Kapitel 53 ~ Zerstörung pur

66 13 51
                                    

- Hinata -

Ich öffne meine Zimmertür, werfe meinen Rucksack in die Ecke und schmeiße mich aufs Bett. Ich lande mit meinem Beckenknochen genau auf dem fetten Buch, das dort liegt. Es knackt. Schmerzhaft verziehe ich mein Gesicht.

Was ist jetzt kaputt gegangen? Vorsichtig richte ich mich auf und taste nach meiner rechten Seite. Meine Hand fährt über ein paar Splitter. Ach scheiße! Ich greife in meine Hosentasche und hole den zerstörten Kompass mitsamt seinem Stück Stoff heraus. Verdammt. Der war sicher mega wertvoll. Und ich mache ihn kaputt!

Ich stöhne genervt auf und erhebe mich wieder von meinem gemütlichen Bett. Den Kompass lege ich ordentlich auf meinem Schreibtisch ab, bevor ich mir meinen Laptop nehme und mich wieder ins Bett setze mit dem Rücken ans Kopfende gelehnt.

Ich fahre ihn hoch. Mein Vater meinte, ich müsste ihn wieder auf Arbeit begleiten und das würde sich erst ändern, wenn sich meine Zensuren verbessern würden. Das heißt, ich würde jetzt meine Hausaufgaben machen müssen. Die Frage ist aber, werde ich sie auch wirklich machen? Ich denke nicht.

Stattdessen googel ich erstmal nach einem geeigneten Uhrengeschäft, bei dem ich den Kompass reparieren lassen könnte. Nach viel zu kurzer Suche finde ich einen kleinen Laden in meiner Nähe. Er sieht ziemlich alt und idyllisch aus. Perfekt um einen alten Kompass reparieren zu lassen. Ich schreibe mir die Adresse auf und lege den kleinen Zettel zu dem Schrotthaufen auf meinem Tisch.

Wieder im Bett überlege ich, wie ich die Zeit noch weiter hinaus zögern könnte, um keine Hausaufgaben machen zu müssen. Mein Blick fällt auf die Spraydosen, die neben meinem Swag-Beutel liegen. Ein Wunder, dass Vati sie noch nicht weggeschmissen hatte. Vielleicht hatte er ja die Hoffnung, dass ich dann nicht immer aus Provokation abhaue. Berechtigt. Ich gebe mir tatsächlich mehr Mühe, wenn er mich in diesem Sinne in Ruhe lässt.

Bei dem Anblick der Dosen fällt mir plötzlich ein, was ich noch recherchieren könnte. Deadly Soul. Wer ist er? Wenn er so ein bekannter Rapper ist, musste doch sicher etwas über ihn zu finden sein.

Ich öffne das Internet wieder, nicht ohne vorher zu kontrollieren, ob auch der Sticker auf der Kamera noch hält. Die panische Angst vor Hackern lässt mich einfach nicht los. Da kann Yuki noch so viel darüber lästern, ich fühle mich ohne meine Sticker und Klebezettel einfach nicht wohl.

In die Suchleiste tippe ich 'Deadly Soul Rapper' ein. Kurz dauert es, bis die Kacke geladen hat, dann werden mir etliche kryptische Seiten angeboten, bei denen ich mir nicht sicher bin, was genau das sein soll. Ich klicke einfach mal auf die erste, weil eins ist immer gut.

Es scheint allerdings nur irgendeine Fanpage zu sein. Eine Menge Stalkerfotos gibt es hier mit massenhaft Kommentaren darunter. Ganz oben stehen ein paar wenige Informationen zu dem Rapper. Er heißt Deadly Soul, keiner weiß, wie er aussieht, weil er immer mit Maske rumrennt, er ist Underground Rapper. So weit war ich auch schon.

Ich gehe wieder aus der Seite raus und öffne die nächste. Die ist fast genauso aufgebaut. Fotos und sinnlose Texte von Fans, die sogar beim Schreiben über ihr Idol einen Herzstillstand erleiden.

Ich verbringe tatsächlich eine halbe Stunde damit, mich durch sämtliche sinnlose Seiten zu klicken. Das einzige neue, das ich herausfand, war, dass man den Rapper oft auch einfach DS nannte. Bringt mich halt nur nicht weiter. Allerdings habe ich das Gefühl, dieses DS schon mal gehört zu haben. Das habe ich aber oft bei solchen Dingen. Man erlebt etwas und denkt sich im Nachhinein, dass das ganze doch schon einmal passiert ist.

Da werde ich von der sich öffnenden Haustür in meinen Grübeleien unterbrochen.

"Hinata? Ich bin wieder da! Was machst du?"
"Hausaufgaben!"

Ich falle fast aus dem Bett, als ich zum Rucksack hechte und meinen Mathehefter rauszerre. Ich weiß zwar nicht, was wir in welchem Fach aufhaben, aber in Mathe hat man immer Hausaufgaben. Kurz nachdem ich auf meinem Schreibtischstuhl Platz genommen habe, schaut mein Vater auch schon in mein Zimmer.

Als er mich 'lernen' sieht, nickt er zufrieden. "Ich hab Eis gekauft. Willst du welches?"
Ich nicke aufgeregt. Nichts geht über Eis oder Essen allgemein. Fragt Sewon. Der versteht mich.

Als wir in der Küche am Tisch sitzen, jeder mit einem Eisbecher vor uns, fühlt es sich so an wie früher. Als wir noch alle gemeinsam in Deutschland lebten, war es oft so im Sommer. Allerdings saßen wir da im Garten.

"Und wie war dein Tag heute?" Mein Vater unterbricht sich kurz beim Essen, um zu überlegen.

"Es ist wohl ein ziemlicher Skandal im Internet entstanden, weil irgendjemand ein Bild gepostet hat, wie die Jungs umringt von einem Haufen Mädchen durch die Straßen gehen. Manche meinen, dass das nur irgendwelche Fans sind, andere sagen, das sind ihre Freundinnen."

Ich ersticke beinahe an meinem leckeren Vanilleeis. Ein Haufen Mädchen? Das klingt schwer nach uns. "Weiß man denn, wer die Mädchen sind?"

"Um genau zu sein, erkennt man deren Gesichter nicht. Das Bild wurde von hinten fotografiert. Die Jungs erkennt jeder, weil ein paar rückwärts gelaufen sind, um mit dem Rest zu sprechen. Deshalb glaube ich auch nicht, dass das nur Fans waren."

Ich nicke leicht mit klopfendem Herz.

"Haben sie Ärger bekommen?"

Mein Vater schmunzelt.

"Bei BigHit nehmen sie es nicht so genau mit den Freundinnen. Um genau zu sein, haben sie da gar keine Datingsperre. Es ist trotzdem unangebracht eine Freundin als Idol zu haben, allein schon wegen dem Stress und den eifersüchtigen Fans.
Den Ärger haben sie bekommen, weil sie eigentlich nicht alle gemeinsam rausgehen sollen, da sie dann leichter erkannt werden und das kann für sie sehr gefährlich sein. Am meisten tun mir ja die Mädels leid. Wenn jemand herausfindet, wer sie sind, werden sie nicht mehr in Ruhe auf die Straße gehen können."

Wieder nicke ich. Mit einem mulmigen Gefühl im Magen esse ich mein Eis zu Ende, obwohl ich gar keinen Appetit mehr habe. Von wegen ich lebe in einer heilen Welt. Da habe ich mich immer vom Internet abgeschottet und nun werde ich von aggressiven Fans verfolgt. Was für ein Scheiß.

 ~~~

-Joiy

Am anderen Ende der Welt | BTSWo Geschichten leben. Entdecke jetzt