K A P I T E L 10

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“Berger, sie sind dran.“

“Was, ich?“

Ungläubig schaue ich meinen Gegenüber an.

“Ja, sie! Oder sehen sie hier noch ein unerfahrenes Mädchen, dass genauso heißt wie sie?“

Mürrisch zieht Dr. Moreau seine Augenbrauen zusammen und übergibt mir das Skalpell.

Etwas aufgeregt nehme ich es entgegen und setze zum Schnitt an.

“Halt!“

Erschrocken blicke ich auf. Ich habe doch noch nicht mal angefangen, was soll ich also falsch gemacht haben.

“Erläutern sie zunächst ihr Vorgehen.“

Genervt verdrehe ich die Augen.

“Durch einen gezielten Schnitt in's Brustbein öffnen wir den Brustkorb und haben einen direkten Zugang zum Herz. Dann schließen wir das Herz an die Herz-Lungen-Maschine an und“

“Jaja, richtig. Erstmal legen wir los, wenn wir soweit sind besprechen wir wie es weiter geht.“

Eben wollte er doch noch alles erklärt haben. Männer und ihre Meinungsschwankungen.

“Worauf warten sie Bergen, los geht's!“

Ich atme noch einmal durch und setze das Skalpell auf der Haut an.

     *     *     *

“Gut gemacht und herzlichen Glückwunsch! Ihre erste OP am offenen Herzen“

Lächelnd wasche ich meine Hände und drücke auf den Knopf des Desinfizierspenders, um meine Hände mit der durchsichtigen Flüssigkeit einzureiben.

“Danke.“

“Aber bilden sie sich bloß nichts drauf ein, das war keine Meisterleistung.“

Da war er wieder, der typische Moreau.

“Würde mir niemals einfallen“, flöte ich Dr. Moreau zu, bevor ich aus dem Raum verschwinde.

Schnellen Schrittes begebe ich mich zum Counter, um mir die Pantientenakten abzuholen, welche ich noch bearbeiten muss.

Am Empfang treffe ich Theresa, welche gelangweilt auf ihrem Stuhl sitzt.

“Na, was hast du schönes in der Zeit gemacht, als ich hier nutzlos rumsitzen musste?“

Das ist Theresa, wie sie leibt und lebt. Immer auf Erfolg und Ruhm aus, den  am Counter nicht bekommen kann.

“Ich hatte heute meine erste Herzklappen-OP.“

Stolz recke ich mein Kinn hervor.

“Oh man und ich sitze nur hier rum und was tue ich? Nichts, richtig. Aber herzlichen Glückwunsch, lass dich drücken.“

Schnell kommt vor den Counter und umarmt mich herzlich.

“Dankeschön. Bald operierst du auch wieder. Jeder ist mal am Counter dran.“

“Ja, aber ich bin gefühlt doppelt so oft dran, wie ihr“, jammert Theresa weiter.

“Ich hab's auch nicht besser, muss jetzt noch einen zehn Meter hohen Stapel Akten bearbeiten. Aber dann habe ich Feierabend.“

“Dann gutes Schaffen.“

“Danke, dir auch“, antworte ich ihr, während sie wieder an ihren ursprünglich Platz zurückkehrt und sich einer jungen Frau zuwendet welche hilfesuchend umher schaut.

Ich schnappe mir den Aktenberg und mache mich auf den Weg zum Assi-Raum.

Ich hasse es Akten durchzuarbeiten, ich hasse es einfach. Immer der gleich Ablauf, die Eintönigkeit. Das macht einen doch verrückt!

Nach stundenlanger Arbeit schließe ich die letzte Akte und lege sie feinsäuberlich auf den großen Stapel.

Geschafft.

Endlich Feierabend.

Meine gute Stimmung kippt schlagartig, als mir bewusst wird, dass ich nur Niklas' Klamotten in meinem Spind liegen habe.

Wohl oder über schäle ich mich aus meiner 'Uniform' und schlüpfe in den großen Pullover und die weite Jogginghose.

Mir wird wieder bewusst, wie gut Niklas bzw. sein Pullover riecht.

Ich könnte mich glatt an diesen Geruch gewöhnen. Langsam fahre ich mit meinen Händen über das raue Material des Pullovers und setze mich gedankenverloren auf das Sofa.

Was ist das zwischen uns? Wir sind mehr als nur Freunde. Das ist klar. Aber bin ich richtig in ihn verliebt oder viel besser liebt er mich?

“Hey!“

Überrascht zucke ich zusammen, als sich die Tür öffnet und Niklas mich begrüßt.

“Hi, wie war dein Tag?“, antworte ich ihm nach kurzem zögern.

“Gut, aber anstrengend, wie immer! Ich habe gehört du hattest deine erste OP am offenen Herzen, meinen Glückwunsch.“

Er lässt sich neben mir auf dem Sofa nieder.

“Danke. Zugucken ist das eine, aber dann selber operieren ist was ganz anderes.“

“Ich weiß, aber eigentlich bin ich aus einem anderen Grund hier.“

Gespannt setzte ich mich gerade hin, um ihn besser sehen zu können.

“Schieß los!“

“Also, meine Mutter hat angerufen. Sie würde sich freuen, wenn wir beide heute Abend mit ihn essen gehen würden. Wenn du keine Lust hast, musst du natürlich nicht mit, aber meiner Mutter würde sich wiegesagt sehr freuen.“

Daran hatte ich garnicht mehr gedacht. Aber was soll schon passieren, es ist ja nur ein Essen. Aber ich muss seine Mutter weiter anlügen und verliebt spielen, was mir komischer Weise aber garnicht so schwer fällt.

“Ich komme mit, aber nur noch heute. Danach lüge ich keinen aus deiner Familie mehr an.“

Als ich ihm in die Augen schaue, merke ich wie diese kurz etwas aufleuchten, als würde er sich freuen.

“Okay, cool! Ich hole dich gegen 19 Uhr ab. Zusammen fahren wir dann zum Restaurant.“

“Okay und was soll ich anziehen?“, frage ich.

“Egal, du siehst in allem gut aus.“

Meine Wangen glühen hellrot auf, als Niklas sich vorbeugt und mir einen Kuss auf die Wange haucht.

“In meinen Sachen siehst du besonders niedlich aus“, flüstert er mir in's Ohr.

Ich höre noch ein “ich freue mich“, bevor er un die Ecke verschwindet und mich mit den Gedanken um mein Outfit und um den kommenden Abend alleine lässt.

Neues Kapitel🙋

-A💗

doctor's passionWhere stories live. Discover now