Im Licht der Straßenlaterne (BoyxBoy)

Einsam

Sicht von Ruby

Ich weiß nicht, wo ich bin. Ich erkenne nichts wieder; weiß nicht, ob ich hier vorher langgelaufen bin, oder nicht. Denn um mich herum ist immernoch alles schwarz. Nachdem ich eine ganze Weile gerannt bin, hat es mich erwischt. Mein Kreislauf spielt verrückt. Ich weiß nicht wo vorne und wo hinten ist. Ich bin voll mit Hass, voll mit Trauer. Ein unbeschreibliches Gefühl. Langsam, lege ich meine Hände auf meine Ohren, um das unaushaltbare hohe Geräusch, welches sich in meinem Kopf breit gemacht hat, irgendwie abzudämpfen. Anscheinend kommt es nicht von draußen, es kommt von innen. Wie ein Piepen. Während der Rest, den ich höre, sich wie unter Wasser anhört, höre ich dieses Geräusch klar und deutlich. Ich habe keine Kontrolle darüber was ich höre und was ich sehe. Es ist, als würde mein Kopf von jemand anderen gesteuert werden und dieser Jemand möchte mich in den Wahnsinn treiben.

Wann fing es an? Es muss angefangen haben, als dieser Florian von seinem Hass gegenüber mir berichtet hat. Aber was habe ich getan, dass ich das verdient habe? Es war schon immer so, nur weil ich so geboren wurde. Menschen hassen mich, das ist mir klar. Doch wie kommt es, dass einige von ihnen trotzdem nett zu mir sind und mich bei ihnen haben wollen? Kai und Tim. Sie sind besonders. Dieser Florian ist bloß wie alle anderen. Trotzdem ist er Kais bester Freund. Nachdem ich ihn geschlagen habe, wird er bestimmt Kai alles erzählen und ich kann mich nicht mehr bei ihm blicken lassen. Wäre es doch wenigstens Notwehr gewesen, das war es aber nicht. Ich hatte schlicht und einfach Lust, ihn zu schlagen. Wer weiß, was passiert wäre, hätte Tim mich nicht aufgehalten. Mit meinen Gefühlen, so wie sie gerade sind, garantiere ich für nichts mehr.

Während ich umher taumel, beginnt mein Magen plötzlich zu grummeln. Ich bin wirklich durstig, ich habe Hunger. Es ist schon Stunden her, dass Kai mich hat trinken lassen. Würde er es von jetzt an überhaupt noch tun? Ich lege meine Hände auf meinen Bauch. Kein Wunder, dass mir schlecht ist. Doch wo bekomme ich nun etwas zu essen her?

Bei Tim und Kai

Tim legt Kai behutsam die Hand auf die Schulter. Als dieser seinen Kopf zu ihm dreht, lächelt Tim ihn hilflos an: "Wir sind schon stundenlang unterwegs... Es wird gerade dunkel und der Alarm ging vorhin. Ich glaube, wir sollten besser gehen." Kai braucht noch etwas Zeit, um zu antworten. "Aber was ist mit Ruby?" - "Der wird schon wieder auftauchen. Er ist doch schlau.", versucht Tim ihn aufzumuntern: "Vielleicht ist er ja auch schon längst an deinem Haus und wartet dort auf dich." Mit einem überlegenden Blick sieht Kai nach unten: "In Ordnung.. Aber gib mir seine Sachen mit. Ich geb sie ihm, wenn er wieder da ist." Schweigsam nickend, holt Tim Rubys Smartphone aus seiner Tasche und hält auch zwei Plastiktüten zu Kai: "Das ist alles." Nickend nimmt Kai wie entgegen: "Ich hoffe, er ist heute noch wieder da..." Darauf antwortet Tim nicht. Er kann nicht, da er nicht weiß, was passieren wird. Würde er sagen, er ist an Kais Haus, wäre es eine Lüge, wenn er es nicht ist. Andersrum genauso. Deshalb streichelt er einfach über Kais Haar:" Du musst runterfahren... Ihm geht's schon gut."

An seiner Haustür verabschiedet Kai sich von Tim. Er schließt die Tür, schlüpft aus seinen Schuhen und geht mit Rubys Sachen hoch in sein Zimmer. Zuhause auf Kai gewartet hat Ruby also schonmal nicht. Allerdings hat Kai auch nicht allzu viel erwartet. Er würde wahrscheinlich diese Nacht nicht mehr auftauchen, also weiß Kai schon, was er morgen vor hat. Erschöpft, legt er Rubys Tüten neben sein Bett. Beide Smartphones legt er auf seinen Nachttisch. Ruby ist nichtmal einen Tag verschwunden und schon fühlt es sich an, als wäre er schon Jahre weg. Bevor Ruby kam, war Kai daran gewöhnt, allein in seinem Zimmer zu sein. Nun fühlt es sich unglaublich einsam an.

Kai zieht sich seine Kleidung langsam aus und legt sich in Unterwäsche auf sein Bett. Er ist sehr müde, bezweifelt aber, dass er diese Nacht gut schlafen kann. Zu groß sind die Sorgen, die er sich wegen Ruby macht. Er muss wieder auftauchen. So würde es ihnen beiden deutlich besser gehen.

Alle machen sich Sorgen und unser lieber Ruby ist einfach nurnoch komplett überfordert. Hoffen wir mal, sie finden schnell wieder zueinander. 🤔

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