Kapitel 6 ~ boy meets evil

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- Hinata -

Ich schaue auf die Uhr meines Handys. Kurz nach vierzehn Uhr. Kein Wunder, dass ich schon wieder Hunger habe. Nach dem gewonnenen Dancebattle heute Morgen will ich einfach nur meine Ruhe. Ich kann es nicht wirklich leiden, wenn ich zu viel Aufmerksamkeit bekomme.

Ich sitze auf einer Parkbank auf einer großen Rasenfläche. Um mich herum stehen Magnolien und Kirschbäume und verbreiten einen süßlichen Duft. Ich komme gern in diesen Park. Vor allem im Frühling und Sommer sieht es hier aus wie in dem Bilderbuch, das ich immer mit Yuki angeschaut habe, als wir noch klein waren.

Lächelnd schließe ich die Augen. Die warme Frühlingssonne scheint mir ins Gesicht, die Vögel zwitschern und die Blätter der Bäume rauschen im Wind, sodass es fast wie eine Melodie erscheint. Der Park ist so genial gebaut, dass man fast nichts von dem Lärm der Stadt hört.

Wie gerne würde ich solche Momente mit Yuki teilen. Wenn sie jetzt hier wäre, könnten wir zusammen die Schönheit des Parks bewundern. Wir würden gemeinsam lachen und fröhlich sein.

Manchmal telefoniere ich noch mit ihr, aber das ist wegen des Zeitunterschiedes zwischen Südkorea und Deutschland ziemlich schwierig und selbst wenn wir telefonieren, ist es doch nicht das Selbe. Ich kann sie nicht sehen und traue mich nicht mit ihr zu skypen, da ich panische Angst vor heimlichen Zuschauern habe. Überhaupt habe ich so eine Art Internet-und-Social-Media-Phobie oder wie auch immer man das nennen will.

Plötzlich fällt ein Schatten auf mich. Ich öffne träge ein Auge, schließe es aber stöhnend wieder, als ich erkenne, wer vor mir steht: Kim Namjoon, der Leader der Bangtan boys.
Das war's dann wohl mit der Ruhe
, denke ich frustriert. Wo einer der Boygroup auftaucht, sind die Anderen meist auch nicht weit. Können die nicht wenigstens einen Tag lang aus meinem Leben verschwinden? - Obwohl, wo wir gerade dabei sind, am besten gleich für immer.

Ich höre wie Namjoon sich räuspert und mache nun seufzend beide Augen auf.

"Kann ich mich zu dir setzen?", fragt er mit einem leichten Zögern in der Stimme. Wortlos rutsche ich ein Stück nach rechts und er lässt sich neben mich auf die Bank fallen. Ich starre stur gerade aus. Er soll ruhig merken, dass er und seine Jungs von mir aus bleiben können, wo der Pfeffer wächst.

Aber auch er schweigt einfach bloß. Als ich es nach einer Weile nicht mehr aushalte, frage ich ihn genervt: "Was machst du hier? Du bist doch bestimmt nicht hergekommen, um schweigend auf einer Bank zu sitzen und zu warten, bis der Tag vergeht."

Er schmunzelt ein wenig: "Nein, eigentlich nicht. Ich war mit Jin einkaufen und er steht jetzt an einem Geschäft an, um sich noch einen Coffee-to-go zu kaufen. Aber scheinbar bist du gekommen, um schweigend auf einer Bank zu sitzen und zu warten, bis der Tag vergeht. Da habe ich gedacht, ich setze mich mal zu dir und wir schweigen gemeinsam."

Ich verdrehe die Augen. Er hat also gedacht, aha. Wenn Männer anfangen zu denken, kommt meistens nur Scheiße bei raus. Mein Vater hat diesen Satz auch einmal verwendet.
Ich habe gedacht, wir könnten nach Korea ziehen...
Ja, genau Vater, ganz toller Einfall!

So schweigen wir uns eine Weile an, bis er schließlich seufzt: "Ich frage mich langsam wirklich, was du gegen uns hast. Wir haben dir schließlich nichts getan, aber du bist immer total abweisend."

Bis gerade eben war ich einfach nur zum Sterben müde und genervt von meinem Vater. Bis gerade eben - jetzt werde ich wütend.

"Ihr habt mir nichts getan?!", keife ich ihn an.
"Vielleicht habt ihr es nicht aktiv, aber passiv habt ihr mehr als das. Ihr seid die ganze Zeit glücklich und ihr habt allen Grund dazu: Ihr habt eine Menge Geld und ihr habt euch! Aber was ist mit mir? Warum ist euch das Glück vergönnt einander zu haben und ich muss getrennt von meiner Schwester leben? Ihr seid der einzige Grund, warum ich noch in Seoul bin und sie am anderen Ende der Welt!"

Die letzten Worte spucke ich ihm praktisch entgegen. Mir sind die Tränen in die Augen gestiegen. Eigentlich weine ich nie, erst recht nicht vor anderen Leuten, aber jetzt ist es mir gerade sowas von egal. Soll er doch sehen, dass ich leide! Soll er doch wissen, dass er und seine Jungs schuld daran sind!

Er sieht mich schockiert an. Ja, damit hat er wahrscheinlich nicht gerechnet, denke ich fast schon schadenfroh. Innerlich verzieht sich mein Mund zu einem sarkastischen Lächeln.

Am liebsten wäre ich jetzt aufgesprungen und weggelaufen, aber dazu bin ich viel zu erschöpft. Ich schließe ich die Augen und sacke in mich zusammen. Ungefähr zwei Sekunden passiert überhaupt nichts, aber dann nimmt mich Namjoon in den Arm. Ich wehre mich nicht, dazu fehlt mir die Kraft und wenn ich ehrlich zu mir selbst bin, ist es das, was mir am meisten gefehlt hat, seit Yuki weg ist. Jemand, der nicht nachfragt, sondern mich einfach umarmt.

Ich kuschle mich in seine Arme und höre langsam auf zu schluchzen. Auf einmal fühle ich mich einfach nur noch leer. Leer und müde. Das gleichmäßige Schlagen seines Herzens beruhigt mich. Ich spüre, wie ich langsam in den Schlaf übergehe.

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-Mie

Am anderen Ende der Welt | BTSWo Geschichten leben. Entdecke jetzt