gewohnt weiter, als ob nichts passiert wäre. Wir hatten gerade Polynome. Er ging mit uns alles Schritt für Schritt durch. Als der Unterricht vorbei war, packte ich meine Sachen zusammen. „Emily, kommen Sie schnell noch zu mir" er deutete mit seinem Finger, dass ich zu ihm herkommen soll. Wirklich? Gleich am ersten Tag? Widerwillig ging ich zu ihm nach vorne. Er sah, dass fast alle draussen waren, bevor er anfangen konnte. Als dann der Letzte die Tür ins Schloss fielen ließ, sah er mich an. Ich sah stattdessen nach links und fixierte etwas um ihn nicht anschauen zu müssen. „Hast du heute Zeit?". Ich sah ihn schockiert an. „Eigentlich nicht" ich war es leid immer abgewiesen zu werden und immer wieder Körbe einzukassieren. „Bitte" er sah mich an als ob es wirklich wichtig wäre. Ich seufzte und sah auf den Boden. „Wo und wann?" erneut sah ich auf. Er lächelte warm. „Gleich bei mir". Ich biss mir auf die Zähne. Ich sollte zu ihm nach Hause. Da war ich so lang nicht mehr. Seit unserer Trennung. Ich weiß nicht ob ich das schaffen würde. Er sah es mir an. „Wenn es okay für dich ist". Schlussendlich nickte ich.

Ich schlenderte und ließ mir Zeit als ich auf dem Weg war. Ich dachte über die Tage nochmal nach. Ich hatte immer noch keine Antwort auf das was mir auf dem Dachboden passiert war. Die Antwort liegt vor dir. Immer wieder wiederholte ich die Worte und merkte nicht, dass ich meine Kette zwischen Daumen und Zeigefinger hin und her rollte, dabei sah ich mich um. Ich betrachtete die Kette. Sie war wirklich wunderschön und sie war von ihm. Dann durchfuhr es mich wie ein Geistesblitz und ich blieb stehen. Die Antwort liegt vor dir. Die Kette! Joachim! Aber was soll das bedeuten? Ist Joachim die Antwort? Ich schloss die Augen und überlegte jede Einzelheit, als er sie mir geschenkt hatte. Er hatte damals noch ein Zettel reingelegt wo Ich liebe dich stand. Irgendwie konnte ich den Zusammenhang nur vermuten. Vielleicht ist die Frage ob er mich noch liebt, die Kette die Antwort, weil er sie mir Geschenk hat, weil er mich liebt. Liebte? Ich meine die Kette liegt ganze Zeit vor mir, da ich sie immer trage. Soll das wirklich heißen, dass er liebt mich noch? Nervös kaute ich auf meinem Finger rum, während ich zu ihm lief.

Bei ihm angekommen, klingelte ich. Es ist so ungewohnt. Ich brauchte eine ganze Ewigkeit zu ihm, da wir schon 14.15 Uhr hatten. „Komm rein". Gemacht, getan. Als ich dann hinter ihm den Gang entlang lief, kam dieser sehr vertrauliche Geruch von ihm mir entgegen. Ich atmete tief durch und musste mich zusammenreißen. „Setz dich" hauchte er und ich setzte mich an seinen Glastisch. „Willst du was trinken?". Ich hatte jedoch keine Lust um den heißen Brei zu reden und kam sofort zum Punkt. „Was wolltest du mit mir besprechen?" ich wollte nichts zum trinken, ich wollte Klarheit. Er sah mich an und setzte sich gegenüber von mir hin. Er verhakte seine Finger ineinander und schien zu überlegen.

„Ich muss mit dir über uns reden" er sah mich ernst an. Ich konnte Trauer in seinen Augen sehen. Wie gerne würde ich diese von ihm nehmen. Es tat mir weh ihn so zu sehen. „Ich dachte es wäre alles geklärt" antwortete ich monoton. Er wusste, dass es mir nahe geht und dass ich alles überspiele, dafür kannte er mich zu gut. Er schüttelte leicht den Kopf. „Es gibt so vieles was ich dir sagen muss und du das Recht hast es zu hören". Ich bekam leicht Angst. Ich meine es hatte schon mit mir schlussgemacht, was gibt es noch was ihn belastet und ihm schwerfällt darüber zu reden? Er sah mir tief in die Augen.

His blue eyes | Band 1Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt