Als die Welt in Flammen stand

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Lea POV:
Er tauchte wie aus dem Nichts auf. Stand plötzlich vor dem Nebel, gerade als Thorin sich wieder auf die Beine gekämpft hatte. Azog.
Ein lauter Hornton hallte über alles hinweg und ließ mir das Blut in den Adern gefrieren. Ich versuchte mich irgendwie von dem toten Ork zu befreien, der auf mir drauf lag. Das konnte doch alles nicht wahr sein!
Plötzlich ging der weiße Ork auf Thorin los und schwang dabei sein komisches Keulen-Stein-Dings im Kreis um sich herum. Der Zwergenkönig versuchte so gut es ging auszuweichen und verlor dabei fast das Gleichgewicht, als der schwere Stein neben ihm aufschlug und das Eis gefährliche Risse bekam. Ich wusste nicht, ob es schlimmer war, zu zugucken oder die Augen zuzumachen, aber ich zwang mich dazu, jetzt nicht aufzugeben. Irgendwie würde ich schon hier raus kommen.
Dann war Azog so dumm und schlug so sehr auf das Eis ein, dass es zerbrach und die beiden jetzt nur noch zusammen auf einer kleinen Eisscholle standen. Ich wimmerte, als Thorin ausrutschte und sich nur noch auf dem Boden rum rollen konnte, damit er nicht drauf ging.
Ich rüttelte an dem schweren Körper auf mir und war irgendwann so verzweifelt, dass ich vor Wut noch ein paar Mal mit dem kleinen Dolch reinstach. Das schwarze Orkblut hatte sich schon längst auf meiner Jacke verteilt und frierte langsam ein. Ich stieß diverse unschöne Flüche aus und wusste gleichzeitig, dass mir das auch nicht mehr weiter half.
Wieso? WIESO IST DIESES SCHEIẞ VIECH SO VERDAMMT FETT?
Wenigstens schaffte es Thorin mehrere Male Azog leicht zu verletzen und irgendwann blieb diese Art Wurfstern im Eis stecken und für einen Augenblick sahen sich die beiden einfach nur an.
Mir wurde langsam kalt, weil ich mich ja nicht bewegen konnte und musste erkennen, dass es nicht mehr lange dauern würde, bis das hier alles zu Ende war. Die Adler tauchten am Himmel auf und flogen dicht über uns hinweg in die Orkarmee. Gerade noch so konnte ich ganz klein Radagast und Beorn erkennen, die auf dem Rücken zweier Adler saßen. Wenigstens gewannen wir jetzt die Oberhand im Kampf. Ein Klirren zog meine Aufmerksamkeit wieder auf Azog und Thorin. Der Zwergenkönig hatte das Schwert fallen gelassen, nahm den Stein von Azog und warf ihn einfach in dessen Arme. Dann machte er einen Schritt zurück, sodass er nicht mehr auf der Eisscholle stand. Der weiße Ork hatte erst überhaupt keine Ahnung, was Thorin da gerade gemacht hatte, doch dann hielt das Eis unter seinen Füßen nicht mehr stand und er rutschte ins kalte Wasser.
Eine Stille breitete sich aus und nur die entfernten Kampfgeräusche waren noch zu hören.
„Thorin!", rief ich und strampelte noch einmal mit Armen und Beinen. Ich musste jetzt unbedingt das verhindern, was gleich kommen würde.
Der schwarzhaarige Zwerg drehte sich zu mir und lief schon auf mich zu. Erleichterung stieg in mir auf und ich entspannte mich ein wenig. Doch dann blieb Thorin plötzlich stehen und starrte auf den Boden vor ihm.
„Nein, nein, nein! Bleib bitte nicht stehen, Thorin!", brüllte ich sofort drauf los. Er warf mir noch einen Blick zu und setzte sich dann wieder in Bewegung...
Alles in mir zog sich zusammen, als plötzlich ein Schwert in seinem Fuß steckte. Er schrie vor Schmerz auf und wurde von den Füßen gerissen, als Azog wieder aus dem Wasser brach und auf das Eis sprang. Gleichzeitig brüllte ich mir die Seele aus dem Leib.
Ende.
Thorin war verloren.
Er würde sterben.
Es kam mir wie eine Ewigkeit vor, als Thorin versuchte mit seinem Schwert das von Azog auf zu halten. Es war klar, dass er in dieser Position keine Chance hatte.
Mir liefen schon längst die Tränen in Strömen über das Gesicht und als er aufgab und sein Schwert weg zog, kniff ich die Augen zu. Ich wollte nicht sehen, wie sich die Waffe von Azog direkt ins sein Herz bohrte.
Ich zwang mich, die Augen zu zulassen, hörte aber die Geräusche und wusste genau, was passierte. Thorin tötete Azog ebenfalls und drehte beide herum, sodass er am Ende auf dem Ork drauf saß. Ich konnte förmlich vor mir sehen, wie sich beide in die Augen starrten, während Azog seinen letzten Atemzug tat. Dann wurde es gefährlich still.
Ich machte wieder die Augen auf und konnte gerade noch sehen, wie Thorin zu Boden sank. Ich schrie immer wieder seinen Namen und wusste nicht, was ich tun sollte. Ich kam hier einfach nicht weg. Doch dann kam meine Rettung.
„Bilbo!", brüllte ich und winkte wild mit der freien Hand. Der Halbling wollte erst zu Thorin rennen, doch ich rief: „Nein, komm zu mir. Ich kann ihm helfen!"
Bilbo drehte auf halbem Weg ab und rannte zu mir. Als er bei mir ankam, ließ er sich neben mir nieder und zusammen schoben wir diesen fetten Ork zur Seite. Dieses verdammte Viech war an allem Schuld.
Ich brauchte ein bisschen, um mich aufzurichten. Der kleine Hobbit war mittlerweile wieder bei Thorin und redete auf ihn ein. Ich rannte und rutschte über die Eisfläche und fiel dabei mehrere Male auf das schmerzhaft harte Eis. Ich würde nach Alldem hier nur noch blaue Flecken und Prellungen haben.
Als ich endlich bei den beiden angekommen war, sank ich neben Thorin nieder. Er drehte den Kopf zu mir und sah mich mit schon trüben Augen an. Er hustete einmal, bevor er leise meinen Namen hervor brachte. Ich konnte vor lauter Tränen nur noch verschwommen sehen, aber sogar ich konnte noch erkennen, dass diese grässliche Wunde auf seiner Brust viel zu tief war, sodass er es nicht überleben konnte. Über uns zogen die Adler ihre Kreise, doch das war mir im Moment alles egal.
„Bilbo, hol Hilfe. Am besten Bofur und Balin, schnell!", sagte ich zu dem Hobbit, als ich nach Thorins Hand griff. Sie war schon viel zu kalt. Bilbo tat im ersten Moment gar nichts, doch als ich ihn hysterisch an schrie, rappelte er sich auf und verschwand wieder.
„Es wird alles gut, Thorin. Du wirst nicht sterben, hörst du?", schluchzte ich und drückte seine Hand fester. Doch der Zwergenkönig schüttelte leicht den Kopf.
„Ich muss dir noch etwas sagen, bevor...", seine Worte gingen in einem weiteren Hustenanfall unter.
„Schhh, du musst mir gar nichts sagen, weil du nirgendwo hingehst.", sagte ich leise.
„Ich...", fing er wieder an, kam aber nicht weit. Er atmete nur noch flach und ich wusste, dass mir die Zeit davon lief.
„Thorin, ich kann dich retten. Genauso wie damals auf dem Carrock, weißt du noch? Ich hab eine Kette, die...", versuchte ich ihn abzulenken, während ich nach dem Lederband um meinen Hals suchte. Doch da war nichts.
Panisch machte ich meine Jacke noch weiter auf und tastete nach der Schmuckschließe.
„Sie ist weg.", flüsterte ich leise und unterdrückte ein Schluchzen.
„Sie ist weg!", wiederholte ich nun lauter und ließ Thorins Hand los. Dann krabbelte ich um ihn herum und suchte alles ab, während sich mein Herz schmerzhaft zusammen zog. Und dann fiel es mir schlagartig ein. Ich hatte die Kette schon lange nicht mehr, sehr lange. Ich musste sie irgendwo beim Düsterwald verloren haben.
„Nein", sagte ich leise und merkte, wie die Tränen immer weiter über meine Wangen liefen.
„Mir...ist kalt", brachte Thorin stockend hervor und ich rutschte wieder zu ihm. Dann legte ich mich neben ihn und schlang meine Arme um ihn.
„Es...es tut mir so leid. Ich hab sie nicht mehr. Ich kann dir nicht mehr helfen. Es tut mir leid", weinte ich und griff wieder nach seiner Hand.
„Nein, mir tut es leid. Alles...was ich dir angetan habe", sagte er und ich merkte, wie sein Griff schwächer wurde. Jetzt erst merkte ich, dass ich selber am ganzen Körper zitterte.
„Es ist okay, Thorin. Ich bin bei dir. Lass...lass einfach los", flüsterte ich und drückte mich enger an ihn.
„Athanu men*", raunte er so leise, dass ich es fast nicht mehr verstand.
Es kam mir wie eine kleine Ewigkeit vor, wie wir beide da lagen und in den Himmel sahen. Ich merkte, wie er das letzte Mal atmete und wie sein Herz für einen kurzen Moment rasend schnell schlug, bis es schließlich ganz aufhörte.
Ich biss mir auf die Lippe, um nicht los zu schreien und murmelte immer wieder seinen Namen. Doch das nützte natürlich nichts. Er war jetzt bei seinem Vater und seinem Großvater in den heiligen Hallen. Balin hatte mir einmal erzählt, dass die Zwerge daran glaubten, nach dem Tod mit ihren Ahnen zu schmieden und ich hoffte einfach nur, dass er da, wo er jetzt war, glücklich war.
Und dann sagte ich etwas, was ich schon viel früher hätte sagen sollen: „Ich liebe dich. Ich liebe dich. Ich liebe dich. Ich liebe dich..."
Ich wiederholte diese drei Worte immer wieder, bis sie ineinander verschwammen und man nicht mehr verstand, was ich da sagte, doch ich konnte einfach nicht aufhören.
„Thorin!", brüllte jemand und dann hörte ich ganz viele Stimmen auf einmal. Bilbo hatte wohl Hilfe geholt, doch sie war längst zu spät.
Mehrere Hände auf einmal griffen nach dem Zwergenkönig und rüttelten ihn durch, in dem verzweifelten Versuch, ihn wieder zurück zu holen.
„Hört auf!", sagte ich leise und klammerte mich an Thorin fest, als hinge mein Leben von ihm ab.
Ich hörte die Stimme von Fili, der nach seinem Onkel rief und immer mehr Leute redeten auf mich ein. Irgendwann wurde es mir zu viel.
„HÖRT AUF! LASST IHN IN RUHE! ALLE!", brüllte ich und jeder sah mich erschrocken an. Doch dann entfernten sie sich von mir und Thorin und verbeugten sich vor ihrem König. Ich sah, dass viele der Zwerge weinten und wie Fili am Boden zerstört war.
Dann erschien auch noch Kili, der völlig aufgelöst war und irgendetwas von Franzi redete, bis sein Blick auf seinen Onkel fiel. Auch er reagierte wie sein Bruder und Bilbo versuchte ihn irgendwie zu beruhigen. Irgendwann kam Gandalf und kniete sich neben mir nieder.
„Lea...", fing er leise an. Ich ignorierte ihn und hielt Thorin weiter fest, der in meiner Umarmung schon längst kalt geworden war.
„Wieso hast du die Kette nicht benutzt? Du kannst ihn doch retten!", sprach mich der alte Zauberer wieder an.
„Sie ist weg. Ich hab sie verloren", krächzte ich und wandte mich dann wieder von ihm ab.
„Komm, du musst aufstehen. Die anderen wollen Thorin noch seine letzte Ehre erweisen, bevor wir ihn begraben."
„Nein", entgegnete ich sofort und Gandalf seufzte. Ich stemmte mich gegen ihn, als er mich von Thorin weg zerren wollte, doch das würde ich nicht zu lassen. Ich wollte ihn jetzt noch nicht los lassen. Ich wollte mir noch nicht eingestehen, dass er tot war. Dass er nie mehr zurückkommen würde. Denn das könnte ich nicht ertragen.


*Meine Königin

Vier Bekloppte in MittelerdeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt