Kapitel 58

758 59 3
                                    

Als Bernd sich am nächsten Tag immer noch nicht gerührt hatte, hielt ich es nicht mehr aus. Ich musste ihn einfach anrufen, auch wenn Sergi und Ivan mir eingepredigt hatten, es nicht zu tun. Ich sollte nicht zu abhängig wirken, nicht zu verliebt und anhänglich. Aber ich wollte und konnte einfach nicht mehr warten. Ich brauchte Bernd's Stimme jetzt einfach. Das Training lief nicht so, wie ich es wollte und ich brauchte einfach Bernd's Zuspruch. Zwiegespalten und ziemlich niedergeschlagen ließ ich mich auf mein Sofa sinken und wählte seine Handynummer. Es tutete gefühlte Ewigkeiten und ich wurde immer nervöser. Endlich ging jemand ran, doch anstatt, dass ich erfreut war, blieb mir fast das Herz stehen, als ich die Stimme erkannte. "Was willst du?", pampte mich Karim durch den Hörer an, der meinen Namen wohl auf dem Display gelesen haben muss.
"Ich... ist-ist Bernd da?", fragte ich unsicher.
"Er ist für dich nicht zu sprechen", bekam ich als Antwort.
"Aber warum denn nicht? Karim, was soll das? Ich möchte doch einfach nur mit meinem Freund reden", sagte ich und konnte nicht verhindern, dass meine Stimme schon leicht verzweifelt klang. Ich hatte jetzt einfach keinen Nerv auf eine Diskussion. Ich wollte mit Bernd sprechen und seit wann war Karim eigentlich wieder so auf Krawall gebürstet?
"Ach Marcilein, versteh doch, Bernd hat keine Zeit für dich. Weder in den letzten Tagen, noch heute, noch irgendwann", flötete mir Karim ins Ohr.
"Was? Lass die blöden Witze und gib mir bitte endlich meinen Freund! Mein Tag war schon beschissen genug!", seufzte ich.
"Nein", erwiderte Karim höhnisch lachend.
"Aber-Aber...", setzte ich an und fühlte mich immer hilfloser.
"Man spricht sich Marcilein, oder halt auch nicht", verabschiedete sich Karim höhnisch und gehässig und bevor ich noch etwas sagen konnte, hatte er aufgelegt. Langsam nahm ich mein Handy vom Ohr und starrte es entgeistert an. Das konnte doch jetzt nicht sein Ernst sein! Versteh einer Karim's Humor. Ich tat es definitiv nicht und lustig war das Ganze überhaupt nicht! Genervt wählte ich erneut Bernd's Nummer und wurde zu meinem Entsetzen weggedrückt. Das durfte jetzt doch einfach nicht wahr sein! Warum tat Bernd das? Ich dachte er würde mich lieben! Wieso drückte er mich dann einfach weg und ließ seinen besten Freund an seiner Stelle ans Handy gehen? Warum tat er es nicht selbst? Warum wies er mich ab, wo er doch behauptet hatte, dass er mich liebte? Was hatte ich getan, um dieses Verhalten zu verdienen? Was war verkehrt mit mir? Mit ihm? Mit unserer Beziehung? Mir stiegen die Tränen in die Augen. War es ein Fehler gewesen mich auf Bernd einzulassen? Spielte er nur mit mir? War ich doch nur sein Spielzeug gewesen, dass er jetzt kalt stellen wollte? Verzweifelt schnappte ich mir ein Sofakissen und drückte es ganz fest an meine Brust. Dann ließ ich meinen Tränen einfach freien Lauf. Das Leben war doch einfach nur beschissen! Ich bemerkte gar nicht wie das Kissen langsam feucht von den Tränen wurde, die ich hatte laufen lassen. Eine ganze Weile saß ich so da. Zusammengekauert mit dem Kissen als einzigen Halt an meine Brust gedrückt.
Ich verstand wirklich nichts mehr. Wieso war Karim an sein Handy gegangen? War ich ihm nicht mehr gut genug, dass er seine Zeit mit mir verschwendete?
Ich hing noch eine ganze Zeit lang so meinen Gedanken nach, bis mein Handy wieder neben mir mit einer Nachricht aufblinkte. Schnell lass ich den kurzen Text:
"Hör auf mich anzurufen! Ich hab im Moment keine Zeit für dich!"
Als ich diese Zeilen gelesen hatte, brach schließlich auch der letzte Damm bei mir. Ich schmiss mein Handy ans andere Ende der Couch und schluchzte laut los.
Er hat keine Zeit für mich. Er interessiert sich nicht mehr für mich. Ich bin ihm egal. Unaufhaltsam liefen die Tränen über meine Wangen. Er liebt mich nicht mehr, hat er vielleicht auch nie. Ich war nur gut genug für den Moment aber jetzt hatte er wieder besseres zu tun als sich mit mir abzugeben. Ich war egal. Wie Luft. Und so saß ich auf dem Sofa und weinte ununterbrochen weiter, bis ich schließlich vor Erschöpfung einschlief.

CollideWo Geschichten leben. Entdecke jetzt