12 - Die Anhänger des Drachen

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Gefährliche Freundschaft
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Kapitel 12

Säulen und Statuen standen zahlreich an vielen Ecken und Eingängen der Stadt. Sie war wahrlich strahlend, und es wirkte beinahe so, als hätte man einen Eimer Gold über den Häusern ausgekippt, die zwar Hütten einer simplen Bauweise waren, aber dennoch verziert bis zum Dach. Die Stadt war reich, doch sie hatte erst vor kurzer Zeit derartiges Reichtum erworben und wollte es nicht durch den Neubau von Häusern ausgeben, sondern lieber für die pompösen, goldenen Drachenstatuen und die filigranen Verzierungen an allen Wänden.

Vin, ihrerseits beeindruckt, konnte ihre Augen nicht von den Statuen abwenden. Jede schien einen anderen Drachen darzustellen und es handelte sich um die Drachen, mit denen Atlas immer geflogen war, dessen war Vin sich sicher. Eine Statue Atlas' konnte sie jedoch nicht erkennen, vermutlich war sie an einem anderen Ort in der Stadt.

Doch viel Zeit zum Angucken der Stadt hatte sie nicht. Die Stadtbewohner waren alle aufgeregt aus ihren Hütten und Häusern gekommen, um den Drachen zu sehen. Vin hatte bereits vorher vermutet, dass diese Stadt den Drachen nicht abgetan war, wenn es Statuen von jenen gab, doch dass die Bewohner Atlas und sie derart umringten und wie Könige oder gar Götter anhimmelten, behagte ihr gar nicht. Aber am meisten war sie genervt von der Tatsache, dass doch nicht alle Menschen die Drachen zu hassen schienen, wie sie zuvor gedacht hatte. Ob Hasser oder fanatische Anhänger nun schlimmer waren, konnte sie jedoch nicht sagen.

Allerdings war es nun zu spät, sich von dem großen, auffälligen Drachen zu entfernen, denn die Leute hatten sie bereits gesehen und blockierten außerdem jede Fluchtmöglichkeit. Vin, die es noch nie gemocht hatte, wenn zu viele Menschen auf einem Haufen waren und sich außerdem möglichst weit von den größten Massen fern gehalten hatte, bekam immer mehr Panik. Wie war der Drache nur auf eine derartige Schnapsidee gekommen? Er kannte diese Stadt und dessen Bewohner doch und musste deswegen doch wissen, dass sie bestürmt werden würden! Dass sie die Eier hier finden würden, glaubte sie auch nicht.

Heftig ein- und ausatmend tippte sie Atlas an, welcher zuerst nicht reagierte. Doch als sie dann noch ihn per Gedanken rief, wandte der Drache ihr den Kopf zu und sah nach wenigen Augenblicken, dass sie unter den vielen Menschen in Panik geraten war. Innerhalb von Bruchteilen einer Sekunde reagierte er und zog das Mädchen mit der Klaue zu sich, um sie dann auf seinen Rücken zu werfen.

Es tat Vin nicht sonderlich weh, lediglich hatte es sie überrascht, dass sie sich nun erneut auf dem Rücken des Drachens befand. Obwohl sie geworfen worden war, hatte sie schnell halt an der Rückenstacheln finden können. Zitternd umfasste sie den Stachel, den sie bereits auf dem Hinflug zum Festhalten genutzt hatte. Da sie sich auf den Rücken des Drachens konzentriert hatte, nahm sie zuerst gar nicht wahr, wie das große Lebewesen seine Zähne gebleckt hatte und fauchte, sodass die Menschen zurückwichen und ihnen somit mehr Freiraum gaben.

Erleichtert lehnte Vin sich gegen den Stachel hinter ihr und schloss kurz die Augen, um wieder zur Ruhe zu kommen. Es war nicht so, dass sie die Nähe von Menschen verabscheute, doch in ihrem Dorf hatten nie derart viele Leute auf einem Haufen gestanden und waren erst recht nicht auf sie zugestürmt und hatten sie bedrängt.

Jetzt jedoch hatten sich die meisten sowieso in ihre Häuser zurückgezogen, aus Angst vor dem Zorn des Drachens. Die Anderen jedoch standen noch immer in einem weiten Abstand von dem Drachen entfernt und blickten Atlas und Vin mit einer Mischung aus Respekt und Neid an.

»Danke«, flüsterte Vin leise, ehe sie sich erneut den Leuten zuwandte. »Wieso muss ich jetzt eigentlich mit ihnen sprechen?«, fragte sie, denn noch immer gefiel es ihr nicht, im Zentrum der Aufmerksamkeit zu stehen. Als Antwort erhielt sie nur ein Schnauben: »Das hatten wir doch schon. Weil die anderen mich nunmal nicht verstehen.« Das war für den Drachen schwer zuzugeben, denn er bezog dieses Verstehen nicht nur auf das Gesprochene, sondern auch auf seine missliche Situation. Und Vin verstand ihn in beiderlei Hinsicht.

Der Fall des Drachen [1] - Gefährliche FreundschaftWhere stories live. Discover now