Kapitel 2.3

948 72 2
                                    

~Cleophea

Keine Menschenseele befand sich im Schwimmbad, als wir es betraten. Vermutlich hatte es bereits geschlossen, ich konnte mir nicht vorstellen, dass sich hier niemand aufhielt. Das Becken war riesig, türkis und wurde am Rand von Lampen in ein sanftes Licht getaucht. Am Rand waren Palmen und Liegen aufgestellt, die den Raum wirken ließen, als stammte er aus einem Urlaubskatalog. Verrückt. Der Aufenthaltsraum an meinem Internat hatte nicht einmal eine Couch aufweisen können. Seth ließ die Tür hinter uns ins Schloss fallen und zog sich seinen Hoodie über den Kopf. Dadurch kam das Tattoo zum Vorschein, das ich bereits am Nachmittag entdeckt hatte. Es bedeckte seinen gesamten linken Arm und zeigte zwei Göttern in einer Szene voller Krieg und Zerstörung. Das schwarz-graue Tattoo bildete einen scharfen Kontrast zu seiner bleichen Haut, es wollte nicht so recht zu seiner engelhaften Erscheinung passen. Um sein rechtes Handgelenk wand sich ein schwarzer, kyrillischer Schriftzug und ich bedauerte sehr, dass ich diesen nicht entziffern konnte. Was würde sich jemand wie Seth wohl tätowieren lassen? Tod und Verderben? Einhörner sind flauschig?

Seth hatte bereits sein T-Shirt und seine Stiefel ausgezogen und drehte sich in Richtung des Wassers, während ich noch immer das Tattoo auf seinem linken Arm anglotzte. Mir kam ein Satz aus unserem ersten Gespräch in den Sinn. Die Götter sind Bastarde und Menschen, die sie anbeten, bemitleidenswerte Opfer. Er schien kein Fan der Götter zu sein. Interessant.

,,Kann ich dir helfen?" Seth hatte den Kopf in meine Richtung gedreht und zog eine Augenbraue hoch.

,,Interessantes Tattoo", bemerkte ich und deutete auf seinen Arm.

Er nickte nur und löste ein Haarband von seinem Handgelenk, um sich die Haare aus dem Gesicht zu binden. Während ich meine Schuhe auszog, versuchte ich ein weiteres Mal, eine Konversation herzustellen. ,,Du bist der Sohn eines Gottes. Trotzdem trägst du so ein Tattoo- warum?"

Er ließ die Arme sinken. ,,Findest du immer gut, was deine Eltern so treiben?" Mit den Fingern zeichnete er die Tätowierung nach. ,,Die Menschheit ist der Beweis dafür, dass die Götter einen schlechten Job gemacht haben."

Das war eine harte Anschuldigung, aber gewissermaßen hatte er Recht. Geld und Egoismus regierten die Welt und das war der Grund, weshalb ich nie an Götter geglaubt hatte. Ich hatte immer gedacht, dass Götter den heutigen Zustand nicht zugelassen hätten, würden sie existieren. Anscheinend sahen die sehr wohl existenten Götter allerdings keinen Handlungsbedarf.

Seth ließ sich ins Wasser gleiten und ich tat es ihm gleich, wenn auch deutlich uneleganter und mit größerer Wasserfontäne. Davon war er eher mäßig begeistert, aber er kommentierte das Ganze nur mit einer hochgezogenen Augenbraue. Während wir schweigend nebeneinander am Beckenrand standen und auf das Wasser starrten, ließ ich mir die Ereignisse des heutigen Tages nochmal im Schnelldurchlauf durch den Kopf gehen. Heute Morgen hatte ich mich noch ganz normal im Geschichtsunterricht zu Tode gelangweilt, dann war Seth, alias Grufti-Thor, an der Box meines Pferdes aufgetaucht. Einige Stunden später war ich von einer Art mutierten Zombie-Halbgott angegriffen worden, woraufhin Seth mich heldenhaft gerettet hatte. Nun stand ich neben dem Sohn von Hades in einem überdimensionalen Swimming Pool und dachte über mein Leben nach. Das sollte mir erstmal jemand nach machen.

,,Was wird nun auf mich zukommen?", fragte ich.

,,Training", erwiderte er. ,,Du wirst einiges nachholen müssen."

Training klang verdächtig nach sportlicher Betätigung. Igitt. Seth drehte den Kopf in meine Richtung. Sein Blick wanderte über meine dünnen Arme und er gab einen verächtlichen Laut von sich. ,,Du wirst viel nachholen müssen", korrigierte er sich. Ich widerstand dem Drang, seinen Kopf ins Wasser zu tunken und beließ es bei einem finsteren Blick. Ich fand die Vorstellung von einem Internat voller göttlicher Wesen und Magie spannend und aufregend, aber dennoch... Hier hatte ich meine Freunde. Mein Pferd. Bisher war das alles gewesen, was mir im Leben wichtig war. Ich wusste nicht, wie ich mich entscheiden würde, wenn ich eine Wahl hätte. Nachdenklich blickte ich zur Seite. Ich wünschte, ich hätte eine Wahl. Um mich abzulenken, beschloss ich, Seth mit weiteren Fragen zu nerven und dabei das Risiko in Kauf zu nehmen, irgendwann von ihm im Pool ertränkt zu werden. ,,Wenn ich eine Halbgöttin bin- heißt das dann, dass ich auch magische Superkräfte besitze?"

,,Es wäre enttäuschend, wenn es nicht so wäre."

Ich seufzte. Er war so freundlich, da ging einem doch das Herz auf. ,,Hast du außer deinem Feuerteufel-Dasein noch irgendwelche Fähigkeiten?", erkundigte ich mich.

Seth tauchte eine Hand ins Wasser und ließ Tropfen auf die Wasseroberfläche perlen. Ebendiesen Tropfen galt seine gesamte Aufmerksamkeit, als er antwortete. ,,Ich beherrsche das Luftelement", erzählte er dem Wasser. ,,Und ich bin dazu in der Lage, den Willen von Sterblichen zu manipulieren."

Letzteres war eine durchaus praktische Fähigkeit. ,,Gibt es noch andere Halbgötter, die von Hades abstammen?", fragte ich.

,,Nein." Er hob den Kopf und schenkte mir einen kurzen Blick. ,,Die Götter treiben es zwar wie Kaninchen in der Paarungszeit, aber es gibt nie mehr als einen von ihnen abstammenden Halbgott."

Vermutlich, weil niemand zwei von seiner Sorte ertragen würde.
Während ich versuchte, die erlangten Informationen zu verarbeiten, sah ich Seth dabei zu, wie er sich vom Beckenrand abstieß und auf die andere Seite des Beckens schwamm. Dabei entdeckte ich auf seinem Schulterblatt ein weiteres Tattoo- ein Papagei, der in Grauschattierungen auf seine Haut tätowiert war. Ich runzelte die Stirn. Irgendwie hätte ich nicht gedacht, dass Seth etwas für Papageien übrig hatte.

TodessohnWhere stories live. Discover now