Chapter 31

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"Er ist kein Monster. Nächstenliebe ist einfach nicht seine Stärke."

Der Mond war bereits am Himmel in seiner ganzen Pracht zu bestaunen, als ich zögerlichen Schrittes den Hof betrat und mir durch die Hosentaschen vor Nervosität in meine Oberschenkel kniff. Mich plagte ein schlechtes Gewissen, obwohl ich nicht einmal den Grund dafür kannte. Ich hatte nichts verbotenes getan. Oder war es einem zu verübeln, sich mit Freunden zu treffen? Freunde, die ein wenig empfindlich mit ihrem Lieblingsort umgingen. Freunde, die ziemlich empfindlich damit umgingen und es mit aller Kraft zu verhindern versuchten, für sich zu behalten. Zugegeben, mir war nicht klar, was mich in die engere Auswahl befördert hatte. Ich konnte sie schließlich jederzeit verraten und die gesamte Schule an diesen Ort führen. Vielleicht wirkte ich aber auch einfach wie eine vertrauenswürdige Person, die ich sicherlich auch war. Die mich umbegende Stille war keinesfalls im positiven Licht zu betrachten. Sie erdrückte mich bei jedem Schritt, den ich ging mehr. Was mich wohl dieses mal erwartete? Sprang Ethan gleich aus dem Gebüsch und stellte mich zur Rede? Fand ich Logan halb zerfetzt in der Ecke? Ich erwartete alles, doch dass das Ganze mit mir zu tun hatte und das wegen Zachary, das hätte ich nicht einmal in einem meiner kuriosesten Träumen erahnen können. "Ethan?" Rief ich leise in die Werkstatt hinein, doch der Schwarzhaarige war, untypischerweise, nicht dort. Normalerweise hielt er sich bis in die späten Abendstunden dort auf, um an den Motorrädern herumzuschrauben, nur heute schien er etwas besseres vorzuhaben. Um mich vor dem Wohnhaus so lange wie möglich zu drücken, suchte ich Joshua, mit dem ich normalerweise garnichts am Hut hatte. Im Normalfall polierte er seine Gewehre oder probierte sie hinter der Werkstatt aus, doch heute war es ungewöhnlich still. "Die Wette ist wohl gelaufen." Ertönte plötzlich eine Stimme hinter mir und war mit solch einer gehässigen Enttäuschung erfüllt, dass es mich erschaudern ließ. "Welche Wette?" Knurrte ich verärgert, da es nicht zu übersehen war, dass ich etwas damit zu tun gehabt haben schien. "Dass du längst über alle Berge bist." Er machte eine künstlerische Pause. "Oder zerfleischt, je nachdem." Seufzend fuhr ich mir durch die Haare. Zerfleischt, klar. Von wem denn bitte? Hier gab es sicher weit und breit kein anderes Wolfsrudel, das mir etwas anhaben könnte. Hier schien absolut tote Hose zu sein, während damals bei Dad jeden Tag fremde Wölfe durch die Straßen schlichen. So unterschied sich das Leben in der Stadt nun einmal mit dem Leben auf dem Land. Es gab von allem deutlich weniger. Was zugegeben, nicht unbedingt negativ war. "Ich kann auf mich selbst aufpassen. Außerdem war ich bloß in der Stadt shoppen, wie ein normales Teenagermädchen." Verteidigte ich mich und beobachtete Joshua dabei, wie er mich amüsiert von oben bis unten musterte. "Shoppen?" Fragte er vergewissernd nach und nickte überschwänglich, als ich zustimmte. "Und was hast du ergattert, Luft?" Ich biss mir auf die Unterlippe. Ich hätte mir keine schlechtere Ausrede zurechtlegen können. Schließlich hatte ich keine Tüten dabei und erst recht kein Portmonee. Um keine weiteren Fragen für meinen Verbleib aufkommen zu lassen, lenkte ich eilig ab. "Was habt ihr heute veranstaltet? Es ist viel zu ruhig, als dass es ein gewöhnlicher Tag sein könnte." Joshua spuckte seinen hölzernen Stiel, der wohl von einem Eis stammte, in den Dreck und legte seine Pistole beiseite, ehe er das Gespräch wieder aufnahm. "Wir? Wohl eher deine Kröte von Bruder." Es war nichts Neues, dass Diego Streit entfachte, weshalb ich bloß mit den Schultern zuckte und das Geschehene als einfache Auseinandersetzung bezeichnete. Joshua jedoch, war ganz anderer Meinung. "Dass er noch lebt, ist dein Verdienst. Zachary hätte jeden anderen auf der Stelle ins Jenseits geschickt."

"Diego? Diego!" Schrie ich wie eine Verrückte durch das Haus und rannte, wie von der Tarantel gestochen, auf das Zimmer meines kleinen Bruders zu. "Diego!" Wiederholte ich mit zittriger Stimme und schlug die Tür im hohen Bogen auf. Völlig außer Atem stand ich in mitten des Zimmers und schaute in, vor Wut tobende, Augen. "Was ist passiert?" Brachte ich keuchend heraus, schloss die Tür unsanft und eilte zu ihm aufs Bett. Sein Hoodie versteckte all das, was ich nicht zu Gesicht bekommen sollte und schon der Gedanke an das, was Zachary mit ihm angestellt haben könnte, jagte mir einen Schauer über den Rücken. "Das frage ich dich!" Keifte er mich an und versuchte größtmöglichsten Abstand zu mir aufzubauen. "Wo warst du?!" Ich konnte nicht deuten, ob er bloß verärgert darüber war, dass ich zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort gewesen war, oder ob es ihn tiefer getroffen hatte. Ob die roten Augen vom vergangenen Streit zurückgeblieben waren oder sich Tränen in ihnen bildeten. "I..ich war bei Freunden." Stotterte ich und strich ihm beruhigend über den Arm, doch stellte jegliche Form des Tröstens ein, als er mich zurückwies. "Bei Freunden? Und warum wusste Logan dann nichts davon?" Ich schluckte, genügend Zeit für Diego sich in meine Gedanken zu schleichen und nötige Antworten zu finden. "Er wusste es und hat trotzdem dicht gehalten. Mit welcher Begründung?" Seine Augen durchleuchteten mich, wie bei einem Verhör. Und ich? Ich schwieg. Vollkommen überfordert mit dieser Situation, schwieg ich. "Was ist passiert?" Knurrte ich energisch und stellte meine Drohung erst wieder ein, als Diego sich dazu entschied, nachzugeben und mich einzuweihen.

"Ich bringe ihn um." Meine erste und letzte Reaktion, als mein kleiner Bruder seine Erzählung beendete und mich mit großen Augen musterte. "Ich bringe ihn um."

The Alpha And MeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt