Kapitel 43 ~ too much thoughts

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- Hinata -

In Gedanken versunken drängle ich mich durch die überfüllten Schulgänge.
Das Testament ist der größte Schrott! Garantiert war mein Urgroßvater schizophren oder so und seine letzten Gedanken vor dem Tod waren: Hahah lol, lass mal ein komisches Gedicht verfassen und meinen Enkel damit ärgern.

Genervt ramme ich mich durch die Schülermassen zu unserem Zimmer, wo ich mich wie ein überfressener Elefant auf meinen Stuhl plumpsen lasse. Nachdenklich starre ich Löcher in die Luft, bis mir plötzlich jemand auf den Arm schlägt.

"Morgen, Hinata. Was starrst du Kibum so an?"
"Was? Wieso?" Erschrocken sehe ich abwechselnd zu Ning und Kibum, den ich angeblich angestarrt haben soll.

"Was kann ich dafür, dass diese Spackenhackfresse sich einfach in mein Blickfeld setzt?" Aufgebracht fuchtle ich mit den Armen vor ihrer Nase herum. "Ist ja gut. Jetzt beruhige dich erstmal. Also, was ist los?"

Kurz überlege ich. Zwar bin ich schon seit einer ganzen Weile ziemlich gut mit Ning befreundet, allerdings habe ich trotzdem nicht vor, jemandem davon zu erzählen. Zumindest vorerst noch nicht, also zucke ich nur mit den Schultern und starre weiter vor mich hin.

"Okay. Weißt du, wo die anderen beiden sind?"

Keine Ahnung, was sie mich gerade gefragt hat. Ich schüttle einfach mal mit dem Kopf. Die nervige Schulklingel reißt mich aus meinen Überlegungen. Kann man hier nicht mal in Ruhe über ein scheiß Testament eines gestörten Urgroßvaters nachdenken?!

Der Lehrer betritt das Klassenzimmer. Nach all den Jahren, die ich jetzt schon hier bin, weiß ich seinen Namen immer noch nicht. Muss irgendwas exotisches sein - oder Kim. Die heißen hier alle Kim. Kommt mir wenigstens oft so vor.

Wir begrüßen ihn und lassen uns wieder auf unsere Stühle fallen. Ich bemerke, wie Ning unruhig neben mir hin und her rutscht.

"Was ist los?", flüstere ich ihr zu.
"Ich frage mich, wo Nyu und Lee sind. Ich mache mir Sorgen."

Jetzt erst bemerke ich, dass sie fehlen. Hoffentlich ist nichts passiert. mit dieser Erkenntnis kann ich den Ausführungen des Lehrers nur schlecht folgen.

Da klopft es an der Tür und alle, eingeschlossen wir beide, schauen erwartungsvoll in ihre Richtung. Der Lehrer öffnet sie. Im Gang stehen Lee und Nyu. Sie verbeugen sich mehrmals und entschuldigen sich immer wieder. Sie flehen ja praktisch darum, dass sie nicht irgendeine Strafarbeit machen müssen.

In Deutschland ist das nicht so streng. Da kann man fünf Stunden zu spät kommen und es juckt keinen. Sagt man halt der Bus kam nicht und gut ist.

Die beiden müssen beteuern, dass sie beim Direktor waren und dürfen sich dann auf ihre Plätze setzen. Als sie auf uns zukommen, sehe ich Lees gerötete Augen und einen blauen Fleck an ihrer Wange. Jetzt weiß ich, warum sie zu spät sind. Auch Ning scheint den Grund zu bemerken, denn sie zieht neben mir scharf die Luft ein.

Lees Vater war wohl wieder betrunken und hat sie geschlagen. Sie tut mir so unglaublich leid. Ich kann es nicht ertragen, sie so zu sehen. Irgendwas muss man doch tun können. Aber mir fällt beim besten Willen nichts ein. Alles, was wir tun können, ist sie zu trösten und sie immer wieder aufs Neue aufzubauen.

Jetzt, wo sie da sind, versuche ich mich wieder zu konzentrieren. Das stellt sich aber als schwierig heraus, da mich das Thema nicht mal annähernd interessiert. Also nehme ich kurzerhand mein Handy, um mir nochmal das Gedicht durchzulesen. Irgendwas muss unser toter Urgroßvater sich ja dabei gedacht haben.

Ich verstecke mein Handy so hinter der Federmappe, dass der Lehrer es hoffentlich nicht sehen kann. Ich versuche das Gedicht zu interpretieren. Eigentlich war ich immer der Meinung so etwas nie wieder zu brauchen. Ist anscheinend doch nicht so.

Am anderen Ende der Welt | BTSWo Geschichten leben. Entdecke jetzt