Kapitel 79 ~ Ende vom Anfang

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- Hinata -

Keiner sagt ein Wort, während wir über den Friedhof laufen. Keiner versteht, was hier wirklich passiert ist und keiner will es einfach so akzeptieren. Es ist nun schon drei Wochen her, seit Nyu bei dem Busunglück ums Leben kam.

Vor zwei Tagen waren wir alle gemeinsam in der Trauerhalle neben dem Krankenhaus, um Nyu endgültig zu verabschieden. Einer nach dem anderen traten wir in den kleinen Nebenraum ein, in dem auf einem geschmückten Tisch ein Bild von Nyu, eingerahmt in einem schlichten schwarzen Rahmen, stand.

Nyus Mutter kniete vor dem Trauertisch und betete. Es war der zweite Tag der Trauerfeier, dennoch liefen ihr die Tränen beständig über die Wangen. Als sie uns kommen sah, zog sie erst Lee und dann Jimin in ihre Arme.

Ich sehe das Tischchen noch vor mir, wie die Fotografie der lächelnden Nyu von Blumen geschmückt war. Zwei schwarze Scherpen lagen über der weißen Tischdecke. Ich ging vorsichtig auf die Stätte zu und legte den Blumenstrauß darauf ab, so dass die Blumen in Richtung des Bildes zeigten.

Ich glaube, das Schlimmste war wirklich in diesen Raum zu gehen und Nyus lächelndes Gesicht auf diesem Bild zu sehen. Aber wenn ich es schon kaum ertragen habe, wie schlimm muss es dann für Jimin gewesen sein? Er hat sie mehr geliebt als wir alle, da bin ich mir sicher.

Kurz bevor wir wieder zurück wollten, bin ich noch einmal zu dem kleinen Raum gegangen. Die Tür stand einen Spalt offen. Als ich hindurch sah, saß da Jimin vor dem Tisch. Er hatte den Kopf gesenkt und schien mit jemandem zu sprechen. Ich ging noch ein Stück näher zur Tür, gerade so, dass er mich nicht bemerkte.

"Ich konnte dir nicht einmal sagen, wie sehr ich dich liebe. Ich hoffe, du hast es gewusst. Aber gesagt habe ich es dir nie. An dem Tag wollte ich dich eigentlich fragen, ob du meine Freundin sein willst."

Jimin schluchzte. Ich schluckte schwer. Ich hatte doch keine Ahnung, dass sie noch gar kein Paar waren. Für mich war das Ganze immer so eindeutig. Aber ich hatte ja auch nichts davon mitbekommen, dass Moe Jin betrog.

An dem Tag der Trauerfeier hatte keiner mehr groß was gesagt. Jimin war sofort in seinem Zimmer verschwunden und ließ sich die Tage danach auch nicht mehr blicken. Nyu konnte nicht einmal mehr mit erleben, wie die Jungs ihren Vertrag kündigten. Ihr Leben war vorbei, bevor es überhaupt richtig angefangen hatte.

Nun, zwei Tage nach der Trauerfeier, gehen wir noch einmal das Grab besuchen. Die warme Herbstsonne ist verschwunden. Es ist beinahe so, als würde das Wetter unsere Stimmung widerspiegeln. Ein kalter Wind fährt mir durchs blaue Haar. Immerhin regnet es noch nicht.

Ganz hinten, fast am Ende des Friedhofs, unter ein paar Kiefern steht Nyus zierlicher Grabstein. Das Grab ist nicht sehr groß, da unsere Freundin traditionell eine Feuerbestattung erhalten hatte. Als wir um die Ecke der Hecke biegen, sehen wir zwei weitere Personen an ihrem Grab stehen.

Ich dachte erst, dass es ihre Eltern wären, aber dann erkenne ich einen von ihnen. Es ist Sewon. Er trägt Handschellen und wird von einem Polizisten bewacht, der die zweite Person ist. Als Sewon uns bemerkt, hebt er seinen Kopf. Ein trauriges Lächeln ziert sein Gesicht.

Er kannte Nyu nicht besonders gut, aber er weiß, was sie vielen von uns bedeutet hat. Seine Fähigkeit die Gefühle anderer zu erkennen und nachzuvollziehen lässt ihn jetzt hier bei uns am Grab stehen.

Während die anderen Blumen vor dem Grabstein ablegen oder sich niederknien, um für Nyu zu beten, geht Tae auf seinen Freund zu und umarmt ihn nach einem kurzen Blick zu dem Polizisten. Der schaut ihn jetzt aber böse an und Tae löst sich schnell wieder von Sewon.

Nun stehen wir also hier. Insgesamt nur noch sechzehn Leute. Acht Jungen und acht Mädchen. Wir trauern um unsere Freundin, die am selben Tag von uns gegangen ist, an dem ihr Leben eigentlich gerade erst beginnen sollte.

Sechzehn Freunde. Davon sieben ehemalige Idole, die ihre Berühmtheit aufgaben, um ein Leben mit uns zu beginnen. Ein Leben ohne übermäßig Geld und Glanz und Glorie. Ein einfaches Leben. Aber dafür mit Freude und Liebe.

Sechzehn Jugendliche, die trotz dem Tod noch Träume haben, die sie sich erfüllen wollen. Manche davon vielleicht unrealistisch. Aber was ist schon unmöglich, wenn man so viele Menschen um sich hat, denen man vertrauen kann?

Langsam schaue ich in den dunklen Himmel auf. Jetzt beginnt es doch zu regnen.

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-Joiy

Am anderen Ende der Welt | BTSWo Geschichten leben. Entdecke jetzt