124|füreinander da

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„Da bin ich mir nicht so sicher.", sprach ich, doch bloß um ihn so zu verletzen, wie er es gerade bei mir tat.
Es schien zu wirken, denn er hielt den Atem an. Ich sah ihn nicht an, sondern trat einfach zurück und machte mich, alleine, um Mitternacht, auf den Weg.

~

Mürrisch zog ich die Decke weiter hoch und vergrub mein Gesicht darin.
Ich wollte nicht in die Universität. Ich hatte weder Lust noch Konzentration, also sparte ich mir diese Anstrengung für den Weg und die stundenlangen Vorlesungen.

Kenan hatte mich gestern Abend noch zwei Mal angerufen, doch nachdem ich ihn wegdrückte beließ er es.
Es war irgendwie ein Stich in die Brust als er es beließ, aber ich hatte ihn auch weggedrückt.
Was hatte ich erwartet?
Dass er mich hunderte Male anrufen würde?
So einer war Kenan nicht. Er würde das nicht tun.

„Hadi Seren! Geç kalıyorsun.", rief meine Mutter hoch, aber ich verzog nur mein Gesicht.
(Los Seren! Du kommst zu spät.)

„Gitmiyorum!", schrie ich wütend und schloss wieder meine Augen. Ich hörte meine Mutter noch fluchen, aber sie kam nicht hoch um mit mir zu diskutieren, sondern um mir die Decke wegzuziehen und die Balkontür aufzureißen.
(Ich gehe nicht!)

„Dein Vater muss zum Gericht und ich gehe jetzt zu Kayla. Geh du auch in die Uni! Du schwänzt ziemlich oft.", merkte sie an, doch ich zog die Decke nur weiter über mich.
Ich sah sie noch empört zu mir sehen ehe ich wieder unter der Decke verschwand.

„Seren.", sagte sie in bedrohlichem Ton, doch seufzte,„Ach mach was du willst, aber so kommst du nicht an deine Ziele! Sie warten schließlich nicht auf dich. Du musst es dir verdienen und indem du unter der Decke liegst, tust du das sicher nicht."
Ich hörte meine Tür zugehen und warf die Decke zurück.
Wieso war das Leben so hart zu mir?

Genervt schnaubte ich auf und machte mich auf den Weg ins Bad. Nach einem alltäglichen Ablauf, der sich in die Länge zog, machte ich mir Frühstück und setzte mich an die Bar.
Ohne Appetit aß ich meinen Toast und starrte auf die Fliesen über dem Waschbecken.

„Meinst du das mit mir überhaupt ernst?", brachte ich über die Lippen und sah ihn erwartungsvoll an. Kenan öffnete seinen Mund, doch keine Wörter verließen seinen Mund.
Ich wartete auf eine Antwort, doch wie es schien sollte ich keine bekommen.
Keine Antwort war dennoch auch eine Antwort.

Was war ich denn überhaupt für ihn?
Er konnte mir sagen, dass ich ihm unendlich wichtig war, aber nicht, dass er es mit mir ernst meinte?
Dass er es nicht tun wollte, war okay. Ich konnte es akzeptieren und würde nicht wütend sein, deshalb, aber seine Worte waren wirklich schmerzhaft.

Ich fasste mich wieder und räumte meinen Teller weg. Ich hatte noch eine gute Stunde bis meine erste Vorlesung begann.
Eigentlich wäre es besser, wenn ich zuhause blieb. Ich könnte hier lernen und in der heutigen Vorlesung gäbe es schon nichts allzu wichtiges. Die Zeit zuhause könnte ich nutzen und alles wiederholen.

Das war ein Plan.
Ich blieb zuhause.

Ich machte es mir im Wohnzimmer gemütlich mit all meinem Stoff zum Lernen. Ohne, dass ich es merkte verfolgen Stunden.
Ich hatte siebzig Prozent der Zeit damit genutzt , zu lernen. Die restlichen Prozente waren Gedanken an Kenan.

Wieso wollte er nicht?
Ich würde niemals so sehr grübeln, wenn er einfach nicht wollte, aber was er sagte, machte alles schlimmer.
Er konnte nicht sagen, dass er mich wollte. Als Ausrede nannte er meine Eltern! Dass es kein perfekter Zeitpunkt gewesen wäre.
Es war doch so schön.
Ich verstand es nicht.
Natürlich erwartete ich keinen Antrag in wenigen Tagen, aber ich dachte er könnte es sich vorstellen mit mir seine Zukunft zu planen. Ich dachte ich wäre wirklich ein Teil seines Lebens geworden, dabei war ich wohl nichts weiter als seine Freundin, die er sowieso irgendwann verließ.

Plötzlich klingelte es und ich zuckte hoch.
Ohne mir große Gedanken zu machen rollte ich mich über das Sofa und schleppte mich selbst zur Tür.
Ich öffnete sie und schon stampften eine Brünette, mit einem lockigen Zopf, und eine Blondine, mit glatten Haaren über die Schultern, hinein.

„Euch auch Hallo.", scherzte ich und sie gingen schon ins Wohnzimmer. Ich verdrehte die Augen, doch schloss die Tür und folgte ihnen. Sie legten meine Ordner an die Seite und klopften neben sich, dass ich mich setzte, was ich auch tat.

„Wieso warst du heute nicht da?", fragte Alina und ich zuckte mit den Schultern,„Lewis und Ella waren da und sie sagten, ihr hättet heute viel zutun." Ich zuckte erneut mit den Schultern.

„Geht so. Ich kann das meiste schon, deshalb muss ich nicht so viel erledigen, wie sie. Ella ist schließlich mitten im Semester gekommen und Lewis schreibt nie mit.", erklärte ich und rieb meine Hände gegeneinander nachdem ich von rechts nach links von grün zu blau sah.
Wollten sie mich verhören?

„Hm.. Ist alles gut? Du siehst ein bisschen blass aus und..", fing Lara an, doch stoppte ehe sie langsam weitersprach,„Kenan ist auch irgendwie komisch. Der ist zu seinem ersten Seminar gekommen, aber dann war er auch wieder weg obwohl er bis fünf bleiben muss." Ich zuckte erneut mit den Schultern.
Den ganzen Tag lang hatte er sich kein einziges Mal gemeldet. Das war wirklich untypisch, dass er es nicht tat.
Selbst wenn ich genervt war oder er, schrieben wir mindestens eine Nachricht.

„Habt ihr euch wieder gestritten?", fragte Alina vorsichtig. Ich seufzte. Wieder.
Wie alltäglich das doch war.

„Joa. Naja geht.", murmelte ich und sah wieder auf meine Hände,„Das ist.. aber ein bisschen privat, deswegen möchte ich nicht darüber reden." Es war mir wirklich unangenehm, da wollte ich es nicht auch meinen Freundinnen erzählen.
Sie griffen alle beide nach meinen Schultern und drückten mich zurück. Mit großen Augen sah ich sie an und sie funkelten mich böse an.

„Du wirst uns alles erzählen!", forderte Lara auf, doch ich sah unstimmig von ihren blauen Augen.

„Nein ehrlich. Ich will nicht darüber sprechen.", blieb ich stur, doch sie sahen mich riesig an.

„Seren egal was es ist.. Wir stehen hinter dir okay?", sagte Alina nun und Lara sah sie entsetzt an, denn sie quetschte mich nicht aus,„Wenn du es für dich behalten willst, dann ist es okay, aber falls du jemanden zum reden brauchst sind wir da." Ich sah sie ernst an und sie ließen mich los.
Beide standen auf und wollten wieder gehen, da wimmerte ich und sah sie verletzt an.

„Ich wollte.. Kenan wollte nicht mit mir schlafen.", erzählte ich und sie sahen mich mit großen Augen an,„Damit ich es nicht bereue." Sofort sprangen sie neben mich und waren hochinteressiert.

„Wieso solltest du es bereuen?", fragte Alina und Lara war sichtlich überrascht von seiner Anlehnung.
Ich erzählte ihnen keine Details sondern eher, dass er mich ablehnte. Es war erniedrigend, aber dennoch erleichternd, denn sie sagten mir, dass sie es genauso eigenartig fanden.

Die Mädels stimmen ihr zu
Nächstes Kapitel ist wieder eine Kenansicht. Dann lasst uns mal »voller Hoffnung« beenden! ❤️
Und ich wollte noch sagen, dass ich es ein Stück übertrieben finde, wir ihr alle sofort über Seren denkt. Sie ist erwachsen und fühlt sich bereit, was ist daran schlimm?
Im echten Leben gibt es das auch und nicht jeder wartet bis zur Ehe.
Es ist eure Meinung, aber die muss nicht so ausarten, weil sie mit ihrem Freund schlafen wollte.
3/5

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